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consilium - DER PÄDIATRIE-PODCAST - Folge #36 - 3.11.2023

 

consilium – der Pädiatrie-Podcast

mit Dr. Axel Enninger

consilium Podcast mit Dr. Axel Enninger

 

Mykosen – jede Dermatophytose ist heilbar…

Axel Enninger: Heute spreche ich mit:

Prof. Dietrich Abeck.

 


DR. AXEL ENNINGER…

… ist Kinder- und Jugendarzt aus Überzeugung und mit Leib und Seele. Er ist ärztlicher Direktor der Allgemeinen und Speziellen Pädiatrie am Klinikum Stuttgart, besser bekannt als das Olgahospital – in Stuttgart „das Olgäle“ genannt.

 

Axel Enninger: Herzlich willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zu einer neuen Folge von consilium, dem Pädiatrie-Podcast. Mein Gast heute ist der Hautarzt Prof. Dr. Dietrich Abeck. Er ist Professor für Dermatologie und Allergologie an der TU München und leitet das Hautzentrum in Nymphenburg in München. Herzlich willkommen!

 

Dietrich Abeck: Herr Enninger, danke für die Einladung!

 

Axel Enninger: Sehr gerne! Wir wollten gerne heute uns ein bisschen fokussieren auf das Thema Pilzerkrankungen der Haut, weil das natürlich schon etwas ist, das uns Pädiater oft beschäftigt, wo wir aber auch so ein bisschen unsicher sind und oft nicht so richtig wissen, wann denke ich denn jetzt wirklich an den Pilz, und wann muss ich denn denken, das ist vielleicht doch eher ein Virusinfekt? Gibt es da so ein paar Faustregeln vom Dermatologen an den Pädiater, die Sie diesbezüglich gerne loswerden möchten?

 

„Leckerbissen“ der Dermatologie

Dietrich Abeck: Ja, also, ich denke, die Pilzerkrankungen der freien Haut sind Leckerbissen für den Dermatologen. Sie sind eigentlich, finde ich, sehr einfach zu erkennen. Ganz einfach. Letztendlich braucht meine Veränderung eine Schuppung. Wir können die dermatologischen Erkrankungen einteilen in nicht-schuppende und schuppende. Eine Mykose, eine Pilzerkrankung, schuppt immer, und jetzt kommt es: An eine Pilzerkrankung muss ich dann vor allem denken, wenn diese Schuppung randbetont ist. Und das Zweite: Wir haben ja viele Ekzeme, Exantheme, die am ganzen Körper auftreten. Eine Pilzerkrankung ist immer asymmetrisch, der Pilz kommt von außen. Das heißt, ich werde nie das symmetrische Bild eines Exanthems sehen. Es gibt immer wieder Stellen, wo ein Pilz vielleicht ist, und große Stellen, wo er nicht ist.

 

Immer randbetonte Schuppung und Asymmetrie

Axel Enninger: Okay, um es noch einmal zu sagen: Hautpilz, schuppt immer!

 

Dietrich Abeck: Ja, es gibt keine Mykose, die nicht schuppt. Es sei denn – natürlich die kleinen Ausnahmen – Sie haben sie schon anbehandelt. Dann kann es sein, dass die Schuppung kurzfristig nachlässt, aber sonst, eine nicht-behandelte, nicht-anbehandelte Mykose muss die Schuppung haben. Sonst gäb‘s auch keine Dermatologie. Wenn das Ganze nicht nach einem bestimmten System einzuteilen wäre, gäbe es uns ja nicht. Also Dermatologie ist relativ simpel, was die Mykosen betrifft. An der Haut hat diese Mykose, dieser Herd, immer eine am Rande sich zeigende Schuppung.

 

Axel Enninger: Okay, und das zweite Wichtige, das sie gesagt haben, ist „asymmetrisch“.

 

Dietrich Abeck: Ja, ist sie meistens. Es gibt keine symmetrische Mykose, weil der Erreger ja quasi auf die Haut auftrifft, und dann muss er sich irgendwann weiterarbeiten, also ist immer asymmetrisch.

 

Axel Enninger: Okay, und wie ist das am Kopf?

 

Dietrich Abeck: Kopf ist etwas anderes. Die Kopfpilzerkrankung wird ja auch anders therapiert. Die muss man beispielsweise, kommen wir noch später drauf, immer systemisch therapieren. Da gibt es einzelne Herde, auch die natürlich niemals symmetrisch, aber sie können teilweise großflächig sein, sodass man da auch wirklich genau schauen muss, ob es dazu auch eine Differenzialdiagnose gibt.

 

Axel Enninger: Okay, und wenn es im Bereich der Haare ist, gibt es da irgendetwas, wo Sie sagen: ‚Ah, das ist schon sehr wahrscheinlich, dass es ein Pilz ist‘?

 

Dietrich Abeck: Ich denke, wir haben ja immer eine Anamnese. Das ist das Gute. Sie kommen ja nicht ohne, dass man mit ihnen redet, und eine Pilzinfektion beginnt halt irgendwann einmal. Sie kann am Kopf einige Wochen und Monate bestehen, aber wir haben auch andere anamnestische Fragen. ‚Hast du vielleicht irgendwo einmal an deinen Beugen irgendwelche Ekzeme gehabt?‘, sodass ich dann eher davon ausgehen kann, das ist ein Kopfekzem. Es ist ja nicht so, dass die Tinea am Kopf nicht auch noch andere Stellen hat, die bleibt dann meistens auf dem Kopf bestehen. Also, das sind so klare Sachen, vor allem die Anamnese ist ja sehr unterschiedlich. Das ging irgendwann mal los, breitet sich aus, und das sind eigentlich so wichtige Faktoren, die man anamnestisch sofort abfragt.

 

Axel Enninger: Und ist der Verlust von Haaren ein wichtiger Punkt?

 

Dietrich Abeck: Ja, die Haare fallen aus, das ist richtig. Beispielsweise bei einer Differenzialdiagnose, dem Ekzem, da haben Sie in der Regel nicht diesen Haarausfall, diese haarfreien Stellen, die sie letztendlich bei der Mykose, bei der Mykose am Kopf erwarten.

 

Axel Enninger: Mhm, das heißt, Haarausfall gibt sozusagen einen Pluspunkt Richtung Mykose?

 

Dietrich Abeck: Ja, aber mit Schuppung. Wir haben ja eine wichtige Differentialdiagnose, die der Kinderarzt meines Erachtens heute perfekt kennt, die Alopecia areata. Dazu kommt immer wieder mal eine Frage, kann das eine Mykose sein? Nein, es kann keine Mykose sein, weil bei der Alopecia areata zwar die Haare fehlen, aber sie schuppt niemals. Das ist klinische Differenzialdiagnose, die aber so einfach zu erklären ist.

 

Axel Enninger: Weil die Kopfhaut unten drunter ganz normal aussieht, oder?

 

Dietrich Abeck: Ja, genau die Kopfhaut hat sich nicht verändert, sie ist nicht entzündet.

 

Axel Enninger: Wo fange ich mir denn das ein? Wo fange ich mir denn so einen Pilz ein?

 

Ansteckung zuhause und über Tiere

Dietrich Abeck: Die Pilze haben zwei große Möglichkeiten. Es gibt Pilze, die man quasi im Haus mitbekommt, wenn Vater oder Mutter eine Mykose haben, beispielsweise eine Zehennagelmykose. Bei den Kindern ist es aber meistens so, dass sie oft geselliger sind als ihre Eltern, viele Kontakte haben, und dass Kinder sich gerne mit Tieren beschäftigen. Wenn sie mal ein Tier sehen, dass sie ein Tier streicheln. Viele sogenannte tierpathogene Mykosen spielen gerade im Kindesalter eine große Rolle, die seltener bei den Erwachsenen auftreten.

 

Axel Enninger: Das heißt tatsächlich, Tiere, Haustiere sind bei Kindern für Mykosen ein häufiges Thema.

 

Dietrich Abeck: Ja, vor allen Dingen die eigenen Haustiere. Dann, wenn sie halt gerade frisch das Haus betreten. Wenn sie schon ein paar Jahre dabei sind, werden sie keine Mykose haben. Die Tiere müssen sich auch irgendwo anstecken. Aber wenn Sie beispielsweise ein neues Meerschweinchen zu Hause begrüßen, eine Katze bekommen oder sich einen Hund zulegen, und dann in den ersten Wochen bestimmte Hautveränderungen beim Kind auftreten, die an eine Mykose erinnern, an eine Pilzerkrankung erinnern, dann kann man davon ausgehen, dass der Erreger vom eigenen Haustier kommt. Aber die Kinder spielen natürlich auch mit anderen Tieren, streicheln Tiere und können da auch angesteckt werden.

 

Axel Enninger: Wenn wir an die eigenen Haustiere denken, über welchen Zeitraum reden wir da so? Ein halbes Jahr und dann ist man sozusagen safe, dass sie etwas mitgebracht haben?

 

Dietrich Abeck: Ja, wenn ein halbes Jahr nichts passiert, würde ich sagen, kann ich ausschließen, dass meine Tiere infektiös sind. Vollkommen richtig! Also, ein Pilz braucht ein paar Wochen, und dann ist das auch erledigt. Als wenn die Kinder regelmäßig spielen und nichts passiert, dann ist es nicht der Hund oder die Katze. Wenn jetzt der Hund ein paar Jahre da ist und jetzt eine Mykose auftritt, dann muss man halt fragen, wie viel Kontakt der Hund mit anderen Hunden hat. Dann kann man da mal drüber diskutieren. Aber wenn der keinen anderen Kontakt hat als Hund, dann wird das auch nicht der eigene Hund sein.

 

Vor allem Katzen und Meerschweinchen

Axel Enninger: Gibt’s da eine Liste von Tieren, die besonders gerne Pilze mit ins Haus tragen, oder ist das bei allen gleich?

 

Dietrich Abeck: Das ist sehr einfach. Das ist einerseits die Katze. Katzen verlassen ja das Haus, machen sich selbstständig, sind häufig außer Haus, ohne dass wir eine Ahnung haben, was sie treiben. Ein sehr interessantes Tier, das auch meine Kinder schon mal hatten, aber bei uns ist nichts passiert, ist das Meerschweinchen. Das Meerschweinchen hat halt eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, gerade wenn man es in der Zoohandlung beispielsweise kauft, dass Sie letztendlich einen recht infektiösen Erreger mit einkaufen, mit dem Mehrschweinchen nach Hause bringen. Also, das ist so eine Sache. Wenn ich jetzt einfach einmal zusammen sehe, von den Infektionsraten her, ist es die Katze und das Meerschweinchen, würde ich sagen.

 

Axel Enninger: Okay, und gibt es irgendetwas? Wenn ich eine Katze neu kaufe, ein Meerschweinchen neu kaufe, kann ich die irgendwie sauberputzen?

 

Dietrich Abeck: Ja, das wäre spannend, hab ich noch nicht gehört.

 

Axel Enninger: Gibt es nicht? Die kann man nicht in irgend so ein Bad eintunken und sagen, damit ist es klar?

 

Dietrich Abeck: Nee, wir haben keine Katze, wir haben Hunde zu Hause, aber ich glaube, Katzen tun auch ungern baden, also wird schwierig. Also das ist dann eine Sache… Es gibt auch keine andere Möglichkeit. Man müsste ja theoretisch die Schuppen untersuchen, das habe ich noch nicht gehört, dass man das automatisch macht. Wäre natürlich gerade beim Kauf von Meerschweinchen aus einer Zoohandlung absolut sinnvoll, wenn man weiß, wie häufig diese Meerschweinchen leider mit einem recht aggressiven Meerschweinchenpilz infiziert sind.

 

Human- und tierpathogene Erreger

Axel Enninger: Und was ist klinisch das Typische?

 

Dietrich Abeck: Ja, das ist halt die Pilzinfektion, und was ganz interessant ist, ich kann niemals aufgrund des Musters eines Hautpilzes, wie er sich verhält, sagen, dieser Pilz wird durch diesen Erreger induziert. Das kann niemand. Also ich kann nicht unterscheiden, ob das jetzt der Katzenpilz ist, ob es der Meerschweinchenpilz ist, ob es der Hundepilz ist. Aber wir wissen heute, wenn die Entzündungsreaktion, die Haut beispielsweise eine starke Entzündung hat, wenn diese Veränderung sehr stark gerötet ist, wenn sogar Pusteln da sind, dann kann ich Ihnen zu 100 % sagen, diese Pilzinfektion stammt von einem Tier. Dann wird die nächste Frage: ‚Wo haben Sie Kontakt zu einem Tieren?‘ Dann wird gefragt: ‚Haben Sie das Tier vielleicht zu Hause? Meerschweinchen? Super, passt. Ist das relativ neu da?‘ Dann kann man schon sagen, das wird wahrscheinlich dieser klassische Meerschweinchenpilz sein, der Trichophyton benhamiae, den wir seit einigen Jahren in Deutschland haben. Ich kann, wie gesagt, nicht erkennen, wie das Viech heißt, das meine Mykose macht, aber ich kann ihn sofort erkennen aufgrund der Entzündung, der Akuität der Entzündung, kann Ihnen sagen, das ist eine Mykose, die kommt von einem Tier. Und diese Mykose stammt von einem Menschen, das ist klar menschenadaptiert. Das Immunsystem reagiert nicht stark, da ist die Entzündung sehr, sehr schwach. Also man kann klinisch schon sehr klar unterscheiden, wohin die Reise geht.

 

Axel Enninger: Okay, das heißt rote, mehr Sekretion, mehr „Schmodder“ auf Deutsch gesprochen, da würde man denken, das ist…

 

Dietrich Abeck: Wenn du noch Pusteln siehst, dann weißt du, das ist eine tierpathogene Mykose. Dann ist es das Entscheidende, und das ist so wichtig, das wäre für mich auch so wichtig, wenn man daran denkt: Einfach bitte eine Kultur anlegen lassen. Die schickst du weg, das macht kein Kinderarzt selbst. Es gibt Labore, die das letztendlich weiter prozessieren, die Kultur anlegen, eine PCR machen und was sie heute machen. Aber du musst am Ende den Erreger wissen, und der hilft auch der Familie zu suchen, was muss ich vermeiden? Es gibt ja inzwischen auch Familien, die haben sechs verschiedene Arten von Tieren, und da muss man sich mal überlegen, welches Tier ich wahrscheinlich sanieren muss. Das kriege ich aber nur dann heraus, wenn ich den Erreger weiß.

 

Axel Enninger: Okay, und ist das etwas, was Sie dem Kinder- und Jugendarzt anempfehlen würden? Oder würden Sie sagen: ‚Komm, lass mal, zu kompliziert, schickst du lieber zu einem Hautarzt?‘

 

Schuppen gewinnen, Erreger feststellen lassen, Tier zum Tierarzt

Dietrich Abeck: Das ist spannend. Also, ich kriege immer wieder Anfragen aus PädExpert, da sehe ich, wie relevant das Thema ist. Also, ich sage den Kollegen: ‚Wenn Sie es irgendwie möglich machen können – es macht ja auch Spaß –einfach ein paar Schuppen gewinnen und die einschicken.‘ Da haben auch viele Fragen: ‚Wie geht das dann?‘ Dann sage ich: ‚Fragen Sie bitte mal Ihr Labor. Die schicken Ihnen auch die entsprechenden Abnahme-Utensilien, die Sie brauchen.‘ Ich bin Hautarzt, wir machen zwei Sachen bei uns im Labor selbst. Wir haben eine Biologin, die macht uns unsere Allergiediagnostik. Das, was ich selbst mache, ist die Pilzdiagnostik, das heißt, wir züchten unsere Erreger auf Platten an. Ich kann dann auch relativ schnell, nach ein paar Tagen draufschauen. Das muss der Kinderarzt gar nicht machen, soll er auch gar nicht machen. Aber er soll diese Schuppen ins Labor schicken, und dann erhält er nach zwei, drei Wochen die Nachricht: Pilz positiv, und erhält den Erreger. Er kann dann die Eltern anrufen und sagen: ‚Passt mal auf, der Regel ist „der und der“, ihr müsst dann bitte das Tier nicht zum Hautarzt bringen‘, sage ich immer, ‚dem Tierarzt bitte vorstellen.‘ Der ist der native Ansprechpartner für die Therapie bei den Tieren.

 

Axel Enninger: Um es noch einmal festzuhalten: Sie wollen das Meerschweinchen nicht in Ihrer Praxis sehen.

 

Dietrich Abeck: Nee. Ich habe nächsten Donnerstag um halb sieben einen Termin, da kommt ein Hund, aber es eine sehr enge Patientin, die hat eine Frage wegen dem Hund. Da geht es wahrscheinlich auch um eine Mykose, aber letztendlich kommt der Hund um halb sieben, die Praxis ist dann zu. Aber sonst werde ich letztendlich bitten: Das Tier gehört zum Tierarzt. Und die Tierärzte können teilweise sehr, sehr gut Mykologie.

 

Axel Enninger: Okay also, liebe Kinder- und JugendärztInnen, wenn Sie es nicht mit dem Dermatologen Ihres Vertrauens verscherzen wollen, geben Sie nicht die Meerschweinchen mit!

 

Dietrich Abeck: Bitte nein, das wäre nicht lustig. Nein, aber, wie gesagt, ganz toll ist, wenn sie sich die Mühe machen, die Schuppen zu gewinnen und ins Labor zu schicken. Dann bekommen sie eine Antwort.

 

Axel Enninger: Also mit dem Labor zusammenarbeiten, und da brauche ich wahrscheinlich bestimmte Nährmedien, oder?

 

Stellenwert von Kultur und PCR

Dietrich Abeck: Sie brauchen die Schuppen, aber jedes Labor hat dann bestimmte Vorgehensweisen. Die einen verschicken kleine Briefchen. Das soll das Labor selbst machen. Wie sie die Schuppen haben wollen, das entscheidet das Labor, alles andere muss das Labor machen. Es gibt, aber, das ist eine andere Geschichte, es gibt sogar ein einziges Labor, ich möchte jetzt den Namen nicht nennen, das hat die Zulassung, eine PCR bei Kassenpatienten zu machen, was ich natürlich immer wieder gerne empfehle, so dass man auch sehr schnell eine Diagnose bekommt. Sonst dauert es so zwei bis drei Wochen. Die Kultur ist super, dauert aber leider zwei bis drei Wochen.

 

Axel Enninger: Das wäre jetzt meine nächste Frage gewesen. Alle Welt redet über PCR. Wie ist der Stellenwert der Kultur? Wie ist der Stellenwert der PCR?

 

Dietrich Abeck: Die PCR hat einen großen Vorteil. Sie geht sehr schnell, sie ist sehr sensitiv. Man muss natürlich aufpassen, dass es so ordentlich gemacht wird, dass man keine Verunreinigung reinbekommt, nicht dass immer wieder ein positiver Pilz herauskommt. Wie gesagt, sie ist im Kassenbereich noch keine gesetzliche Leistung. Bei Privatpatienten wird es durchgeführt. Man muss sagen, man muss sie nicht bei jedem Patienten durchführen. Das würde ich immer dazu sagen. Aber wir haben die Möglichkeit der PCR-Diagnostik. Man muss ja einfach fragen, warum soll ich drei Wochen warten, wenn ich es in zwei Tagen bekommen kann? Das ist ja auch so eine Frage. Die Mykosen sind teilweise sehr entzündlich, auch belastend. Also, ich hätte nichts dagegen, dass man vereinheitlicht, dass man es machen darf. Aber derzeit ist es noch nicht so. Die Kultur ist immer noch das Medium, das Standardvorgehen. Man muss ja auch sagen: Ich habe einen Fußpilz seit drei Jahren, da kann ich drei Wochen warten. Anders ist es beispielsweise bei der Tinea capitis, bei der Hautpilzerkrankung wäre es natürlich ganz gut, weil es anders therapiert werden muss. Weil Sie immer auch eine innerliche Therapie brauchen, wüsste ich da schon gerne mal schneller, was es ist. Man kann PCR diskutieren, man muss aber letztendlich wirklich schauen, dass das Labor es ordentlich macht und mir keine falsch-positiven Ergebnisse gibt. Das ist das große Problem der PCR, aber das erwarte ich natürlich von einem Labor, das die Autorisierung hat, dass es das ordentlich macht.

 

Gut behandelbar mit bewährten Medikamenten

Axel Enninger: Gibt’s da so etwas wie in der Bakteriologie, dass sie dann so etwas machen wie eine Resistenztestung, oder braucht man das nicht?

 

Dietrich Abeck: Braucht man nicht, Gott sei Dank! Die Dermatophyten sind so stinklangweilig, das muss ich sagen, das hat sich nicht geändert. Wir haben tolle Medikamente, wir können jede Dermatophytose heilen. Das ist heute problemlos mit allen alten Präparaten möglich. Es gibt auch keine neuen Präparate. Unsere Aufgabe ist zu erkennen, dass es ein Pilz ist, und zu entscheiden, ob eine äußerliche Therapie reicht oder ob ich innerlich und äußerlich therapieren muss. Aber die Präparate sind wunderbar, heute noch wirksam. Resistenzen gibt es eigentlich nur für einen ganz speziellen Pilz im Erwachsenenalter, den man auch durch Geschlechtsverkehr bekommen kann, der für die Kinder aber Gott sei Dank keine Rolle spielt. Das ist der sogenannte Thailandpilz, ein spezieller Genotyp von Trichophyton mentagrophytes. Das spielt für die Kinder Gott sein Dank keine Rolle.

 

Axel Enninger: Aber das ist ja spannend. Kann man das erklären? Warum ist es bei Pilzen anders als bei Bakterien? Ich meine, da haben wir ein Riesenthema mit bakteriellen Resistenzen.

 

Dietrich Abeck: Keine Plasmide.

 

Axel Enninger: Okay, daran liegt’s?

 

Dietrich Abeck: Ja, wir haben eine Doktorarbeit vergeben vor vielen Jahren, na ja, wir wissen es halt. Nee, das ist das Einfache, die sind leider „blöd“.

 

Axel Enninger: Das ist doch…

 

Dietrich Abeck: Gut für uns.

 

Axel Enninger: Wollte ich gerade sagen. Wenn man in ein Dermatologiebuch guckt, und da steht ein Präparat drin, muss man nicht denken: ‚Ob das jetzt, zehn Jahre später, immer noch so ist?‘

 

Dietrich Abeck: Wir haben super Präparate, die immer noch gut einsetzbar sind, außer wie gesagt bei dem einen, diesem Thailandpilz, aber da haben wir die Kinder, Gott sei Dank raus. Der einzige sexuell übertragbare Pilz, der ist jetzt neu, wird sich bei uns natürlich ausbreiten, wie alles, aber das ist im Kindesalter nicht das Problem, Gott sei Dank!

 

Axel Enninger: Okay, ja, es kommen immer mehr Erkrankungen, mit denen wir vorher nichts zu tun hatten. Thailandpilz höre ich jetzt auch zum ersten Mal. Sie haben vorhin, wie Sie so sind, gesagt: ‚Naja, ist eigentlich ganz einfach und alles wunderbar.‘ Gibt’s Fallstricke, wo Sie sagen: ‚Pass mal auf, lieber Kinder- und Jugendarzt, da gibt’s so ein paar Erkrankungen, die sehen aus wie Pilz, sind es aber nicht?

 

Ausnahme von der Regel der randbetonten Schuppung

Dietrich Abeck: Ich denke halt, das ist bekannt, das Wichtigste, wo man sich denkt… Kinderärzte mögen gern die Ekzemerkrankungen. Wenn man es verstanden hat… das versuche ich auch, wenn ich Leute habe, die mit mir in der Praxis laufen und es lernen wollen. Nach zwei Tagen wissen sie es alle. Ein Ekzem schuppt immer. Auch ein Ekzem schuppt. Es gibt ja kein nicht-schuppendes Ekzem. Aber die Schuppung ist halt nicht randständig. Die Schuppung eines Ekzems zeigt sich immer im gesamten Herd. Der Pilz, das ist ganz einfach, der Pilz frisst das Keratin und wandert halt immer weiter, muss sich ausbreiten. Dort, wo er gerade sitzt, ist der Rand, und da tut er quasi das Stratum corneum durchwühlen. Aber in der Mitte schuppt er nicht mehr. Das ist so einfach. Ein roter Herd, der im gesamten Herd schuppt, ist entweder ein Ekzem oder eine Schuppenflechte. Wenn er randbetont ist, ist es letztendlich die Mykose, und das muss man einfach einmal verstanden haben. Ich halte diesen Unterschied zwischen Ekzem und Mykose für nicht schwer. Man kann es relativ schnell lernen. Es ist sehr einfach: Immer am ganzen Herd Schuppen: Ekzem oder Schuppenflechte. Randbetont: der Pilz. Dann gibt es noch eine andere Erkrankung, die auch eine meiner „Lieblingserkrankungen“ ist. Irgendwie macht ja Derma auch Spaß, weil man zwischendurch so nette Sachen hat, die man in ein paar Sekunden löst, aber für den Patienten immer ganz nett ist, wenn er sieht, wie der Arzt das macht. Das ist die Röschenflechte, das Chamäleon in der Dermatologie, das ist die Röschenflechte. Schuppt auch am Rand, aber nicht ganz außen, sondern am Innenrand. Das nennen wir die halskrausenartige Schuppung. Das ist so die „höhere Dermatologie“, dass man erkennt, dass die Schuppe in dem Erythem ist und nicht am Rande des Erythems. Und eine Sache, die bei mir selten vorkommt, weil die Wartezeiten bei uns relativ lang sind, aber dann, wenn sich vielleicht ein Notfall zu uns verirrt: Ein Herd, und da ist die Frage, ist das ein Pilz oder die wichtigste Differentialdiagnose? Ist das nicht vielleicht sogar das Primärmedaillon der Röschenflechte? Und wenn man sagt, ich weiß es nicht, dann würde ich es ganz pragmatisch machen: Schreib dem Menschen, dem Kind, eine Pilzcreme auf. Er macht nichts falsch, wenn er zweimal eine Pilzcreme drauftut. Aber ich sage den Patienten immer: ‚Sie müssen nicht wiederkommen, wenn die nächsten Wochen ganz viele neue Herde kommen. Dann war es die Röschenflechte und die Röschenflechte ist ja nicht ansteckend. Dann war dieser eine Herd das sogenannte Primärmedaillon. Und nicht erschrecken, wenn jetzt ganz viele kommen, dann brauchen Sie nicht extra herzukommen. Dann ist es die Röschenflechte, die ist dann nicht ansteckend, die heilt dann auch innerhalb, sagen wir, von acht bis zwölf Wochen komplett aus.‘ Das ist so das Einzige, finde ich, die Röschenflechte, die halskrausenartige, nach innen gerichtete Schuppung. Aber tausendmal häufiger ist die Mykose, randbetonte Schuppung.

 

Im Zweifel Antimykotikum topisch, aber nicht auf Verdacht antibiotisch

Axel Enninger: Okay, und wenn ich mir nicht sicher bin, Antimykotikum lokal.

 

Dietrich Abeck: Topisch ist kein Problem. Es gibt halt keine Resistenzen wie beim Antibiotikum, wo ich ja nicht so locker sag: ‚Ich hau mal ein Antibiotikum drauf.‘ Das finde ich nicht gut.

 

Axel Enninger: Okay, das ist aber wirklich toll, dass Sie das jetzt nochmal so sagen. Wir machen alle Antibiotic Stewardship und für uns ist immer ganz wichtig: nicht zu viele Antibiotika. Da sagen Sie, in der Derma, mit einem Antimykotikum lokal machst du erst einmal nichts falsch.

 

2-mal täglich bis zum Abklingen plus eine Woche länger

Dietrich Abeck: Absolut richtig, der große Unterschied! Ich bin genau wie Sie: Es wird bei uns viel zu viel topisch antibiotisch behandelt, teilweise ohne Sinn und Verstand. Da passe ich auf. Aber die Mykose, da braucht man keine Angst zu haben. Wie gesagt, Therapie, immer das Gleiche: zweimal täglich in der Regel, bis es ganz weg ist, plus eine Woche länger. Das ist immer die ganze klassische Sache. Nicht gleich aufhören, wenn du nichts mehr siehst. Mach‘s noch eine Woche länger, dass du sicher bist, der Pilz ist auch wirklich weg.

 

Axel Enninger: Okay, klingt ja auch nach echtem Grundsatz. Also nochmal langsam. Lokale antimykotische Behandlung, bis es weg ist, und dann, wie viel länger?

 

Dietrich Abeck: Eine Woche.

 

Axel Enninger: Eine Woche länger.

 

Dietrich Abeck: Nicht gleich aufhören! Genau!

 

Axel Enninger: Okay, also, bis es weg ist plus eine Woche.

 

Dietrich Abeck: Ganz einfach.

 

Axel Enninger: Gilt für alles?

 

Dietrich Abeck: Ja, für alle topischen Therapien bei uns, für die Mykologie.

 

Axel Enninger: Okay, und wann reicht topisch nicht?

 

Wann zusätzlich orales Therapieprinzip?

Dietrich Abeck: Ja, das ist das Spannende, deshalb krieg ich auch immer Anfragen. Eine Frage, letzte Woche: Ein toller Kinderarzt, hatte erkannt: ein Herd, Pusteln, starke Entzündung, Schuppung. Ganz klare Diagnose, das ist eine Pilzerkrankung, mit großer Wahrscheinlichkeit von einem Tier. Er hat es topisch therapiert, mit einem guten Antimykotikum. Nach drei Wochen das Kind wieder einbestellt, was ich nett finde vom Kinderarzt, dass er da so großes Interesse hat. Die Mutter hat gesagt, ja, es wurde am Anfang besser, aber jetzt passiert nichts mehr. Es wird wieder röter. Und jetzt weißt du: Okay, es ist eine tierpathogene Mykose. Ich habe den Kollegen auch gebeten, unbedingt nochmal jetzt die Schuppen zu gewinnen. Ganz, ganz wichtig, ist ein kleines Problem: Es macht keinen Sinn, Schuppen zu gewinnen, wenn antimykotisch anbehandelt ist. Du musst wieder drei Tage warten. Wenn es geht, bitte gar nichts drauf tun, das Kind wieder einbestellen, dann die Schuppen abnehmen, und dann kannst du behandeln. Und dann habe ich gesagt: ‚Wir haben hier eine tierpathogene Mykose, da sehen Sie, das Problem ist, unser topisches Antimykotikum reicht nicht aus. Der kriegt jetzt noch 14 Tage ein orales Therapieprinzip dazu.‘ Eine Tablette über 14 Tage, wenn es eine Hautmykose ist. Ganz wichtig – das ist eine Erfahrungsgeschichte – wenn Sie eine tierpathogene Mykose im Gesicht haben, werden Sie es in der Regel topisch nicht wegbekommen. Das heißt, du brauchst 14 Tage oral und topisch natürlich die ganze Zeit, bis es weg ist, plus eine Woche länger. Aber, und die Patienten werden ja dann auch zu mir in die Praxis überwiesen, ich habe jetzt schon drei, vier Wochen behandelt, es geht nicht weg. Da sage ich: ‚Ja, Sie haben eine tierpathogene Mykose.‘ Da wissen wir, du brauchst diese 14 Tage noch zusätzlich das Orale. Topische Therapie bleibt weiter, und du wirst sehen, danach greift die topische Therapie.

 

Axel Enninger: Das war ja einerseits ein Plädoyer für die Schuppengewinnung vor dem Therapiebeginn.

 

Dietrich Abeck: Wär super, wenn es geht!

 

Axel Enninger: Erster Punkt. Zweitens habe ich auch gelernt, wenn ich anfange, es wird besser, aber nicht so richtig besser, und ich will dann Schuppen gewinnen, drei Tage Pause machen.

 

Dietrich Abeck: Bedingt, sonst wird die Kultur negativ, und dann hast du wieder nichts gewonnen. Genau!

 

Axel Enninger: Okay, sehr gut, und noch mal das, was Sie ganz am Anfang sagten: je röter, je mehr Sekretion, umso wahrscheinlicher 1., dass es etwas Tierpathogenes ist, und 2., dass ich was Orales brauche.

 

Dietrich Abeck: Absolut richtig, ja.

 

Orale Therapie, alternativlos

Axel Enninger: Okay, und was nehme ich dann oral?

 

Dietrich Abeck: Also, da muss man sagen, es sind alles alte Kamellen. Man muss fairerweise sagen, sie sind alle im Kindesalter gar nicht zugelassen. Deshalb bewegt sich der Kinderarzt, das kennt er sein Leben lang, im Off-Label-Bereich. Ich persönlich würde immer das Itraconazol nehmen. Es erwischt nämlich alle Spezies. Terbinafin, beispielsweise, hat ein Problem mit Microsporum canis, dem klassischen Katzen- oder Hundepilz. Wenn er das ist, hast du eine Therapie, die nicht funktioniert. Itraconazol erwischt alles.

 

Axel Enninger: Also jetzt nochmal: Echt? Der Hautarzt muss nur ein orales…

 

Dietrich Abeck: Der Hautarzt ist primär ein sehr einfach denkender Mensch. [Lachen]. Mit einem reicht es vollkommen. Das Itraconazol ist halt nicht zugelassen. Ich muss es den Eltern sagen, aber ich glaube, dass Eltern da nie irgendein Probleme hatten. Ich sage ganz bewusst: ‚Das ist off-label. Wenn Sie es durchlesen, da steht nichts drin, dass man ihr Kind damit behandeln kann, aber es ist alternativlos‘, wie jemand schon vor mir sagte.

 

Axel Enninger: Ist es gar nicht zugelassen oder ab irgendwann zugelassen?

 

Dietrich Abeck: Itraconazol ist bei Kindern nicht zugelassen. Es wird auch niemanden interessieren, weil es ein altes Produkt ist. Aber wir kennen es. Wir kennen es seit Ewigkeiten, und wir brauchen auch keine Laboruntersuchung für 14 Tage, denn die Therapie wird ja bei den Hautmykosen über 14 Tage erfolgen. Es passiert nichts. Es gibt den großen Vorteil, es gibt das Ganze auch flüssig. Es gibt ein Flüssigpräparat, wo ich dann also wirklich diese 5 mg/kg Körpergewicht gewichtsadaptiert geben darf. Sonst gibt’s natürlich Tabletten. Das kriegt er zusätzlich, alles andere bleibt. Das heißt, das topische Präparat muss man nicht auswechseln, das ist super. Es wird am Ende abheilen, aber es schafft es teilweise nicht, diesen starken Entzündungsprozess, diesen Erreger herauszukriegen. Deshalb braucht es 14 Tage dieses orale Antimykotikum. Das brauchen Sie auch, wenn Sie viele, viele Pilzstellen haben, dann kommst du topisch nicht mehr hinterher. Das werden Sie auch brauchen, wenn es sehr stark juckt, dann kann man davon ausgehen, dass durch das Kratzen das Ganze immer weiter ausgebreitet wird. Also, wie gesagt, hängt es von der Fläche ab, es hängt vom Entzündungsgrad ab, und dann muss ich entscheiden, reicht es mit meinem äußerlichen nicht mehr? Dann gebe ich noch für 14 Tage, nicht länger, das Orale dazu.

 

Axel Enninger: Okay, und Itraconazol klingt tatsächlich giftig, und der Kinder-Gastroenterologe in mir würde tatsächlich instinktiv denken, soll ich nicht mal Leberwerte bestimmen?

 

Dietrich Abeck: γ-GT, mehr brauchen Sie nicht zu bestimmen.

 

Axel Enninger: Okay, und das vorher und nachher oder gar nicht?

 

Dietrich Abeck: Ja, wenn man die Zeit hat, gerne vorher und vielleicht mal drei, vier Wochen nach Beendigung, aber es wird nichts passieren. Das Präparat ist seit Jahren… seit Jahren, es gibt im Kindesalter große Arbeiten, es wird nichts passieren. Es wird nichts passieren. Wir werden keine Nebenwirkungen erleben, das ist ganz spannend.

 

Axel Enninger: Okay, wunderbar, das klingt ja wirklich easy. Also 5 mg/kg KG, 14 Tage plus das Topische obendrauf.

 

Dietrich Abeck: Und wie gesagt, die Kinder kriegen mit sieben Jahren 100 mg/Tag, also kein Problem. Für die ganz Kleinen 50 mg.

 

Axel Enninger: Und zwei Wochen gilt für alles?

 

Tinea capitis braucht länger

Dietrich Abeck: Für die ganzen Hautmykosen. Nicht für die Tinea capitis, die braucht ja ewig.

 

Axel Enninger: Okay, dann müssen wir jetzt über Tinea capitis reden, wenn das anders ist.

 

Dietrich Abeck: Das ist eine der wenigen Sachen… Ich meine, wozu brauche ich den Hautarzt? Der Hautarzt sollte doch letztendlich eigentlich die komplexen Sachen behandeln. Ich verstehe jeden Kinderarzt, und ich sage es auch: Wenn sie die Tinea capitis übergeben, überhaupt kein Problem. Das bedeutet erst einmal, die Therapie dauert teilweise Monate. Ich muss ständig Kulturen anlegen, und das ist ja in der Routine des Hautarztes eigentlich drin. Was machen wir denn? Mykologie sollten wir alle noch können, und das können wir auch. Also wir machen die Mykologie ja sogar selbst. Das ist dann noch viel einfacher. Da kommt die Arzthelferin, rupft wieder ein paar Haare aus, nimmt ein paar Schuppen ab, das ist bei uns alles routiniert und geht sofort auf das Medium. Man kann dann wirklich innerhalb von ein, zwei Wochen draufschauen. Du kannst die Therapie der Tinea capitis ja erst dann beenden, wenn du zweimal eine negative Kultur hattest. Das heißt, du wirst viele Kulturen machen. Da muss ich sagen, der Kinderarzt hat so viele Sachen zu tun! Er kann alle anderen Mykosen problemlos heilen, weil die simpel sind. Die Tinea capitis ist die Einzige, die wirklich lange dauert, wo du vielleicht auch immer wieder mal… Das ist die Einzige, wo ich sage, da ist der Hautarzt wahrscheinlich der bessere Ansprechpartner, weil wir uns damit auskennen.

 

Axel Enninger: Ja, dann sagen Sie noch mal klinisch. Wann denke ich jetzt an Tinea capitis? Wann kann ich zum Hautarzt schicken, ohne mich lächerlich zu machen als Kinder- und Jugendarzt?

 

Dietrich Abeck: Also persönlich muss ich sagen, ein Kinder- und Jugendarzt wird sich niemals lächerlich machen. Ich meine, wir machen nur Dermatologie, und was der Kinderarzt heute leisten muss, ist ja eigentlich verrückt. Deshalb sage ich: niemals. Aber Sie können daran denken, wenn eine Stelle neu da ist, ab einem bestimmen Zeitpunkt da ist. Wenn man sieht, diese Stelle schuppt, ich kann problemlos hier ein bisserl die Haare ausreißen, dann habe ich Verdacht auf eine Tinea capitis. Die muss letztendlich kulturell abgeklärt werden. Jede Tinea capitis, egal ob vom Menschen – da habe ich wenig Entzündung, sondern nur die Schuppung und meinen Haarverlust – oder vom Tier, wo ich dann auch Pusteln habe, richtige, fette Rötung habe, muss systemisch und topisch therapiert werden! Und ich muss den Erreger unbedingt bekommen. Ich muss Ihnen echt sagen, wenn ein Kinderarzt mich anruft: ‚Herr Abeck, ich habe hier ein Kind mit Verdacht auf Tinea capitis‘, erwarte ich – nicht nur von unserer Praxis – erwarte ich, dass ich innerhalb von – er muss nicht morgen kommen, aber – innerhalb von drei, vier Tagen den Termin bekomme. Das ist unsere Aufgabe. Wenn es Dermatologen braucht, bei der Tinea capitis, da sind wir kompetent. Es kann auch sein, dass sie ganze Diagnose… Ich biete auch an: ‚Sie können die Therapie auch gerne machen, aber letztendlich haben Sie doch keine Lust, da ständig Ihre Kulturen einzuschicken, wenn es nicht routinemäßig ist.‘

 

Axel Enninger: Und das ist auch Itraconazol?

 

Dietrich Abeck: Ja, letztendlich ist es wirklich das Breiteste. Wir haben eine Leitlinie, die sagt, Terbinafin für alle Trichophyton-Spezies und das Itraconazol für Miconazol, aber sie sagt jetzt nicht, dass man es nicht machen darf. Wie gesagt, das Itraconazol wird sehr gut vertragen, es ist extrem wirksam. Witzigerweise haben ja viele Kollegen lange oral Fluconazol genommen. Ich habe es nie genommen, weil ich nur Versager gesehen habe. Jetzt in der neuen Leitlinie steht es auch drin, dass es einfach schlechter ist als Itraconazol oder Terbinafin. Aber Terbinafin hat eine Lücke. Wenn ich am Anfang nicht weiß, was ich da habe, macht es durchaus Sinn, ich nehme das Breitere und hab auf jeden Fall meine ganzen Erreger drin.

 

Axel Enninger: Und wenn Sie sagen, Sie müssen zwischendurch immer wieder mal Schuppen analysieren, muss man dann auch Therapiepausen machen?

 

Dietrich Abeck: Nein, immer unter der Therapie. Es gibt ein anderes Schema. Wir haben eine Leitlinie, da steht drin, ich muss therapieren, und ich muss zweimal negative Kulturen haben, dann kann ich aufhören.

 

Axel Enninger: Okay. Es ist jetzt nicht unbedingt ein pädiatrisches Thema, trotzdem kurz gefragt, diese Zwei-Wochen-Regel gilt ja nicht für Nagelmykosen, oder?

 

Dietrich Abeck: Die gilt auch nicht für die Tinea capitis. Die gilt nur für die Hautmykosen.

 

Axel Enninger: Entschuldigung, genau, also Tinea capitis war die eine Ausnahme, die zweite Ausnahme ist Nagelmykose, oder nicht?

 

Geduld und Terbinafin bei Nagelmykose

Dietrich Abeck: Ja, die Nagelmykose, die kann der Kinderarzt selbst therapieren, weil sie halt so simpel ist. Also, es gibt ja Sachen, wo ich den Hautarzt aufsuchen kann. Wichtig ist, bei der Nagelmykose, sage ich immer, eine orale Therapie setzt für mich immer voraus, dass ich den Erreger mal untersuche, okay? Und bei der Nagelmykose habe ich ja alle Zeit der Welt. Sie kommen ja mit einer Verzögerung von Monaten, vielleicht sogar einem Jahr. Auch Nagelmykose ist immer das Gleiche. Eine Nagelmykose, die alle zehn Nägel befällt, ist niemals eine Nagelmykose. Der Pilz wird nicht zehn Nägel befallen, das sind immer zwei, drei, vier Nägel. In der Regel muss man auch sagen, kommt der Nagelpilz von der Fußsohle und dem Zehenzwischenraum. Ich bin relativ kritisch, wenn ich sehe, wir haben nichts an der Fußsohle, ich habe nichts am Zehenzwischenraum, dann würde ich eher mal nicht an eine Nagelmykose glauben. Aber die Nagelmykose kann man sehr einfach diagnostizieren. Sie nehmen halt einfach so viele Schuppen wie möglich, kratzen ab unter dem Nagel, schicken ein, und wenn die Diagnose kommt – die Nagelmykose ist ja über 90 % bei uns auch bei den Kindern Trichophyton rubrum, ganz banaler Erreger, der auf Terbinafin wunderbar anspricht. Da ist die Therapie sehr einfach. Es ist ein Schema, das eigentlich Herr Tietz eingeführt hat, dass ich aber auch seit Jahren wirklich erfolgreich mache. Da muss ich sagen, hat er Recht, das stimmt alles. Du fängst an in der ersten Woche mit der normalen Dosis. Da ist Terbinafin eigentlich die Therapie der Wahl, weil es zu 90 % Trichophyton rubrum ist. Das ist ganz einfach. Wenn es ganz kleine Kinder sind, zwischen 0 und 20 kg, bekommen sie 62,5 mg Terbinafin. Kinder von 20 bis 40 kg bekommen 125 mg Terbinafin. Das wäre also eine Tablette von dieser Größe, und alles, was über 40 kg ist, ist eine Erwachsenendosis. Das sind 250 mg. Das ist ein so einfaches Schema, da kann man sich richtig freuen. Bei Kindern heilt die Mykose auch immer ab. Erste Woche eine Tablette pro Tag und dann eine Tablette pro Woche, bis der Pilz rausgewachsen ist, und das ist einfach.

 

Axel Enninger: Okay, aber das dauert ja ewig, oder?

 

Dietrich Abeck: Ewig nicht! Bei Kindern wachsen die Nägel ja Gott sei Dank schneller als bei Erwachsenen. Da sind die Zehennägel so in sechs bis neun Monaten durch.

 

Axel Enninger: Okay, und bei einem Erwachsenen reden wir über ein Jahr?

 

Dietrich Abeck: Ein Jahr bis anderthalb Jahre. Ich sage immer wieder, ich fotografiere jeden meiner Pilze. Kinder würde ich so alle vier Monate mal einbestellen, zeige den Eltern, wie es schön rauswächst. Dann macht es auch im Kindesalter tatsächlich Sinn, einfach auch wegen der Eltern, zu Beginn der Therapie mal die Leberwerte zu kontrollieren, nach vier Monaten kontrollieren und am Therapieende, und es wird nichts passieren.

 

Axel Enninger: Nur, dass ich es noch mal richtig kapiert habe: Es sind sozusagen unsere üblichen Verdächtigen: Sportler, Sportschuhtragende…

 

Dietrich Abeck: Ja, und die und die Familie zu Hause. Herr Tietz hat immer gesagt, die Großeltern. Da muss ich jetzt fairerweise widersprechen. Es sind die Eltern. Es ist ganz spannend. Meistens kommt bei den Kindern in dem Alter ein Elternteil mit, wenn beide Eltern mitkommen, weiß man, es ist etwas Ernstes. Sonst kommt meist nur die Mutter, wenn man so ehrlich ist.

 

Axel Enninger: Aber ist das nicht überall in der Kinderheilkunde so?

 

Dietrich Abeck: Ja, ich glaube schon. Also wenn die Eltern, wenn ein Vater mitkommt, haben sie irgendwie ein anderes Problem, aber egal. Ja, letztens hatte wir ein Kind da, ein Zweijähriges, Dreijähriges, mit Nagelmykose. Da habe ich die Eltern mal gebeten: ‚Wissen Sie, das Kind treibt ja noch keinen Sport. Das ist auch gar nicht der Grund‘, und hab mir die beiden Eltern angeschaut. Der Vater hatte die Nagelmykose. So ist es tatsächlich wirklich meistens. Der Pilz kommt von zu Hause, er kommt nicht von den Großeltern, das finde ich eine Unverschämtheit den Großeltern gegenüber. Meistens finde ich das beim Vater, und den muss ich halt mittherapieren. Der tut halt die Sporen fröhlich im Haus verlieren.

 

Axel Enninger: Kann man nur hoffen, dass er keinen Ärger gekriegt hat.

 

Dietrich Abeck: Der Mann? Nein, glaube ich nicht. Die beiden waren nett.

 

Axel Enninger: Okay, also gut, das heißt, diese Zwei-Wochen-Regel gilt für die Haut, außer für Tinea capitis und für die Nagelmykose. Tinea capitis so lange, bis die Kultur negativ ist, Nagelmykose bis der Nagel clean ist.

 

Dietrich Abeck: Du brauchst also keine zweite Kultur mehr zu machen, sondern wenn der Nagel raus ist, ist es fertig. Und wie gesagt topisch, einfach unterstützen durch einen Nagelcreme, kein Problem. Also nicht Nagelcreme, sondern eine Pilzcreme aufschreiben, so dass er auch dann jeden Abend die befallenen Nägel eincremt, das ist vollkommen ausreichend. Also, eine schöne Therapie, und die kann der Kinderarzt selbst machen, denn er muss die Kinder ab und zu sehen. Das ist eine Sache, wenn es ihm Spaß macht, soll er, ansonsten zum Hautarzt schicken, der sieht ihn aber auch nicht öfters. Der Kinderarzt macht schon, glaube ich, seine Laborabnahmen, weil er einfach wirklich um das Kind besorgt ist. Viele Dermatologen machen es nicht. Bei der Nagelmykose würde ich es wegen der Eltern machen, damit sie einfach wirklich sehen, ich gebe meinem Kind ein nicht zugelassenes Präparat über einen langen Zeitraum, aber ich sage immer, es wird nichts passieren. Aber beweisen können wir – würden Sie auch machen – wirklich nur durch ein wunderbares Ergebnis aus den Leberwerten.

 

Windeldermatitis

Axel Enninger: Okay! Dann gibt es ja noch den Bereich Pilzerkrankungen, wo wir Kinder- und Jugendärzte denken, dass es eigentlich unsere Kernkompetenz. Da reden wir über Mundsoor und Windeldermatitis. Wollen Sie den Kinder- und Jugendärzten ein paar Dinge mit auf den Weg geben, nach dem Motto: Macht nie so oder so, oder sind Sie da eigentlich ganz zufrieden, wie wir das so machen?

 

Dietrich Abeck: Also, Kinderärzte haben sehr gutes Wissen der Dermatologie, weil sie sich auch extrem gut weiterbilden. Die Windeldermatitis ist manchmal ein Problem, klar. In der Regel ist Windeldermatitis wieder sehr einfach. Man wird es heute wahrscheinlich eher mit dem Azol zu versuchen zu therapieren, weil es ein breites Spektrum hat, das wissen die Kinderärzte. Man muss halt einfach sagen, wenn ein Kind sich tatsächlich auch kratzt, was bei der Windeldermatitis, beim Windelsoor, ohne Weiteres auch passieren kann, einfach nicht erschrecken. Einfach ein bis zwei Wochen antientzündlich therapieren unter der ganzen antimykotischen Therapie. Das sind so Sachen, wo manche manchmal immer noch ihre Probleme haben. Aber inzwischen gibt es ja auch die Möglichkeit, wenn man sagt, ich will kein topisches Steroid – wobei das kein Problem ist, wenn man eine Woche ein gutes Steroid nimmt, nie etwas passieren kann, auch nicht im Windelbereich. Aber wenn man sagt, ich will keins, haben wir ab dritten Monat auch heute die Möglichkeit, mit Pimecrolimus zu therapieren, also cortisonfrei die Entzündung wegzunehmen. Wenn alles nicht richtig reicht, dann sollte man – und das ist ja für mich etwas – dann nehme ich auch noch wirklich diesen guten alten Farbstoff, den blauen Farbstoff, das Methylrosaniliniumchlorid, NRF-Rezeptur, das ist super. Einmal täglich bläuen, aber wie gesagt, auch da wichtig 0,1 % und nur einmal am Tag. Es ist in Verruf geraten, weil es manchmal natürlich auch Ulzera gemacht hat. Aber da war das Problem, es lag nicht an dem Präparat, sondern es lag daran, dass man den Eltern nicht gesagt hat: ‚Bitte nur einmal am Tag!‘ Die Eltern haben – viel hilft viel – das vier-, fünfmal… dann war es eine toxische Konzentration. Also dieses Präparat wirkt super. Es wirkt wunderbar gegen Candida albicans, also dem Erreger des Windelsoors, es hat eine antientzündliche, austrocknende Wirkung. Ich verschreibe nur 20 ml, das reicht für eine Woche, und ich bitte die Eltern: ‚Schmeißen Sie den Rest weg, nicht aufheben, damit die Konzentration sich nicht ändert. Das ist dann die Dreifachtherapie: antientzündlich mit dem Cortison oder mit Pimecrolimus, mit dem Farbstoff und dann natürlich unserem Azol, damit kriegen Sie auch schwere Windeldermatiden weg. Da würde ich auch sagen, wenn das immer rezidiviert, dann macht es tatsächlich Sinn, was niemand ja macht, fairerweise, auch mal ein Stuhlprobe zu untersuchen. Wenn da der Candida albicans drin ist, dann macht es tatsächlich auch Sinn, systemisch zu therapieren Amphotericin B oder mit Nystatin.

 

Axel Enninger: Jetzt bin ich ja nicht in der Praxis, sondern in der Klinik. Mein Eindruck ist, dass das Windeldermatitis-Thema wirklich deutlich seltener ist als früher.

 

Dietrich Abeck: Das liegt an unseren Windeln.

 

Axel Enninger: Die Windeln sind besser, nicht wahr?

 

Dietrich Abeck: Ja, das fing an und war echt ein Problem. Dann kamen die superabsorbierenden Windeln und seitdem… Es gibt immer noch diese Kinder. Es sind ja gerade vor allen Dingen die Kinder, die gestillt werden, wo immer alles quasi offen ist. Das ist eine Intertrigo im Windelbereich. Das hört erst dann auf, wenn die Kinder eine andere Ernährung bekommen. Das sind die Schlimmsten, wo die Eltern wirklich alles machen, also wo man wirklich das Problem hat, es ist immer ein flüssiger Stuhl. Der wird nicht fest. Da kann man machen, was man will. Man muss nur schauen, dass man über diesen Zeitpunkt kommt, wo die Kinder eine andere Ernährung bekommen.

 

Axel Enninger: Solche abdeckenden Cremes prophylaktisch hilft oder hilft nicht? Sie schütteln mit dem Kopf. Wenn es offen ist, nein, aber prophylaktisch?

 

Dietrich Abeck: Ja, die Eltern nehmen ja die Windelcremes. Das machen sie alle toll. Aber da habe ich so viele, da kann man sich die Zähne ausbeißen. Das wird es dann wieder, wenn die Annäherung umgestellt wird, muss man fairerweise sagen, bei manchem schlimm. Und die Eltern wollen halt gerne stillen, das muss man auch akzeptieren.

 

Axel Enninger: Sollen sie auch. Da wollen wir jetzt auf gar, gar, gar keinen Fall jemanden vom Stillen abbringen.

 

Dietrich Abeck: Aber wie gesagt. In dem Moment, wo die Ernährung umgestellt wird, wird der Stuhl wieder normal, und dann wird es abheilen. Das ist Gott sei Dank nichts Chronisches.

 

Mundsoor

Axel Enninger: Mundsoor? Hat sich da irgendetwas verändert in der Therapie in den letzten Jahren?

 

Dietrich Abeck: Amphotericin B oder Nystatin, das sind beides gute Produkte und auch sehr wirksam. Das Einzige, was mir jetzt letztens jemand gesagt hat, man lernt ja bei jedem, der anruft, dass bei einem Kind das Natriumbenzoat, mit dem das Amphotericin B, glaube ich, im System drin ist, auch bei manchen eine Gelbsucht fördern könnte in den ersten vier Wochen. Deshalb soll man es nicht zu früh machen, das fand ich ein nettes Argument. Wusste ich nicht.

 

Axel Enninger: Flüssig oder cremig ist egal? Die Konsistenz ist wurscht?

 

Dietrich Abeck: Im Mund halt, da würde ich die Tropfen, wenn’s geht, geben. Lutschtabletten werden die Kleinen wohl noch nicht nehmen.

 

Axel Enninger: Aber es gibt ja welche, die sind tatsächlich sozusagen flüssig oder sie sind ein bisschen zäher, weil man denkt, sie haften dann besser. Macht keinen Unterschied?

 

Dietrich Abeck: Nein, sehe ich nicht, sind wirksam, glaube ich schon.

 

An Streptokokken denken und konsequent behandeln

Axel Enninger: Okay, dann gehen wir nochmal zurück zum „anderen Ende“. Wenn’s nicht der Windelsoor ist, gibt’s ja zumindest – also, der Gastroenterologe sieht ja immer wieder mal auch Streptokokken am Anus. Ist mir immer noch ein wichtiger Punkt, dieses Thema „immer wieder mal so kleine Blutfädchen auf dem Stuhlgang“. Also, liebe Kollegen, bitte denkt an die Streptokokken am Po und Analabstrich und eine orale antibiotische Therapie. Wirklich ganz wichtig, da reicht nämlich nicht die Creme!

 

Dietrich Abeck: Da haben Sie 100 % Recht. Und jetzt kommt noch eine zweite Sache. Ein sehr netter Kollege hat mich wiederum über PädExpert angeschrieben, mir die Bilder einer perianalen Dermatitis gezeigt, hat die Streptokokken nachgewiesen, alles richtig gemacht, hat mit Penicillin therapiert und hat sich gewundert, dass es rezidiviert. Wir wissen, dass Streptokokken eigentlich Penicillin-empfindlich sind. Heute wird ein penicillinasefestes Penicillin empfohlen, weil die Rezidivrate, die sowieso schon hoch ist, deutlich reduziert ist. Dann kann man sich noch fragen, und das fand ich auch okay, was macht man topisch? Ja, würde ich dann theoretisch ein Antiseptikum topisch machen. Es macht keinen Sinn jetzt Mupirocin und ein Orales, das macht überhaupt keinen Sinn. Aber wenn man topisch therapiert, wäre ein Antiseptikum wie Octenidindihydrochlorid oder Chlorhexidin okay für mich. Zur Frage, kann man topisch noch was machen? Ja. Ich habe ihm gesagt, alles richtig therapiert. Auch die zehn Tage sind wichtig, aber das Penicillin hat halt eine hohe Rezidivrate, die sowieso schon hoch ist und die dann tatsächlich auch ein echtes Problem sein kann.

 

Axel Enninger: Nach meiner Erfahrung reichen die zehn oft nicht. Man braucht oft länger und dann ein Penicillinasefestes. Wenn es dann wiederkommt, dann durchaus noch einmal, dann muss man halt die Nerven bewahren. Das muss man wirklich auch manchmal.

 

Dietrich Abeck: Nein, das ist spannend. Da hat man nichts falsch gemacht. Das ist eine Krankheit, die wirklich das Rezidiv quasi vorprogrammiert hat. Das mit dem Penicillin ist vorbei. Du musst ein Penicillinasefestes nehmen oder ein Erstgeneration-Cephalosporin, was man so will, das sind die Präparate der ersten Wahl.

 

Lichen sclerosus gleich mit Klasse-IV-Steroid

Axel Enninger: Und was ja auch manchmal trocken ist und ein bisschen schuppt ist das Thema Lichen. Wollen Sie dazu als Dermatologe noch bisschen was sagen?

 

Dietrich Abeck: Lichen sclerosus ist eine Krankheit, die vor 15 Jahren Monate brauchte, bis die Erstdiagnose kam. Die Kinderärzte sind heute extrem gut und können auch diese Krankheit sehr, sehr schnell unterscheiden vom klassischen atopischen Vulvaekzem. Es ist für mich immer unwahrscheinlich… Sie sollten wirklich mit einem starken Cortison beginnen. Es macht keinen Sinn, halbe Sachen zu machen, kennen wir von anderen Krankheiten auch. Das Clobetasol ist ja etwas, das ich eigentlich in der Dermatologie ungern einsetze, weil es wirklich ein Klasse-IV-Cortison ist, was an anderen Hautstellen relativ schnell eine Atrophie macht. Interessanterweise, das können alle bestätigen, die viele Kinder mit einem Lichen sclerosus sehen, auch über Monate wird es in diesem Bereich keine Atrophie geben. Das hängt natürlich mit der Krankheit zusammen, weil sie eine Bindegewebserkrankung ist. Also, die Atrophie sehen wir nicht, und es gibt klare Prinzipien. Also ich würde aufpassen. Wirklich einmal richtig therapieren und nicht aus Angst um das Kind mit einem Klasse-II-Steroid arbeiten, es wird nichts bringen. Es gibt die Leitlinie. Man wundert sich, einen Zweijährigen oder meistens so drittes, viertes, fünftes Lebensjahr, tatsächlich mit einem Klasse-IV-Steroid zu behandeln, wie es da drin steht, vier Wochen täglich, dann vier Wochen jeden zweiten Tag und dann vier Wochen noch zweimal die Woche. Einfach machen! Und letztendlich erst dann kontrollieren. Es hat keinen Sinn, nach vier Wochen zu schauen. Es bringt nichts! Diese Krankheit begleitet die Kinder wahrscheinlich ein Leben lang, und deshalb brauchen wir Langzeittherapie-Regime. Es bringt nichts, nach vier Wochen die erste Kontrolle zu machen. Es wird dann ganz gut ausschauen. Wir müssen schauen, was passiert, wenn ich ausschleiche. Ganz wichtig für mich beim Lichen sclerosus immer eine gute Pflege in dem Genitalbereich. Die Haut ist trocken, die braucht tatsächlich eine Feuchtigkeitscreme. Und auch das ist wichtig, dass ich den Eltern sage, was ich empfehlen würde bei dieser Krankheit. Ganz klar.

 

Axel Enninger: Okay, also, keine Angst vor Corticosteroiden, ruhig Klasse IV nehmen, alle darauf einstellen, das geht sowieso länger, und keine Angst vor Atrophie!

 

Dietrich Abeck: Nee, gibt’s nicht, Gott sei Dank!

 

Axel Enninger: Herr Abeck, wir sind schon fast am Ende unseres Podcasts, und es gibt unser traditionelles Element, und das heißt Dos & Don‘ts. Sie dürfen selber entscheiden, ob Sie mit den Dont‘s oder den Dos anfangen, Dinge, die Sie an die Kinder- und Jugendärzte gerne loswerden möchten.

 

Mykose mit randbetonter Schuppung: wenig Entzündung humanpathogen, viel Entzündung tierpathogen, dann Erregerdiagnostik und gern zum Hautarzt

Dietrich Abeck: Für mich ist sehr wichtig, wir haben unsere Augen. Der Dermatologe braucht seine Augen, und an eine Pilzerkrankung muss man immer denken. Aber Sie alle wissen jetzt, auf was Sie achten müssen. Eine Pilzerkrankung kann ich an der Haut erst dann diagnostizieren, wenn meine Läsion eine randständige Schuppung hat, eine Läsion, die nicht schuppt, ist keine Pilzerkrankung. Am Kopf ist eine wichtige Differenzialdiagnose die Alopecia areata, die sehr viel häufiger ist. Man darf nicht vergessen, die Alopecia areata ist die dritthäufigste Hauterkrankung im Kindesalter, was ich auch gerade erst gelesen habe. Die Alopecia areata hat ein haarfreies Areal, aber dieses haarfreie Areal schuppt nicht. Wenn dieses haarfreie Areal schuppt, dann haben Sie eine Mykose. Wenn dort keine Entzündung ist, können Sie davon ausgehen, dass es ein humanpathogener Erreger ist. Wenn es sehr stark entzündet ist, können Sie davon ausgehen, dass es ein tierpathogener Erreger ist. Bei einem tierpathogenen Erreger ist es wichtig, immer eine Erregerdiagnostik zu machen. Hier ist es wichtig für Sie, ich muss systemisch therapieren. Hier können Sie ganz klar überlegen: Mit dieser Krankheit können Sie zu Ihrem Hautarzt schicken, weil das unser Routinegeschäft ist. Das sind so meine wichtigsten Sachen. An eine Mykose muss man halt denken, wie gesagt. Es ist nicht selten, aber auch nicht so häufig. Klinisch sehr einfach zu erkennen mit der randbetonten Schuppung.

 

Axel Enninger: Okay, wunderbar, das ist doch toll! Randbetonte Schuppung, das ist das Engramm, das wir jetzt gesetzt haben. Super, lieber Herr Abeck! Vielen Dank! Es war ein sehr lebhaftes und wunderbares Gespräch, wie ich fand, und ich hoffe, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, dass es auch Ihnen Spaß gemacht hat und dass Sie etwas für Ihre Praxis mitnehmen konnten. Wir freuen uns wie immer über Rückmeldungen. Das können Sie entweder mit Sternchen machen auf den verschiedenen Portalen, Sie können uns auch gerne schreiben, Kommentare geben, und wir freuen uns natürlich auch immer über Themenvorschläge. Die wesentlichen Punkte unseres Podcasts heute können Sie natürlich auch nochmal nachlesen auf den üblichen Stellen. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal!

 

 

Hilfreiche Informationen:

 

Literatur:

Tietz H-J & Gunkel U (2021) Mykosen bei Kindern und Erwachsenen. consilium Themenheft 01·2021, 2. aktualisierte Auflage. InfectoPharm Arzneimittel und Consilium GmbH.

 

 

Links:

https://derma.plus/ Das deutsche Dermatologie-Portal. Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema Dermatologie von erfahrenen und ausgezeichneten Dermatologie-Professoren.

 

 

Leitlinien:

AWMF (2019) S1-Leitlinie Tinea capitis. Registernummer: 013-033. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-033

 

AWMF (2022) S1-Leitlinie Onychomykose. Registernummer: 013-003. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-003.

 

AWMF (2020) S1-Leitlinie Diagnostik und Therapien von Candida-Infektionen. Registernummer: 082-005. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/082-005.

 

AWMF (2022) S3-Leitlinie Lichen sclerosus, Neuanmeldung. Registernummer: 013-105. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-105#anmeldung.

Sprecherin: Das war consilium, der Pädiatrie-Podcast. Vielen Dank, dass Sie reingehört haben. Wir hoffen, es hat Ihnen gefallen und dass Sie das nächste Mal wieder dabei sind. Bitte bewerten Sie diesen Podcast und vor allem empfehlen Sie ihn Ihren Kollegen. Schreiben Sie uns gerne bei Anmerkung und Rückmeldung an die E-Mail-Adresse consilium@infectopharm.com. Die E-Mail-Adresse finden Sie auch noch in den Shownotes. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge!

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