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consilium - DER PÄDIATRIE-PODCAST - Folge #57 - 04.04.2025

 

consilium – der Pädiatrie-Podcast

mit Dr. Axel Enninger

consilium Podcast mit Dr. Axel Enninger

 

Idiopathisches nephrotisches Syndrom – Ödeme aus heiterem Himmel

 

Axel Enninger: Heute spreche ich mit:

PROF. LUTZ WEBER.

 


DR. AXEL ENNINGER…

… ist Kinder- und Jugendarzt aus Überzeugung und mit Leib und Seele. Er ist ärztlicher Direktor der Allgemeinen und Speziellen Pädiatrie am Klinikum Stuttgart, besser bekannt als das Olgahospital – in Stuttgart „das Olgäle“ genannt.Kardiologie in der pädiatrischen Praxis

Axel Enninger: Herzlich willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zu einer neuen Folge von consilium, dem Pädiatrie-Podcast. Mein Gast heute ist Professor Dr. Lutz Weber. Er ist Leiter der kindernephrologischen Abteilung der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Uniklinik Köln. Er ist dort geschäftsführender Oberarzt und darf oder muss sich noch beschäftigen mit den Themen Controlling und Qualitätsmanagement. Und fachlich ist er der Vorsitzende der Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie GPN. Herzlich willkommen, Lutz. Schön, dass du da bist!

Lutz Weber: Lieber Axel, ganz herzlichen Dank. Ich freue mich sehr.

Axel Enninger: Wir reden heute über ein Thema, was nicht so superhäufig ist: idiopathisches nephrotisches Syndrom – und man fragt sich so ein bisschen: Mensch, Bronchitis, Durchfall, viele andere Dinge sind häufig. Dir war es aber wichtig, dass wir darüber sprechen. Warum ist es dir so wichtig?

Selten, aber es wär so leicht…

Lutz Weber: Es ist, wie du sagst, eine seltene Erkrankung. Im Vergleich zu den üblichen Kinderkrankheiten, mit denen wir uns jeden Tag auch beschäftigen, ist es eine wirklich seltene Erkrankung, erfüllt auch das Kriterium einer seltenen Erkrankung. In Deutschland ist die Häufigkeit des nephrotischen Syndroms etwa 2 pro 100.000 Kinder zwischen zwei und zehn Jahren. Diese Häufigkeit weltweit variiert durchaus. Das hängt eben aber auch mit der Pathophysiologie oder der angenommenen Pathophysiologie der Erkrankung zusammen. In Deutschland sind es etwa zwei, betrifft es zwei Kinder pro 100.000 im Alter zwischen zwei und zehn Jahren. Ich möchte darüber sprechen, weil trotz der Seltenheit der Erkrankung sie doch die häufigste glomeruläre Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter ist und vor allen Dingen hinsichtlich der Diagnostik doch manchmal Schwierigkeiten bereitet, die aus Sicht der Kindernephrologie vielleicht genommen werden können durch ganz einfache Mittel und Wege.

Axel Enninger: Okay. Eigentlich würde man denken, naja, nephrotisches Syndrom – haben wir alle irgendwie mal gelernt – die Augen sind dick und wenn die Augen dick sind, ist es entweder Allergie oder die Niere. Und wenn die Beine dick sind, ist es das Herz. Stimmt es noch so oder stimmt es nicht?

Lutz Weber: Naja, das ist ja nicht falsch. Also die Differentialdiagnose der Ödeme im Kindesalter ist weit. Jetzt haben wir es im Kindesalter weniger mit einer venösen Insuffizienz zu tun. Das Lipödem ist im Kindesalter selten. Hereditäres Angioödem kommt mal vor, ist jetzt aber in der Häufigkeit auch nicht höher als das nephrotische Syndrom. Insofern ist es nicht falsch. Aber, wenn wir uns mal überlegen, was wir an Diagnostik machen müssten, um jetzt diese Differentialdiagnosen wirklich zu verifizieren, dann ist da doch häufig eine Blutabnahme involviert. Die brauchen wir aber für die Diagnose des idiopathischen nephrotischen Syndroms im Kindesalter gar nicht. Es reicht eine Urinuntersuchung und den bekommen wir ja ganz leicht.

Plötzlich Ödem? Urin-Check!

Axel Enninger: Sag noch mal vorher, was die klinischen Merkmale sind, die wir uns einprägen sollten?

Lutz Weber: Ja, klinisch fällt das nephrotische Syndrom in der Tat durch die Ödeme auf. Und das Lid-Ödem ist auch das Nierenödem, du hattest es schon erwähnt. Diese Ödeme können aber je nach Ausprägung auch an den abhängigen Körperpartien, vor allem den Unterschenkeln, stattfinden. Das Skrotum kann geschwollen sein und wenn sie sehr ausgeprägt sind, kann es auch durchaus zu einer Bildung von Aszites kommen oder auch zu Pleuraergüssen, denn das ist die Besonderheit des idiopathischen nephrotischen Syndroms im Kindesalter: Es geht wahnsinnig schnell. Also der Austritt von Flüssigkeit aus dem Gefäßsystem ins Gewebe geht sehr, sehr schnell und es kommt sozusagen über Nacht, dass die Ödeme auftreten.

Axel Enninger: Das heißt, akut auftretende Ödeme und, wir sagen jetzt mal, eigentlich egal wo, wären für dich immer ein Anlass zu sagen: ‚Leute, guckt nach dem Urin!‘

Lutz Weber: Unbedingt. Das mag jetzt auch die kinder-nephrologische Brille sein, durch die ich sehe, aber ich möchte noch mal wiederholen: Die Urinuntersuchung ist sehr einfach. Man braucht lediglich eine Spontanurinprobe und einen Streifentest, und der führt einen im Zweifel dann schon auf die Spur eines nephrotischen Syndroms, wenn eben die Eiweiße, insbesondere die Albuminausscheidung, sehr hoch ist.

Streifentest, aber richtig!

Axel Enninger: Jetzt denken wir, ein Streifentest ist ja easy. Im Grunde wissen wir aber wahrscheinlich alle, die ein bisschen länger im Geschäft sind, im Zweifelsfall sind die abgelaufen oder irgendwie vertauscht, irgendetwas ist ja immer. Worauf, würdest du sagen: ‚Hey Leute, bitte achtet doch darauf‘?

Lutz Weber: Ganz wichtig ist es, dass man sich erstmal orientiert, welchen Streifentest man denn zur Verfügung hat. Es gibt ja durchaus Streifentests, die nur Albumin untersuchen. Die heißen dann auch so: Albumin-Teststreifen. Und es gibt Streifentests, die noch mehrere andere Parameter untersuchen. Dazu muss man zunächst einmal wissen, dass dieser Streifentest von den möglichen Eiweißstoffen, die die Niere ausscheiden kann, eben lediglich das Albumin nachweisen kann. Tubuläre Proteine oder auch Immunglobuline werden gar nicht erfasst, aber das ist für die Erkrankung nephrotisches Syndrom ja auch nicht relevant. Da geht es wirklich um die Albuminausscheidung und dann sollte man wirklich darauf achten, dass man den Streifentest richtig anwendet. Also wenn es jetzt zum Beispiel ein Streifentest ist mit mehreren Nachweisfeldern, also unter anderem auch für Erythrozyten, Leukozyten und anderes, dann sollte man wirklich diesen Streifentest in den Urin eintunken und nicht den Urin von oben einmal runterlaufen lassen, denn dann vermischen sich die Reagenzien. Es kann auf den Feldern zu fehlerhaften Ausschlägen kommen. Dann, du hattest es schon gesagt, natürlich, wenn man sie nicht häufig benutzt, immer darauf schauen: Ist dieser Streifentest tatsächlich noch gültig? Ist er dunkel und vor allen Dingen im geschlossenen Gefäß gelagert worden oder hat er an der freien Luft herumgelegen? Das allein kann schon Reaktionen hervorrufen. Dann ist es schon relevant, sich zu orientieren, in welcher Situation man den Streifentest macht. Also eine Bakteriurie oder auch Pyurie, wenn sie begleitend ist, kann falsch-positive Signale auf dem Eiweißfeld hervorrufen, genauso wie ein sehr hoher Urin-pH, über 8, beispielsweise. Das verzögerte Ablesen des Streifentests kann auch dazu führen. Dazu vielleicht am Rande bemerkt, die Streifentests sollen in aller Regel eine Minute sogenannte Einwirkzeit des Urins haben, aber dann auch in der nächsten Minute abgelesen werden, also nicht zehn, fünfzehn, zwanzig Minuten auf die Seite gelegt werden und dann guckt man irgendwann mal drauf. Das ist nicht hilfreich. Aber wenn man es richtig macht, dann ist der Streifentest ein sehr sinnvolles Verfahren, um sich über die Höhe einer Proteinurie ein Bild zu verschaffen.

Axel Enninger: Und anders als beim Harnwegsinfekt müssen wir uns nicht so richtig viel Sorgen machen, welcher Urin es denn ist, oder?

Lutz Weber: Richtig. Also wir würden hiermit in der Regel keine mikrobiologische Untersuchung machen, müssen hier nicht streng auf die Präanalytik achten. Also eine Spontanurinprobe ist da ausreichend. Natürlich ist es im Verlauf schon so, dass wenn man eine Proteinurie monitort, schon darauf achten sollte, dass man den Urin immer zur gleichen Tageszeit gewinnt. Für die Praxis hat sich vielleicht etabliert, ein zweiter Morgenurin. Der erste Morgenurin steht immer schön in den Lehrbüchern. Das ist auch ganz prima. Aber wenn wir später vielleicht noch auf die Differentialdiagnose des nephrotischen Syndroms zu sprechen kommen, ist der erste Morgenurin ein sogenannter Nachturin, also die Urinmenge, die sich des nachts in der Blase gesammelt hat. Und hier könnte es sein, dass das Ergebnis dadurch verfälscht wird, dass, wenn es sich um eine orthostatische Proteinurie zum Beispiel, eine orthostatische Komponente der Proteinurie handelt, dass es zu falsch-niedrigen Eiweißausscheidungen kommt. Zweiter Morgenurin ist immer sehr gut.

Axel Enninger: Aber wir sind jetzt noch bei der Diagnosestellung, da ist es erst einmal wurscht, oder? Da kommt der Patient in die Sprechstunde, er hat Ödeme. Wir sagen: ‚Hey, könnte ein nephrotisches Syndrom sein.‘ Dann machen wir einen Urin.

Lutz Weber: Sehr richtig, ganz genau.

Axel Enninger: Und ist die Anamnese „schaumiger Urin“ – ich erinnere mich da an meine Studentenzeit – ist das noch ein relevantes Thema oder ist das kalter Kaffee?

Lutz Weber: Ja, also kalter Kaffee will ich nicht sagen, weil es durchaus so ist, dass natürlich, wenn viel Eiweiß im Urin ist, der Urin schaumig sein kann. Das ist tatsächlich etwas, das den Kindern oder auch den Eltern dann einmal auffallen kann. Die wahrscheinlich häufigste Ursache für schaumigen Urin ist viel Eiweiß im Urin. Ob es sich dann um ein nephrotisches Syndrom handelt, ist wieder eine andere Frage. Das muss man dann klären. Es gibt wenige andere mögliche Ursachen für schaumigen Urin, das wirst du besser wissen als ich. Wenn einmal Gallensäuren im Urin sind, kann es passieren. Bestimmte Medikamente können es auslösen, aber eigentlich ist schaumiger Urin häufig ein Hinweis für viel Eiweiß im Urin.

Axel Enninger: Aber du schimpft nicht mit deinen Assistenten, wenn sie es nicht gefragt haben?

Lutz Weber: Nein.

Eiweißnachweis positiv – was kommt danach?

Axel Enninger: Okay. Jetzt war also der Niedergelassene wachsam, hat gesagt: ‚Hier, er hat Ödeme, hat vielleicht auch einen Hauch von Aszites. Die Beine sind ein bisschen dick, Hoden ein bisschen geschwollen, Eiweißnachweis positiv. Und dann?

Lutz Weber: Dann ist es durchaus richtig, zunächst mal die Verdachtsdiagnose eines nephrotischen Syndroms zu stellen. Dann würden wir empfehlen, dass er sich entweder zutraut, die Situation so einzuschätzen, dass er die weiteren Schritte vornehmen kann oder eben das Kind an einen Spezialisten, eben in dem Fall einen Kinder-Nephrologen / Kinder-Nephrologin zu überweisen. Wir müssen ja zunächst einmal klären, ob es sich um ein idiopathisches nephrotisches Syndrom handelt, eine primäre Form des nephrotischen Syndroms, oder ob es vielleicht eine sekundäre Form ist. Dazu ist es notwendig, bestimmte andere Erkrankungen auszuschließen, Infektionen beispielsweise oder auch onkologisch/ hämatologische Erkrankungen, die zu sekundären Formen des nephrotischen Syndroms führen können.

Axel Enninger: Gibt es deiner Erfahrung nach niedergelassene Kinder- und Jugendärzte, die sich zutrauen, nephrotisches Syndrom selber zu behandeln?

Lutz Weber: Wenn sie im Rahmen ihrer Ausbildung eine kinder-nephrologische Station oder Ambulanz durchlaufen haben, will ich das nicht ausschließen.

Axel Enninger: Okay, aber so richtig viele wird es davon nicht geben. Die allermeisten der Zuhörerinnen und Zuhörer werden sagen: ‚Okay, in die Klinik!‘ Und das ist aus deiner Sicht auch gerechtfertigt und ist völlig in Ordnung. Bitte, dieses Kind gehört dann erstmal in die Kinderklinik.

Lutz Weber: Ja, durchaus, denn es ist ja eine akute Situation, das idiopathische nephrotische Syndrom ist eine akute Erkrankung, die ja durchaus eine hohe Morbidität hat aufgrund der möglichen Komplikationen. Da sollte man dann nicht lange warten mit der Überweisung, denn da muss es dann auch zügig weitergehen, diagnostisch und vor allem auch therapeutisch.

Axel Enninger: Okay. Jetzt heißt ja unser Thema idiopathisches nephrotisches Syndrom. Was ist denn das klassische Alter dafür?

Lutz Weber: Das klassische Alter ist alles zwischen über eins – also zwei – und zehn Jahren. Unter einem Jahr, in den ersten drei Lebensmonaten, muss man immer das kongenitale nephrotische Syndrom, das genetisch bedingt ist, differenzieren. Zwischen drei Monaten und zwölf Monaten das infantile nephrotische Syndrom, das oft auch einen genetischen Hintergrund hat. Wenn die Kinder bei der Manifestation über zehn oder zwölf Jahre sind, da muss man dann schon hinterfragen, ob es sich wirklich noch um die klassische Manifestation eines idiopathischen nephrotischen Syndroms handelt oder ob das nicht auch andere Ursachen haben kann.

Axel Enninger: Aber das heißt, zwischen zwei und zehn, da denkt ihr erstmal, das wird schon so sein?

Große Proteinurie plus Hypalbuminämie

Lutz Weber: Das würden wir genauso annehmen. Und dann, wenn die Konstellation stimmt – und die Definition des nephrotischen Syndroms ist ja die große Proteinurie, also die Eiweißausscheidung von mehr als 1 g / m² / Tag im Sammelurin oder von mehr als 2 g / g Kreatinin im Spontanurin und Vorliegen einer Hypalbuminämie – also das Absinken der Albuminkonzentration unter 25 oder international unter 30 – das ist dann die Definition des nephrotischen Syndroms. Die Klinik, das hatten wir gerade schon gesagt, das sind im Wesentlichen die Ödeme. Sie sind charakteristisch, aber nicht definitionsgebend. Und auch die Hyperlipidämie ist charakteristisch, wenn man sie denn nachweist, aber nicht definitionsgebend. Das ist die große Proteinurie in der Kombination mit der Hypalbuminämie.

Sammelurin hat Fehlerquellen, aber nicht ausgedient

Axel Enninger: Und ihr Nephrologen habt euch, glaube ich, wenn ich es so richtig beobachtet habe, auch zunehmend vom Sammelurin ein bisschen verabschiedet. Ist das richtig oder ist das nur meine Beobachtung hier bei uns in Stuttgart?

Lutz Weber: Diese Beobachtung ist durchaus richtig, weil wir wissen, dass der Spontanurin insbesondere im Verlauf ein ganz gutes Surrogat für die Eiweißausscheidung sein kann. Wir müssen aber bedenken, dass für die Definition immer auch noch die absolute Quantifikation der Eiweißausscheidung im Urin relevant ist. Aber weil ein Sammelurin halt schon präanalytisch schwierig ist und große Fehlerquellen hat, ist es durchaus gerechtfertigt, den Eiweiß–Kreatinin-Quotienten zu verwenden. Man muss aber bedenken, dass je höher die Eiweißausscheidung wird, desto höher ist auch die Variabilität im Vergleich zum Sammelurin.

Axel Enninger: Und sammelt ihr jetzt noch oder sammelt ihr nicht mehr?

Lutz Weber: Wir sammeln durchaus noch, aber eben nicht mehr in den Reihenuntersuchungen, sondern, wenn die Patienten stationär sind und wir die Urinsammlung unter Aufsicht und gut durchführen können, finden wir die Quantifizierung zu Beginn der Erkrankung zur Diagnosestellung immer noch ganz hilfreich.

Axel Enninger: Okay. Was möchtet ihr noch haben? Einen Urin möchtet ihr haben, Sammelurin möchtet die haben. Was hättet ihr noch gerne?

Lutz Weber: Naja, um die Definition zu erfüllen, müssen wir einmal tatsächlich die Hypalbuminämie nachweisen. Das heißt wir machen eine Blutabnahme. Hier ist es so, dass wir uns dann doch relativ breit darüber orientieren, ob es sich wirklich um ein idiopathisches nephrotisches Syndrom hat. Das heißt, wir nutzen die Blutabnahme auch, um potenzielle sekundäre Formen auszuschließen. Dazu gehören auch noch verschiedene immunologische Untersuchungen. Wir gucken uns auch das Komplementsystem einmal an, zumindest was C3 und C4 angeht. Wir machen einmal antinukleäre Antikörper, um systemische Autoimmunerkrankungen möglichst ausschließen zu können. Wir machen infektiologische Diagnostik und all das kann man auch prima in der AWMF-Leitlinie zum nephrotischen Syndrom im Kindesalter nachlesen.

Ausschluss der Differentialdiagnosen

Axel Enninger: Lass uns doch einmal hinter die Tür der Differentialdiagnosen gucken. Sag doch mal kurz, was habt ihr noch im Kopf, wenn ihr denkt idiopathisches nephrotisches Syndrom? (Klammer auf): ‚Differentialdiagnose ist wie folgt: …‘ Die diagnostischen Maßnahmen, die du haben willst, hast du gerade gesagt. Aber lass uns ein paar Krankheiten nennen, die du in deinem Kopf abspulst.

Lutz Weber: Ja, sehr gerne, vielen Dank. Das nephrotische Syndrom haben wir eben schon definiert. Wir schauen natürlich auch, ob wir neben dem nephrotischen Syndrom noch Hinweise haben für ein nephritisches Syndrom. Hier würden wir ja verlangen, dass neben der großen Eiweißausscheidung eben auch noch eine Hämaturie besteht, dann eine arterielle Hypertonie und eine Nierenfunktionseinschränkung. Wenn wir eine Kombination aus nephritischem und nephrotischem Syndrom haben, dann denken wir gleich an ganz andere Erkrankungen. Dann sind wir in der breiten Differentialdiagnose der Glomerulonephritiden, also der entzündlichen Nierenerkrankungen. Wir sprechen ja beim nephrotischen Syndrom in der häufigsten Form von einer Glomerulopathie, um auch diesen chronischen Charakter auszudrücken. Und da, um einfach mal ein paar Erkrankungen zu nennen, die aber alle eben auch nicht häufig sind, sind beispielsweise die Lupus-Nephritis zu nennen.

Axel Enninger: Deswegen die ANAs.

Lutz Weber: Genau, das sind die ANAs. Häufiger als das sind postinfektiöse Glomerulonephritiden, das ist aber auch die Nephritis im Rahmen einer IgA-Vaskulitis oder eben im Rahmen einer IgA-Nephropathie. Und das sind dann komplementvermittelte Nierenerkrankungen, die nicht Lupus heißen, sondern möglicherweise C3-Glomerulonephritis, an die wir dann denken.

Diagnostik und Flüssigkeitsmanagement

Axel Enninger: Okay, das macht ihr. In aller Regel ist es aber so, dass ihr sagt: typisches Alter, typische Klinik, es wird schon ein klassisches idiopathisches nephrotisches Syndrom sein.

Lutz Weber: Typisches Alter, typische Klinik, kein Hinweis für Komplementform, auch keine ANAs, kein Hinweis für Virusinfektionen, kein Hinweis für hämatologische Erkrankung, dann nehmen wir es an.

Axel Enninger: Und du hast vorhin schon gesagt, Hyperlipidämie gehört immer dazu. Wie ist da der pathophysiologische Link? Das ist mir primär gar nicht klar. Wie geht das?

Lutz Weber: Die Hyperlipidämie ist sekundär, dadurch, dass durch den Verlust von Bindungsprotein der Fettstoffwechsel gestört wird. Dann kommt es zu einer Erhöhung von Triglyceriden, genauso wie Cholesterin.

Axel Enninger: Weil ich weniger Eiweiß habe, das sozusagen daran bindet?

Lutz Weber: Ganz genau.

Axel Enninger: Ich finde es immer gut, wenn man einmal kurz überlegt, wieso ist das so? Dann kann man es sich auch leichter merken, also, mir geht es so. Sehr gut. Dann hattest du vorhin bei der Klinik schon gesagt, auch Aszites und Pleuraergüsse können eine Rolle spielen. Das heißt, irgendwann wollen wir ein Ultraschall.

Lutz Weber: Genau, das würden wir genau aus diesem Grund durchführen. Wir wollen uns natürlich auch die Nieren angucken, die wollen wir schon auch sehen. Die Diagnose nephrotisches Syndrom kann man jetzt nicht mit dem Ultraschall stellen, aber man kann sich schon einen Überblick verschaffen und eventuelle, auch sonographisch sichtbare Nierenpathologien – ich sage jetzt mal einen Tumor, eine Raumforderung – sehr selten, aber die kann man auf diese Weise natürlich auch diagnostizieren.

Axel Enninger: Aber sonst sieht die Niere normal aus in der Sono, oder?

Lutz Weber: Die Nieren sehen normal aus. Sie können in der Echogenität des Nierenparenchyms angehoben sein im Vergleich zum Leber- und Milzparenchym. Das kann passieren, aber sonst sind die Nieren unauffällig, tatsächlich. Und wir schauen auch nach Flüssigkeitsansammlungen im Bauchraum und im Pleuraspalt, das geht ja im Ultraschall hervorragend. Es könnte bei einer ausgeprägten Hypalbuminämie und ausgeprägtem Ödem dazu führen, dass wir eventuell, um diese Ödeme zu mobilisieren, auch einmal Albumin applizieren. Nicht gerne, ja, weil es auch schnell wieder verloren geht, aber manchmal ist es notwendig, um hartnäckige Ödeme, insbesondere auch Pleuraergüsse zu mobilisieren.

Axel Enninger: Da habe ich auch den Eindruck, dass seit unsere Sonos so viel besser sind… diese Pleuraergüsse sehen wir ja viel häufiger als früher, Schallkopf kurz hoch und ups, noch ein Pleuraerguss. Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir sie jetzt häufiger beschreiben und sehen, oder? Haben wir früher wahrscheinlich gar nicht immer gemerkt?

Lutz Weber: Ja, das will ich jetzt vielleicht gar nicht so sagen. Ich denke, auch ohne die hochauflösenden Schallköpfe hat man eine Flüssigkeitsansammlung im Ultraschall immer gut zeigen können.

Axel Enninger: Okay. Gut, also das machen wir. Dann hattest du es gerade schon erwähnt, den Klassiker. Die Menschen meiner Generation haben alle mal irgendwann gelernt: Humanalbumin und Furosemit, oder? Das war doch der Standard zum Ausschwemmen. Das ist out, oder? Oder zumindest nicht mehr der Standard ganz vorne dran?

Lutz Weber: Wir versuchen es zu vermeiden, wenn es geht, denn dieses Albumin bleibt ja nicht lange im Körper. Der Nierenfilter ist durchlässig fürs Albumin. Es sind Ladungsverschiebungen, die insbesondere den Nierenfilter für das Albumin durchlässig machen. Es geht schnell wieder raus. Also, man macht den Urin auch teuer damit. Aber was man erreichen kann, du hattest gerade die Kombination zwischen Albumin und dann eben einem Diuretikum erwähnt, ist eine kurzfristige Mobilisierung von Flüssigkeit aus dem Interstitium in den Gefäßbereich hinein und dann die Ausscheidung dieser Flüssigkeit. Das ist aber wirklich nur bei schweren und auch ansonsten therapierefraktären Ödemen heutzutage indiziert, denn Albumin-Infusionen in dieser Situation haben ja auch potenzielle Nebenwirkungen, wie zum Beispiel die Entwicklung eines Lungenödems. Das wollen wir natürlich überhaupt gar nicht.

Axel Enninger: Und Diuretika alleine?

Lutz Weber: Diuretika alleine sind wirksam dann, wenn wir uns davon überzeugt haben, dass im Gefäßsystem genügend Flüssigkeit vorhanden ist, die dann auch durch die Diuretika über die Nieren mobilisiert werden kann. Das ist beim nephrotischen Syndrom in der Tat nicht ganz trivial, denn wir diskutieren hier immer zwei potenzielle Szenarien, nämlich das sogenannte Overfill, also viel Flüssigkeit im Gefäßsystem, und das Underfill, wenig Flüssigkeit im Gefäßsystem, weil es alles im Interstitium ist. Und das müsste man schon versuchen, klinisch zu differenzieren, bevor man ein Diuretikum gibt. Es ist nicht so ganz einfach. Das gelingt im Zweifel durch eine Urindiagnostik, indem man sich die Natriumausscheidung anguckt oder den Quotienten zwischen Natrium und Kalium. Allerdings funktioniert das nur vor jeder Therapie, also, bevor man irgendeine Therapie begonnen hat. Es ist auch überhaupt nicht einfach, es dann zu interpretieren. Klinische Zeichen für einen Underfill können schlichtweg die kühlen Extremitäten sein, die verzögerte Rekapillarisierungszeit oder eine posturale Hypotension.

Axel Enninger: Hilft uns der Blutdruck wollte ich gerade fragen?

Lutz Weber: Ja, der kann uns helfen. Der ist eher niedrig, aber das ist ein unsicheres Zeichen. Es hängt natürlich auch von vielen anderen Aspekten ab. Das Kind kommt in die Klinik, ist aufgeregt, neue Umgebung. Das ist manchmal nicht ganz trivial. Aber wenn man sich da orientiert hat und es vorsichtig steuert – und deswegen auch die primäre stationäre Aufgabe in dieser Situation – sind wir durchaus geneigt, ein Diuretikum zu geben, um die Flüssigkeit zu mobilisieren. Wir versuchen es aber auch eher dann über eine genaue Bilanzierung, auch eine Trinkmengenreduktion.

Axel Enninger: Das wäre jetzt meine nächste Frage gewesen. Also unten sozusagen „den Hahn aufmachen“ oder oben begrenzen wäre das andere. Trinkmengenbegrenzung macht man aber noch?

Lutz Weber: Das macht man durchaus noch, dabei alles mit Augenmaß. Es muss alles machbar sein und schaffbar sein, und es hängt auch ein bisschen von der Jahreszeit ab. Aber wir gehen eigentlich nicht wesentlich unter einen Liter pro Tag. Das ist auch nicht durchführbar.

Axel Enninger: Und ganz alltagspraktisch, was wir auf der Station immer diskutieren, ist: bilanzieren oder zweimal am Tag wiegen?

Lutz Weber: Ja, die ehrliche Antwort ist, zweimal am Tag wiegen ist wunderbar.

Axel Enninger: Das machen wir relativ standardmäßig so, weil diese Bilanzen gefühlt irgendwie immer schiefgehen.

Lutz Weber: Man hat in der Tat, da gebe ich dir vollkommen recht, den Eindruck, man schafft sich mit der Bilanzierung immer nur zusätzliche Probleme, weil sie am Ende nicht stimmt. Es ist aber dennoch so, dass wir diese Bilanzierung durchaus durchführen. Aber zweimal am Tag wiegen ist ein sehr objektiver Parameter für die Flüssigkeitsaufnahme und -ausscheidung.

Primär keine Biopsie

Axel Enninger: Okay. Jetzt hast du Labor genannt, du hast Urin genannt und Sono genannt, typisches Alter, die Diagnose steht. Und dann?

Lutz Weber: Ja, Diagnose steht. Also, was wir jetzt gar nicht erwähnt haben und was wir auch gar nicht erwähnen müssen, es ist ja keine weitere invasive Diagnose. Das ist eine Frage, die uns immer wieder gestellt wird und wo wir zum Teil Kinder zur Durchführung dieser Diagnostik zugewiesen bekommen: die Biopsie, also die Untersuchung des Nierengewebes. Die würden wir im Verdachtsfall eines idiopathischen nephrotischen Syndroms gar nicht primär durchführen, denn die histologische Grundlage dieser Erkrankung ist in den allerallermeisten Fällen, bei 80 %, das, was wir als Minimal Change Disease bezeichnen. Man sieht lichtmikroskopisch gar nicht viel. Elektronenmikroskopisch sieht man eine Verbreiterung der Fußfortsätze, aber lichtmikroskopisch eben kaum Infiltrate, keine Veränderung.

Axel Enninger: Und das ist nicht nur der Kölner Weg, nicht nur der Stuttgarter Weg, sondern das ist ganz klar Leitlinie. Da brauchen wir keine Biopsie.

Ansprechen auf Steroide? Festes Test-Schema

Lutz Weber: Richtig, das ist Leitlinie, das ist nicht der Kölner Weg. Der wesentliche Aspekt, jetzt kommen wir zur Therapie, auch prognostisch, ist die Frage, ob diese Kinder auf eine Steroidtherapie ansprechen oder nicht. Das ist entscheidend. Also die Frage, sind sie steroidsensibel, was 80 % der Kinder dann auch sind, ist ganz entscheidend. Wenn sie in einer gewissen Zeitdauer, also vier Wochen einer Standard-Prednisontherapie nicht ansprechen, nennen wir sie steroidresistent. Das ist dann eine andere Erkrankung, die andere Therapien erfordert und auch eine andere Prognose hat, die man eventuell im Verlauf biopsieren würde, um sich die Histologie anzuschauen.

Axel Enninger: Okay, das heißt vier Wochen Steroide und vorher keine Biopsie und dann Ansprechen oder Nicht-Ansprechen. Ihr Nephrologen gebt ja immer noch ziemlich viel Cortison im Vergleich zu uns Kinder-Gastroenterologen. Wir haben ja so ein bisschen abgebaut, an der Dosis. Wie kommt es, dass ihr eher noch so viel gebt?

Lutz Weber: Das ist schlichtweg die Studienlage. Wenn wir über „viel Steroid“ sprechen, dann sprechen wir über eine Kumulativ-Dosis. Dann müssen wir uns die absolute Dosis anschauen und die Therapiedauer. Die Initialtherapie bei Manifestation eines idiopathischen nephrotischen Syndroms ist in Deutschland die Applikation von 60 mg Prednison pro /m² Körperoberfläche / Tag für sechs Wochen, gefolgt von einer alternierenden Gabe von 40 mg / m² / Tag Prednison. Alternierend heißt jeden zweiten Tag, alle 48 Stunden, für weitere sechs Wochen.

Axel Enninger: Der Gastroenterologe zuckt so ein bisschen. Klingt nach verdammt viel und auch nach verdammt lange. Gibt es da Tendenzen, dass ihr auch versucht, vielleicht mit weniger auszukommen?

Lutz Weber: Unbedingt, denn diese Therapie ist natürlich mit Nebenwirkungen assoziiert. Und diese Nebenwirkungen werden auch sichtbar, es gibt sie also praktisch. Es gibt immer mal individuelle Unterschiede, das wissen wir alle, dass auch die Genetik hier eine Rolle spielt für das Ansprechen auf die Steroidtherapie und auch auf die Ausbildung von Nebenwirkungen. Aber die sind doch so bedeutsam, dass es ganz klar ist – das wissen wir aus einer kanadischen Untersuchung – dass die Hauptlast für die Eltern beim nephrotischen Syndrom die Steroidtherapie ist wegen der assoziierten Nebenwirkungen. Die sind ja sichtbar und auch spürbar, die sind kosmetisch, die sind psychomental. Das ist schon eine große Belastung. Die Dosis und die Therapiedauer ist das Ergebnis von vielen Studien, wo auch unsere Fachgesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten federführend war. Nichtsdestotrotz überlegen wir und versuchen natürlich, diese kumulative Steroiddosis zu reduzieren. International ist neben diesem Regime von sechs Wochen täglich plus sechs Wochen alternierend auch in der gleichen Dosierung ein Konzept mit vier Wochen täglich und vier Wochen alternierend etabliert. Die internationalen Leitlinien setzen diese beiden Regime auch als gleichwertig nebeneinander. Die Studienlage – und das ist alles schon sehr alt – weist aber darauf hin, dass die Konzeption sechs Wochen plus sechs Wochen mit weniger Rezidiven im Verlauf assoziiert ist. Damit verraten wir jetzt noch etwas: Es ist nämlich eine Erkrankung, die bei den meisten Patienten einen chronisch rezidivierenden Verlauf nimmt und das Ziel der primären Therapie ist zum einen die Erreichung einer Remission, aber dann auch das Verhindern weiterer Rezidive und den Erhalt einer möglichst hohen Lebensqualität. Und hier kommen wir in den Konflikt. Steroid-assoziierte Nebenwirkungen sind nicht förderlich für die Lebensqualität, aber die Steroide sind notwendig, um weitere Rezidive und auch möglicherweise die Entwicklung von komplizierten Verläufen mit vielen Rezidiven zu verhindern, oder auch eine Steroidabhängigkeit, also die Tatsache, dass ohne Steroidtherapie gar keine anhaltende Remission erreicht werden kann – Remission heißt Eiweißfreiheit des Urins.

Axel Enninger: Lass mich einmal bei zwei Sachen einhaken. Erstens: Kann es sein, dass ihr Nephrologen sozusagen noch die einzige Fachgesellschaften seid, die diese alternierende Steroidtherapie macht? Die Rheumatologen machen es nicht mehr, die Gastroenterologen machen es nicht mehr. Wie kommt es, dass ihr noch diese alternierende Therapie macht? Man könnte doch auch sagen, wir geben da vierzig, dreißig, zwanzig. Das ist bei euch aber gar kein Thema? Gibt es keine Studien dazu?

Lutz Weber: Es gibt Studien dazu, insbesondere aus der Transplantationsmedizin. Die sind auch schon alt, aber sie haben gezeigt, dass die alternierende Steroidgabe mit weniger Nebenwirkungen assoziiert ist als die tägliche Gabe in einer angepassten Dosis, also so, dass die Gesamtdosis gleich ist, aber jeden Tag gegeben. Das ist sicherlich in dieser Tradition zu sehen.

Axel Enninger: Bei euch redet man ja über lange Zeiträume. Remission, hast du vorhin gesagt, ist eiweißfrei. Einmal, zweimal, dreimal? Drei Tage, vier Tage, fünf Tage? Wann sagt ihr „Remission“?

Lutz Weber: Ja, vielen Dank, wichtige Zwischenfrage! Von Remission sprechen wir, wenn der Urin an drei aufeinanderfolgenden Tagen eiweißfrei gewesen ist. Das bedeutet aber auch, dass die Eltern eine Möglichkeit haben, sich auch zu Hause einen Überblick zu verschaffen, wie die Situation gerade ist, nämlich den Urin selbständig mit den Streifentests zu untersuchen. Unsere Aufgabe ist es, glaube ich, dann immer dafür zu sorgen, dass die Familien sich nicht aus Sorge „übertesten“, sondern wir müssen klare Protokolle vorgeben. Dass im Langzeitverlauf eben dreimal in der Woche an festen Tagen die Urinuntersuchung ausreichend ist und nicht jeden Tag zehnmal erfolgen muss.

Axel Enninger: Okay, auch das ein guter Hinweis. Das wird sicher eine Frage sein, die viele Niedergelassene von den Eltern gestellt bekommen. Das heißt, ihr sagt, dreimal in der Woche reicht völlig. Ihr müsst nicht täglich testen, ihr müsst nicht mehrfach täglich testen, sondern im Verlauf dreimal pro Woche testen.

Lutz Weber: Das ist sicherlich von Zentrum zu Zentrum etwas unterschiedlich.

Axel Enninger: Ich glaube, unsere Nephrologen empfehlen das auch so.

Lutz Weber: Ich kenne es durchaus auch, dass, wenn die Manifestation gerade vorbei ist, das Kind ist in Remission, dass dann eine Weile tägliche Urintests vorgegeben werden, hat vielleicht dann auch Gründe, die Bedeutung der Erkrankung letztendlich auch zu vermitteln. Aber aus meiner Sicht sind Untersuchungen dreimal pro Woche sinnvoll. Es ist dann immer die andere Frage, was ist durchführbar? Wenn man den Eltern vermittelt: ‚Macht es jeden Tag!‘, dann hat es eine gewisse Routine. Wenn es dann mal vergessen wird, aber es wird am nächsten Tag daran gedacht… Oder ist „dreimal in der Woche“ zu vage, so dass es dann doch nur einmal in drei Wochen gemacht wird? Das muss man individuell mit den Familien besprechen.

Axel Enninger: Und du hast gesagt, vier Wochen ist sozusagen der entscheidende Punkt, wo ihr dann sagt: angesprochen oder nicht-angesprochen. Jetzt sind dreieinhalb Wochen vorbei und es tut sich nichts, weiterhin Eiweiß im Urin. Ab wann werdet ihr dann unruhig?

Lutz Weber: Also, unruhig werden wir ja nie, weil wir immer wissen, was wir zu tun haben. Aber natürlich ist es so, dass wenn nach dreieinhalb Wochen noch nichts passiert ist, dann werden wir schon aufmerksam. Nach vier Wochen definieren wir ein Nicht-Ansprechen und in den nächsten zwei Wochen, also zwischen Woche vier und sechs, das ist sozusagen eine Bestätigungsphase der Steroidresistenz. Da gibt es durchaus Konzepte, die dann sagen, wir machen einfach noch mal zwei Wochen weiter, weil wir wissen, ein gewisser Anteil von Patienten wird dann doch noch eiweißfrei. Manche Zentren geben dann auch noch mal eine besonders hohe Steroiddosis im Sinne eines Pulses, beispielsweise mit Methylprednisolon über drei Tage. Auch das kann bei einer Subgruppe von Patienten dann noch mal in die Remission führen. Aber spätestens nach sechs Wochen ist dann wirklich zu sagen: Dieser Patient spricht nicht auf Steroide an. Was wir aber dann schon initiieren, also nach dreieinhalb, spätestens nach vier Wochen, ist eine humangenetische Untersuchung mit der Frage: Gibt es vielleicht einen Hinweis für eine genetische Ursache dieses nephrotischen Syndroms? Denn wenn dem so ist, wären wir im weiteren Verlauf mit der Eskalation der immunsuppressiven Therapie über Steroide hinaus gegebenenfalls sehr zurückhaltend, weil wir wissen, dass die genetischen Formen – wenn ich jetzt sage „nie“, dann ist es nicht ganz richtig – aber in der Regel nicht auf immunsuppressive Therapie ansprechen.

Axel Enninger: Das heißt, nächster Schritt ist, ihr seht die Steroidresistenz am Horizont, dann macht ihr Genetik. Und wann denkt ihr, dass ihr da hineinpiksen müsst, in die Niere? Oder müsst ihr nicht?

Lutz Weber: Es gibt Indikationen für eine Biopsie. Die Steroidresistenz ist eine solche Situation, wo man eine Biopsie erwägen kann, weil man eben im Zweifel nicht die typische Histologie finden wird, was nicht 100 % richtig ist. Also auch etwa 7 % der Patienten mit einer sogenannten Minimal Change Glomerulopathie sind steroidresistent. Aber man trifft doch sehr, sehr, sehr viel häufiger andere histologische Formen an, nämlich sogenannten fokal-segmentalen Glomerulosklerosen, also Situationen, wo man im Glomerulum Fibrose-/ Sklerose-Areale findet. Aber umgekehrt sind eben auch 20 % der Patienten mit einer solchen FSGS steroidsensibel. Deswegen biopsieren wir gar nicht primär.

Axel Enninger: Das heißt, wir haben jetzt Steroidresistenz, Genetik. Dann hätte ich gedacht, ist irgendwann die Biopsie dran. Falsch. War offensichtlich nicht so, du hast es vorsichtig gesagt: „Kann man erwägen.“ Das war ein freundlicher Widerspruch, was ja auch völlig okay ist, sondern ihr macht dann was?

Lutz Weber: In der Situation der Steroidresistenz beenden wir zunächst mal das Behandlungsregime wie wir es begonnen haben und würden dann mit einem alternativen Behandlungsregime beginnen, was in der Regel besteht aus der Applikation – also, wenn wir keinen Hinweis für eine genetische Ursache haben, das setze ich jetzt mal voraus – einer Kombinationstherapie aus einem Calcineurin-Inhibitor, Cyclosporin A oder Tacrolimus, mit einem anders konfigurierten Steroidregime kombinieren und längerfristig behandeln. Es gibt auch andere Therapieansätze mit anderen Medikamenten, aber das ist unser Ansatz.

Die Krux mit der Therapie: Wirksamkeit und Nebenwirkungen

Axel Enninger: Okay, irgendwelche „-mabs“, „-tugs“ und „-nibs“ am Horizont?

Lutz Weber: Eine Menge „-mabs“, „-tugs“ und „-nibs“ in der Behandlung, in der Tat. Jetzt würde ich tatsächlich ein bisschen von dem steroidresistenten Konzept abrücken und wieder eher in das steroidsensible nephrotische Syndrom überwechseln wollen. Da spielen diese Medikamente dann eine Rolle, wenn die Patienten einen komplizierten Verlauf entwickeln, also entweder viele Rezidive haben – das ist immer dann der Fall, wenn sie zwei oder mehr Rezidive innerhalb eines halben Jahres haben oder wenn sie vier oder mehr Rezidive innerhalb eines Jahreszeitraums haben.

Axel Enninger: Das heißt, sie haben angesprochen und dann geht ihr auch richtig raus. Ihr macht nicht so ein bisschen Erhalt, sondern ihr geht richtig raus.

Lutz Weber: Wir gehen raus. Nach zwölf Wochen ist Schluss. Es gibt Konzeptionen, die es immer wieder untersucht haben, ob es Sinn macht, die Steroidtherapie zu verlängern, mit niedrigen Dosen zu verlängern. Eine Therapieverlängerung über zwölf Wochen hinaus, das wissen wir, das bringt nicht viel. Es ist eher so, dass wir versuchen, auch in dieser Phase die Steroide zu reduzieren. Da sind wir dann davon abgekommen. Wir haben gerade mit unserer Fachgesellschaft eine ganz große nationale Studie gemacht, wo wir in dieser Initialtherapie die Steroidtherapie durch eine Therapie mit dem Medikament Mycophenolsäure, also Mycophenolat-Mofetil, ersetzt haben. Sobald die Patienten in Remission waren, wurde das Prednison gegen Mycophenolsäure ausgetauscht, aber nach zwölf Wochen war in jedem Fall Therapieschluss. Im Vergleich zur Standardtherapie hat sich diese experimentelle Therapie als genauso wirksam erwiesen.

Axel Enninger: War aber auch nicht besser.

Lutz Weber: Nein, das war auch nicht das Ziel. Wir wollten auch nicht besser sein. Wir wollten genauso gut sein und die Steroid-assoziierten Nebenwirkungen einsparen. Das ist gelungen. Bei gleicher Effektivität haben diese Patienten weniger Steroid-assoziierte Nebenwirkungen und dieser steroidsparende Effekt bleibt über die nächsten zwei Jahre erhalten. Alle diese Patienten wurden zwei Jahre nachbeobachtet hinsichtlich ihres Krankheitsverlaufs und am Ende dieser zwei Jahre hatten die, die in dieser Mycophenolsäure-Gruppe waren, weiterhin deutlich weniger Steroide insgesamt gesehen als die Steroidgruppe.

Axel Enninger: Und damit ist es schon Standard?

Lutz Weber: Nein, damit ist es noch kein Standard. Das müssen wir jetzt erst einmal etablieren. Aber es ist für uns eine sehr sinnvolle Alternative in der Standardtherapie, insbesondere für die Kinder, die sehr aggressiv mit Nebenwirkungen auf die Steroidtherapie schon in der remissionsinduzierenden Therapiephase reagieren. Ansonsten wird man sicher diskutieren, ob sich jetzt dieses Konzept mit der Mycophenolsäure oder von vornherein ein kürzeres Gesamtbehandlungsdauer-Konzept in der Initialtherapie durchsetzen wird. Das wird man sehen müssen. Da spielen natürlich auch Aspekte eine Rolle wie Verfügbarkeit dieses Medikaments. Es ist nicht auf der ganzen Welt verfügbar, es ist teurer als die Steroidtherapie. Das sind alles Dinge, die weltweit gesehen, natürlich hier beachtet werden müssen.

Axel Enninger: Alles, was wir da im Angebot haben, sind keine Smarties. Cortison ist ein nebenwirkungsträchtiges Medikament, aber auch Cyclosporin und MMF hat echte Nebenwirkungen. Vielleicht ein kurzer Einblick: Über was reden wir da als Nebenwirkungen? Bei Cyclosporin, MMF?

Lutz Weber: Bei Cyclosporin sprechen wir auch über kosmetische Nebenwirkungen. Das ist immer sehr wichtig, weil es das ist, was die Kinder und auch die Familien wahrnehmen. Beim Cyclosporin ist es die Hypertrichose, das ist die Gingivahyperplasie. Es sind aber auch metabolische Nebenwirkungen wie Störungen des Fettstoffwechsels, beispielsweise. Beim MMF, bei der Mycophenolsäure sprechen wir über gastrointestinale Nebenwirkungen. Wir sprechen über potenzielle Reduktion der zellulären Blutbestandteile. Darauf muss man achten. Beim Tacrolimus reden wir weniger über die kosmetischen Nebenwirkungen, aber dann eher über metabolische Aspekte wie eben den Fett- oder auch den Glukosestoffwechsel. Und natürlich – und das ist ganz relevant – bei den Calcineurin-Inhibitoren übergeordnet immer die Nephrotoxizität. Es sind leider Medikamente, die viel Gutes tun, insbesondere in der Transplantationsmedizin, aber auch in der Behandlung von anderen Nierenerkrankungen. Aber anders als die Mycophenolsäure sind die Calcineurin-Inhibitoren nephrotoxisch.

Plädoyer für das Einhalten des Impfkalenders

Axel Enninger: Wenn wir sozusagen die ganzen Medikamente, die du vorhin erwähnt hast, einmal zusammenfassen, dann ist für den niedergelassenen Kollegen ja immer wichtig: Was mache ich denn mit Impfungen? Cortison, Cyclosporin, MMF: Gehören sie dann zur Risikogruppe, weil immunsupprimiert, und brauchen sie bestimmte Impfungen extra? Dürfen sie umgekehrt vielleicht bestimmte Impfungen auch nicht kriegen?

Lutz Weber: Ganz wichtige Frage! Ja, sie gehören zu einer Risikogruppe, denn sie sind chronisch nierenkrank und die chronische Nierenerkrankung ist in aller Regel einer dieser Risikofaktoren, die besondere Impfungen, also Indikationsimpfungen, auslösen. Das ist das eine. Das Zweite ist: Eine immunsuppressive Therapie – sei es nun mit Glucocorticoiden oder mit einem der Alternativmedikamente, die wir gerade genannt haben – um es mal grundsätzlich zu sagen, ist eine Situation, wo Lebendimpfstoffe kontraindiziert sind. Totimpfstoffe können appliziert werden. Man muss aber immer die Frage im Kopf haben: Sind sie dann auch wirksam in dieser Situation? Das ist die nächste Frage. Insofern ist es uns natürlich am liebsten, wenn die Kinder zunächst mal nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission geimpft sind. Und noch toller wäre es, wenn wir einen solchen Impfplan zwei, besser vier Wochen vor Beginn einer solchen Therapie abgeschlossen hätten.

Axel Enninger: Da seid ihr Nephrologen in genau der gleichen Situation wie wir Gastroenterologen. Wir wollen auch bestimmte Medikamente haben und sind aber dann klinisch manchmal so im Zwang, dass wir eben Impfungen nicht nachholen können. Deswegen bitte, ich glaube, da blasen wir beide ins gleiche Horn. STIKO hilft in so einer Situation sehr, weil die Kinder dann nach Kalender geimpft sind. Diese Vorstellung: ‚Naja, das machen wir irgendwann mal, wenn es denn so passt…‘ Da beißt man sich in den Bauch, wenn jemand ein nephrotisches Syndrom hat oder einen Crohn entwickelt hat, und dann steht man auf einmal da und denkt: ‚Mann, hätten wir diese Impfung doch mal vorher gemacht!‘ Kleines Plädoyer für das Einhalten des Impfkalenders.

Lutz Weber: Unbedingt! Das kann ich nur unterstützen, wirklich mit aller Vehemenz. Dennoch empfehlen wir auch die Kinder mit einem nephrotischen Syndrom zu impfen, auch durchaus nach den Empfehlungen. Jetzt nicht in der Phase der initialen Therapie, aber beispielsweise in einer Remissionsphase. Durchaus auch, wenn genügend Abstand zur letzten immunsuppressiven Therapie besteht, mit Lebendimpfstoffen, sofern indiziert, unbedingt aber auch mit Totimpfstoffen. Sollten wir jetzt Patienten haben, die sich in einer Dauertherapie mit einem Immunsuppressivum befinden, weil es ohne einfach nicht geht und weil wir nicht immer wieder hohe Steroiddosen geben können, dann ist es eine individuelle Abwägungssache. Da gibt es ja eine schöne Aufstellung, beispielsweise im Bundesgesundheitsblatt von 2019, unter welchen Kautelen, unter welchen Dosierungen der Medikamente, Lebendimpfungen mit bestimmten Impfstoffen erwogen werden können. Daran kann man sich ganz gut orientieren. Wir sind in der Erhaltungstherapie des nephrotischen Syndroms meistens im Bereich der niedrigdosierten Immunsuppression, so dass man das durchaus erwägen kann.

Prognose gut, aber es kommt drauf an

Axel Enninger: Jetzt hattest du gerade schon gesagt: Langzeitbehandlung, Langzeit-Immunsuppression. Die Frage beschäftigt alle Eltern, die Patienten und beschäftigt natürlich auch die betreuenden Kollegen. Wie ist denn die langfristige Prognose?

Lutz Weber: Ja, die langfristige Prognose des idiopathischen nephrotischen Syndroms ist gut. Zunächst einmal hinsichtlich der globalen Nierenfunktion: Kinder mit einem idiopathischen nephrotischen Syndrom, einer primären Form des nephrotischen Syndroms werden nur sehr, sehr selten wirklich niereninsuffizient. Das ist schon mal eine sehr, sehr wichtige und sehr gute Nachricht. Es ist so, dass 80 % der Patienten im weiteren Verlauf Rezidive erleben werden, und 50 % der Patienten haben auch einen sogenannten komplexen Verlauf, also entweder mit häufigen Rezidiven oder einer Steroidabhängigkeit. Das bedeutet, dass man alternative Therapieregime suchen muss. Aber in der Langzeitprognose ist es so, dass doch bis zu 70 % der Patienten mit dem Durchlaufen der Pubertät die Krankheitsaktivität verlieren. Das ist eine gute Nachricht. 30 % haben aber eben das Risiko, auch im Erwachsenenalter weiter zu rezidivieren.

Axel Enninger: Okay, aber 70 % ist ja schon mal nicht ganz schlecht. Das können wir Gastroenterologen selten anbieten, im Gegenteil. Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen können wir nicht sagen: ‚Irgendwann ist fertig.‘ Jetzt hatte ich das vorhin schon mal kurz erwähnt mit den „-mabs“, „-tugs“ und „-nibs“. Wie ist es denn bei euch? Gibt es Dinge am Horizont, wo du sagen würdest, das könnte vielleicht die Therapie, die du vorhin erwähnt hast, noch mal grundsätzlich verändern? Also perspektivisch, wenn Eltern fragen: ‚Hat die Pharmaindustrie nicht immer etwas Neues?‘ Wie sieht es da bei euch aus?

Ist der Antinephrin-Antikörper entscheidend und was folgt daraus?

Lutz Weber: Ja, das hängt natürlich ganz wesentlich damit zusammen, dass wir immer mehr erfahren über die Pathophysiologie der Erkrankung. So richtig klar ist sie uns noch nicht, das muss man ehrlicherweise sagen. Wir wissen, Genetik spielt eine Rolle. Wir wissen, dass es externe Auslöser oder Triggerfaktoren für das nephrotische Syndrom gibt, in allererster Linie sind es Infektionen an dieser Stelle, und wir nehmen an, dass es eine immunologische Grundlage gibt. Die besteht zum einen aus einer Imbalance im Bereich der T-Zellen. Das geht auf ganz alte Assoziationen zurück. Beispielsweise hat man früher beobachtet, dass Maserninfektionen, die zu einer T-Zell-Supprimierung führen, zu einer Remission des nephrotischen Syndroms geführt haben. Da kommen tatsächlich diese Ideen her. Wir wissen zunehmend aber, dass es nicht nur die T-Zellen, sondern auch die B-Zellen sind, die hier in einer Dysregulation sind und eine Ursache sein können. Ganz neue Untersuchungen weisen darauf hin, dass dieser schon lange vermutete „zirkulierende Faktor“, also irgendein Protein, vielleicht ein Immunglobulin als Auslöser, möglicherweise jetzt einen Namen hat, nämlich Antinephrin-Antikörper. Es ist von der Hamburger Gruppe gerade aktuell publiziert worden. Nephrin ist ein wichtiges Strukturprotein im glomerulären Filter. Antikörper dagegen können das nephrotische Syndrom möglicherweise auslösen. Ob sich das am Ende so halten lassen wird, ist eine andere Frage, aber das ist der aktuelle Wissensstand, auf dem wir uns befinden. Da kommen natürlich auch Biologika wie zum Beispiel gegen CD20-tragende Zellen, also insbesondere Memory B Cells, aber eben auch Plasma-B-Zellen ins Spiel, die sich auch schon als sehr wirksam erwiesen haben, die im Moment in den Leitlinien aber noch als Rescue-Medikation angesehen werden. Ich spreche jetzt hier zum Beispiel von Rituximab und in unseren Breiten Obinutuzumab als humanisiertem CD20-Antikörper, die sowohl bei den steroidsensiblen Formen – die sogenannte multidrug-resistant Formen sind, die also trotz Einsatz verschiedener Medikamente immer wieder zu Rezidiven führen, doch bei einer Subgruppe von Patienten zu einer anhaltenden Remission geführt haben, aber eben auch im Bereich des steroidresistenten nephrotischen Syndroms Erfolge zu verzeichnen sind. Wir müssen überlegen für die Zukunft, ob die Stellung dieser „-mabs“, also Rituximab, Obinutuzumab, weiter die ist, dass es Rescue-Medikamente sind, oder ob wir sie bei komplexen Verläufen nicht primär einsetzen wollen.

Axel Enninger: Es ist ja die gleiche Diskussion, die in vielen Fachbereichen geführt wird. Die Rheumatologen sind da oft eher früher. Wir Kinder-Gastroenterologen neigen auch dazu, diese Medikamente eher früher einzusetzen. Das ist ja für manche Kinder wirklich ein absoluter Game-Changer, wenn man da, sag ich mal, frühzeitiger anfängt. Ihr seid in genau der gleichen Situation wie viele andere „Subspezialitäten“, spannend! Wie sagst du, heißt dieser Antikörper, der da „erfunden“ wurde, Antinephrin?

Lutz Weber: Der wurde nicht „erfunden“, der ist nachgewiesen worden. Antinephrin-Antikörper.

Axel Enninger: Ich meine, dann schreit das ja nach einem Antinephrin-Antikörper-Antikörper, den man dann, sozusagen, dagegen irgendwann einmal „basteln“ muss. Okay. Ja, spannend. Spannende Perspektive. Es gibt eine Tradition in diesem Podcast und die heißt Dos & Don’ts. Du darfst Dinge loswerden, die du gerne unbedingt positiv vermitteln möchtest. Du darfst aber auch Dinge loswerden, wo du sagst: ‚Liebe Kollegen, bitte tut es nicht, lasst es sein, macht es nicht.‘ Die Reihenfolge ist dir überlassen.

Bei Ödemen an nephrotisches Syndrom denken, Urin untersuchen und nicht warten

Lutz Weber: Vielen Dank. Ich versuche es mal! Bitte denken Sie bei Ödemen an die Möglichkeit eines nephrotischen Syndroms und untersuchen Sie den Urin. Ich denke, wir Kinderärzte sind viel, viel besser als andere Disziplinen. Wir wissen aus großen internationalen Studien, dass Hausärzte erstaunlicherweise zurückhaltend sind mit Urin-Untersuchungen. Das wollen wir in der Pädiatrie nicht. Im Verdachtsfall bitte einmal den Urin untersuchen. Das ist ein absolutes Do. Dann bitte nicht warten. Wenn Sie Eiweiß im Urin finden, insbesondere viel Eiweiß im Urin finden und möglicherweise sogar in der Kombination mit einer Hämaturie, dann warten Sie bitte nicht damit, dieses Kind an einen Spezialisten, an eine Spezialistin zu überweisen, denn insbesondere in Kombination mit einem hohen Blutdruck ist das möglicherweise eine ernstzunehmende Nierenerkrankung, die einer raschen Intervention bedarf.

Axel Enninger: Okay. Super. Vielen herzlichen Dank. Das war spannend, hat mir viel Spaß gemacht und ich hoffe, Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, hat es auch Spaß gemacht, Wissen gebracht und Sie vielleicht so ein bisschen bei Ihrem Vorgehen noch einmal sensibilisiert. Vielen Dank fürs Zuhören. Vielen Dank für Ihre häufig gegebenen Rückmeldungen. Wir freuen uns über weitere Rückmeldungen, freuen uns auch über Themenvorschläge, über Vorschläge zu Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern. Und wir freuen uns, wenn Sie das nächste Mal wieder zuhören. Bleiben Sie uns gewogen!

 

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Sprecherin: Das war consilium, der Pädiatrie-Podcast. Vielen Dank, dass Sie reingehört haben. Wir hoffen, es hat Ihnen gefallen und dass Sie das nächste Mal wieder dabei sind. Bitte bewerten Sie diesen Podcast und vor allem empfehlen Sie ihn Ihren Kollegen. Schreiben Sie uns gerne bei Anmerkungen und Rückmeldungen an die E-Mail-Adresse podcast@infectopharm.com. Die E-Mail-Adresse finden Sie auch noch in den Shownotes. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge.

Ihr Team von InfectoPharm

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Hilfreiche Informationen:

 

Link:

www.kinderformularium.de. Unabhängige Datenbank für evidenzbasierte Dosierungen und Informationen von Arzneimitteln bei Kindern und Jugendlichen. Universität Erlangen.

 

Literatur:

Trautmann A, Boyer O, Hodson E, et al. (2023) IPNA clinical practice recommendations for the diagnosis and management of children with steroid‑sensitive nephrotic syndrome. Pediatr Nephrol 38(3) 877–919.

 

Schijvens AM, van der Weerd L, van Wijk JAE et al. (2021) Practice variations in the management of childhood nephrotic syndrome in the Netherlands. Eur J Pediatr 180(6) 1885–1894.

 

Wagner N, Assmus F, Arendt G et al. (2019) Impfen bei Immundefizienz. Bundesgesundheitsbl 62: 494–515.

 

Webb NJA, Woolley RL, Lombe T et al. (2019) Long term tapering versus standard prednisolone treatment for first episode of childhood nephrotic syndrome: phase III randomised controlled trial and economic evaluation. BMJ 365: l1800.

 

Querfeld U & Weber LT (2018) Mycophenolate mofetil for sustained remission in nephrotic syndrome. Pediatr Nephrol 33: 2253–2265.

 

Ehren R, Benz MR, Dötsch J et al. (2018) Initial treatment of steroid-sensitive idiopathic nephrotic syndrome in children with mycophenolate mofetil vs. prednisone: A randomized, controlled, multicenter trial (INTENT Study). BMJ Open 8(10): e024882.

 

Christian MT, Webb NJA, Mehta S et al. (2022) Evaluation of Daily Low-Dose Prednisolone During Upper Respiratory Tract Infection to Prevent Relapse in Children With Relapsing Steroid-Sensitive Nephrotic Syndrome: The PREDNOS 2 Randomized Clinical Trial. JAMA Pediatr 2022 176(3): 236–243.

 

Chan EYH, Yap DYH, Colucci M et al. (2023) Use of Rituximab in Childhood Idiopathic Nephrotic Syndrome. Clin J Am Soc Nephrol 18(4): 533–548.

 

Patientenratgeber:

Patientenratgeber „Harnwegsinfektionen bei Kindern“. InfectoPharm Arzneimittel und Consilium GmbH.

 

Leitlinie:

AWMF (2020) Idiopathisches nephrotisches Syndrom im Kindesalter: Diagnostik und Therapie. S2e-Leitlinie, Registernr. 166-001, Version 2.0. https://www.awmf.org/service/awmf-aktuell/idiopathisches-nephrotisches-syndrom-im-kindesalter-diagnostik-und-therapie.

 

 

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Geschäftsführer: Philipp Zöller (Vors.), Michael Gilster, Dr. Markus Rudolph, Dr. Aldo Ammendola

Registergericht: Darmstadt – HRB 24623

USt.-IdNr.: DE 172949642

 

Verantwortlich für den Inhalt: Dr. Markus Rudolph

 

 

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