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consilium - DER PÄDIATRIE-PODCAST - Folge #23 - 03.02.2023

 

consilium – der Pädiatrie-Podcast

mit Dr. Axel Enninger

consilium Podcast mit Dr. Axel Enninger

 

Sind Fieber und hohes CRP schon „Antibiotikamangel-Zustand“? – Antibiotic Stewardship

 

Axel Enninger: Heute spreche ich mit:
DR. FRIEDRICH REICHERT.

 


DR. AXEL ENNINGER…

… ist Kinder- und Jugendarzt aus Überzeugung und mit Leib und Seele. Er ist ärztlicher Direktor der Allgemeinen und Speziellen Pädiatrie am Klinikum Stuttgart, besser bekannt als das Olgahospital – in Stuttgart „das Olgäle“ genannt.

Axel Enninger: Herzlich willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zu einer neuen Folge von consilium, dem Pädiatrie-Podcast. Mein Gesprächspartner heute ist Dr. Friedrich Reichert. Herr Dr. Reichert hat seine gesamte Ausbildung zum Kinder- und Jugendarzt bei uns am Olgahospital gemacht. Er hat danach eine Schwerpunktweiterbildung zur pädiatrischen Intensivmedizin gemacht, hat sich dann speziell mit Kinder-Infektiologie beschäftigt und war dann der ideale Kandidat, um als Oberarzt in unserer Kinder-Notaufnahme zu arbeiten. Das hat er so wunderbar gemacht, dass er mittlerweile der ärztliche Leiter dieser Kinder-Notaufnahme ist, genannt PINA. Herzlich willkommen, Friedrich.

Friedrich Reichert: Danke für die Einladung. Hallo.

Axel Enninger: So, wir reden heute über Antibiotika und wir reden darüber, wie man das gut machen kann und wie man es vielleicht weniger gut machen kann. Wir beide kommen ja so ein bisschen aus unterschiedlichen Ecken, um sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Meine Ecke ist die, dass ich mich viel mit Mikrobiom beschäftige. Also was macht die Zusammensetzung der Darmflora mit unserer Gesundheit? Wie kann man sie beeinflussen? Da redet man viel über Ernährung, Präbiotika, Probiotika. Was aber relativ schnell klar wird, ist, dass dabei das Thema Antibiotika manchmal unterbelichtet wird. Deswegen war es eigentlich absolut passend zu sagen, wir müssen mal über Antibiotika reden, weil es nämlich viele, viele Implikationen hat auf die Gesundheit unserer Kinder und deswegen ist es sinnvoll, dass wir uns damit beschäftigen. Du kommst aus einer ganz anderen Ecke.

Friedrich Reichert: Ja, ich komme aus der Notfallmedizin und Intensivmedizin. Gerade in der Intensivmedizin ist es ja immer so gewesen: Kind ist schwer krank, dann kriegt es erstmal Antibiotika und auch in der ambulanten Pädiatrie ist es früher so gang und gäbe gewesen. Wenn man sich ein bisschen genauer damit beschäftigt und mal anfängt darüber nachzudenken, was man da eigentlich macht, hilft man den Kindern wirklich? Und sich dann auch die Literatur anguckt, was es für langfristige Folgen gibt oder auch einfach die Presse verfolgt, dann kommt man dazu, dass man doch häufiger etwas mehr darüber nachdenken muss und auch frühere Dogmen immer mal wieder hinterfragt werden müssen.
Shorter is better und oral geht häufiger als man glaubt
Axel Enninger: Genau das wollen wir heute tun. Wir wollen nicht die „Klinik-Besserwisser“ spielen, sondern wir wollen die Prinzipien, die wir auch bei uns in der Klinik eingeführt haben, so transparent machen, dass die Zuhörerinnen und Zuhörer vielleicht in ihrer Praxis sagen: ‚Oh Mensch, es lohnt sich doch mal, darüber nachzudenken und es lohnt sich, darüber nachzudenken, ob es so wie ich es momentan mache, wirklich gut und sinnvoll ist.‘ Also noch mal: Hier sind nicht die „Klinik-Klugschnacker“, sondern hier sind diejenigen, die sich eine Weile mit dem Thema beschäftigt haben und vielleicht profitieren Sie ja davon. Wir können schon mal – sozusagen als Oberbegriff – loswerden: Meistens geht weniger, meistens geht kürzer und meistens geht es oraler, als man so denkt, oder? Das könnten wir schon mal spoilern, ganz am Anfang.

Friedrich Reichert: Das kann man zumindest für die ambulante Pädiatrie relativ gut so sagen. Also die allermeisten Patienten, die auch in die PINA kommen, laufen nicht mit einem Antibiotikarezept wieder heraus. Da achten wir ziemlich genau drauf. Generell kann man schon sagen: shorter is better – relativ häufig. Die Datenlage wird immer besser. Oral geht viel häufiger als man glaubt, auch viel früher als man glaubt und ganz häufig kann man es auch ganz einfach sein lassen.

Die drei großen Herausforderungen laut WHO: Krieg, Hunger, Antibiotikaresistenz
Axel Enninger: Sehr gut. Jetzt war ja vor kurzem erst Antibiotic Resistance Awareness Week von der WHO. Sag doch mal kurz etwas dazu, was die WHO zum Thema Antibiotikaresistenzen sagt.

Friedrich Reichert: Die WHO hat im Jahr 2018 oder 2019 die Antibiotikaresistenz in die Top Ten der Gesundheitsbedrohungen für die Menschheit aufgenommen und sie haben es sogar noch ein bisschen hochgestuft. Extrem eindrücklich fand ich einen Vortrag von der diesjährigen ESPID [Anm. D. Red.: European Society for Paediatric Infectious Diseases], von dem WHO-Mitarbeiter, der angefangen hat. Krieg, Hunger, Antibiotikaresistenz sind die drei großen Gesundheitsherausforderungen der Menschheit für die nächsten Jahre. Es kamen dann mehrere Reports raus, im Lancet veröffentlicht, wo nach vorne modelliert wurde: Wie hoch ist eigentlich die burden of disease von Antibiotikaresistenz? Das sind relativ imposante Zahlen. Der letzte Report spricht von 1,5 Millionen Toten jährlich durch antibiotikaresistente Keime und 5 Millionen Todesfällen, wo zumindest Antibiotikaresistenz mitspielt. Dann gibt es Modellierungen, die bis 2050 voraussagen – unter bestimmten Voraussetzungen – dass bis dahin Antibiotikaresistenzen zu mehr Todesfällen als zum Beispiel Krebs führen könnten.

Säulen des Antibiotic Stewardship
Axel Enninger: Okay, also WHO: als akute Bedrohung. Jetzt ist in unserem klinischen Alltag das Thema der Antibiotikaresistenz, sage ich mal, nicht ganz weit vorne. Trotzdem gibt es natürlich noch eine ganze Reihe von anderen Gründen. Wenn ich nochmal mal als Kinder-Gastroenterologe sagen darf: Das Beste, was man fürs Mikrobiom tun kann, ist, es in Ruhe zu lassen und möglichst nicht durch Antibiotika zu stören. Ich hatte ja schon gesagt, wir haben in unserer Klinik Antibiotic Stewardship als Programm etabliert und du bist der Leiter des Antibiotic Stewardship im gesamten Klinikum Stuttgart, also nicht nur in der Kinderklinik. Da gibt es ein paar Säulen. Erläutere die doch mal.

Friedrich Reichert: Also die großen Säulen von Antibiotic Stewardship sind einerseits Fortbildung aller Leute, die da arbeiten. Je besser die Leute Bescheid wissen, umso angepasster ist die Antibiotikatherapie. Dann geht es im Grunde einerseits um die Indikation: Stimmt die? Dann um die Dauer und die Wahl des Antibiotikums. Muss man Reserveantibiotika benutzen oder reichen auch die Standard-Penicilline? Und natürlich um die Frage: Muss man alles wirklich über ein, zwei Wochen intravenös geben oder geht es nicht auch oral? Das sind die Haupt-Sachen, nach denen wir im Grunde bei jeder Antibiotikaverordnung schauen.

Axel Enninger: Okay, das heißt, da wird man schon, sage ich mal, etwas beäugt bei uns. Und es gibt bestimmte Antibiotika, die auch einfach nicht jeder verordnen darf.

Friedrich Reichert: Ja, genau. Es ist noch nicht automatisiert, aber es soll mal automatisiert werden. Wenn jemand in der elektronischen Patientenakte bestimmte Reserveantibiotika anklickt, dann darf er das machen. Da brauche ich jetzt keine direkte Freigabe, aber es kommt sofort ein Konsil an das ABS-Team. Dann wird innerhalb von 24 Stunden nachgeschaut: Ist das indiziert? Kann man das ändern? Kann man es absetzen oder kann man es autorisieren, dass es weitergegeben wird?

Axel Enninger: Okay, das heißt, die Latte ist ein bisschen höher gehangen, als es früher so war. Was früher sozusagen der Klassiker war: Ich habe da ein fieberndes Kind und jetzt in der akuten Infektwelle ja auch – wir alle reden zwar von RS-Viren und von Influenza, trotzdem ist die Frage, die wir uns immer stellen: Ist es viral oder ist es bakteriell? Und wenn es bakteriell ist, brauchen wir ein Antibiotikum? Das ist zumindest die Fragestellung, mit der ich groß geworden bin. Da widersprichst du mir manchmal.

Friedrich Reichert: Ja, also die Frage ist extrem interessant und das will man auch immer wissen. Sie ist zum Beispiel bei Hautausschlägen auch die richtige Frage. Aber gerade bei den Atemwegsinfekten – und das ist ja die Hauptindikation, für die Antibiotika gerade bei Kindern verschrieben werden, da ist es eigentlich nicht wirklich die Frage, ist es bakteriell oder viral. Diese ganzen Infekte sind quasi immer polymikrobiell, und wir müssen zu der Frage hin: Ist das ein Kind, das von der Antibiotikagabe mehr profitiert, als dass es ihm potenziell schaden könnte? Da wird es dann wirklich interessant, wenn man einmal wirklich tief die Datenlage einsteigt, um zu schauen: Muss ich jetzt wirklich etwas geben und wird das Kind davon wirklich profitieren? Das hat auch Einfluss auf die Kommunikation mit den Eltern, wenn man mit ihnen darüber spricht, ob man Antibiotika-Therapie verschreibt oder nicht.

Axel Enninger: Du hast es gerade angesprochen. Im Gespräch mit den Eltern ist es natürlich so, dass das wahrscheinlich auch das Problem der niedergelassenen Kinder- und JugendärztInnen ist. Das Kind hustet und fiebert und hustet und fiebert und man fragt sich: ‚Naja, ist denn wirklich jetzt alles noch – alte Frage wieder – viral oder haben sich da schon Bakterien draufgesetzt? Müssen wir denn jetzt nicht doch mal ein Antibiotikum geben?‘ Das, was früher so war, früher: Erst klarer Schnupfen, irgendwann wurd es grün und wenn es grün wurde, dachte man, jetzt braucht man das Antibiotikum.

Friedrich Reichert: Das ist wie mit dem Geruch beim Harnwegsinfekt. Das hat genauso wenig Aussagekraft. Die Farbe des Nasensekrets ist überhaupt kein guter Marker. Da muss man einfach mit den Eltern besprechen und denen erklären, primär fängt es quasi immer mit einer viralen Infektion an, und ob da jetzt Bakterien mitspielen oder nicht? Da kann man ihnen dann erklären, dass es extrem unwahrscheinlich ist in den meisten Fällen. Es gibt aber Kinder, die kann man versuchen rauszufiltern, die möglicherweise von der Antibiotikagabe profitieren und das sind erstaunlich wenige. Also als Beispiel die Streptokokken-Angina. Wenn ich die alle behandele, profitiert nur jeder sechste und der profitiert in dem Sinne, dass er an Tag 3 keine Symptome mehr hat und nicht erst an Tag 4 oder 5. Nur jeder Sechste! Die anderen 5, die profitieren davon nicht.

Axel Enninger: Aber wir alle haben doch Angst vor der Endokarditis.
Andere Länder, andere Behandlungsindikationen bei Streptokokken
Friedrich Reichert: Ja, das Risiko dafür reduzieren wir aber nicht bzw. wir reduzieren es mit einer number needed to treat, die immens hoch ist, die liegt weit in den Tausenden. Also vor allen Dingen, da kommen wir vielleicht nachher noch bei den Streptokokken dazu, das rheumatische Fieber, also die nicht-suppurativen Komplikationen, die sind mittlerweile so wahnsinnig selten, da muss man zehntausende Kinder behandeln, um einen Fall zu verhindern. Das ist aber in anderen Populationen anders. Jetzt auf uns bezogen ist das nicht mehr die Behandlungsindikation.

Axel Enninger: Okay, aber lasst uns doch vielleicht bei dem Thema der Streptokokken erst einmal bleiben. Also früher war das ja sozusagen der Klassiker. Der Klassiker war: Kind fieberte, der Hals war rot, da gab es Beläge. Wir haben einen Rachenabstrich gemacht, da waren Streptokokken drin und dann gab es ein Antibiotikum. Ist das falsch?

Friedrich Reichert: Nein, es ist nicht generell falsch, aber die Indikation – ich kann mich noch entsinnen, ich habe damals teilweise Diskussionen mit Eltern geführt, die kein Antibiotikum wollen und habe denen erzählt: ‚Ja, wenn Sie das nicht geben, dann gibt es das Risiko, dass das Herz ganz krank wird und ihr Kind ganz krank wird.‘ Und das beruht auf Daten von vor über 70 Jahren. Damals war das rheumatische Fieber einfach extrem viel häufiger. Es ist jetzt in manchen Gegenden der Welt immer noch sehr häufig. Es gibt Bereiche in Afrika, da ist das einfach wahnsinnig häufig. Da muss man auch die Behandlungsindikation anders setzen. Bei uns ist also die Verhinderung von rheumatischem Fieber, weil es so selten ist, nicht mehr die Behandlungsindikation. Die Verhinderung von der Post-Streptokokken-Glomerulonepheritis ebenfalls nicht, die ist deutlich häufiger. Aber auch da ist die number needed to treat immens hoch. Außerdem ist gar nicht so sicher, wie stark wir das Risiko eigentlich reduzieren durch die Therapie, sondern unser Therapieziel ist eigentlich in Deutschland primär die Ansteckungsfähigkeit zu reduzieren.

Axel Enninger: Warum ist das so? Sind die Streptokokken anders geworden? Sind wir Kinder anders geworden? Ist die Ernährung anders? Oder warum ist es in Afrika bei den Streptokokken im Hals anders als bei uns?

Friedrich Reichert: Das ist multifaktoriell. Einerseits sind es tatsächlich weniger pathogene Keime, pathogene Stämme. Andererseits ist zum Beispiel das rheumatische Fieber eine klassische Erkrankung von armen Bevölkerungsschichten. Da spielen hygienische Umstände mit, da spielt die Ernährung mit, und das sind einfach Faktoren, die in verschiedenen Gegenden auf der Welt extrem unterschiedlich sind. In Australien zum Beispiel werden Kinder aus Aborigines Communities tendenziell viel häufiger mit Penicillin behandelt, weil sie ein höheres Risiko haben für Post-Streptokokken-Erkrankungen. Aber bei uns sind die so selten, dass das nicht mehr als Indikation reicht. Die Reduktion von suppurativen Komplikationen wie jetzt Parapharyngeal-Abszess, Peritonsillar-Abszess, da hat sich mittlerweile gezeigt, dass die Behandlung das Risiko nicht so richtig relevant senkt. Das reicht uns also auch nicht als Indikation.
Streptokokken wann antibiotisch behandeln?
Axel Enninger: Und wann behandele ich denn jetzt noch jemanden mit Streptokokken oder Tonsillitis antibiotisch?

Friedrich Reichert: Das ist spannend. Wir machen es tatsächlich pragmatisch im Moment noch so: Wir machen den McIsaac-Score, ich hoffe, den kennen alle.

Axel Enninger: Kannst du das jetzt noch mal erklären? Das sagst du mir auch immer ich, ich könnte ihn immer ihn noch nicht auswendig… [schmunzeln]

Friedrich Reichert: Der modifizierte Centor-Score. Und zwar ist das ein Score, mit dem man die Wahrscheinlichkeit eines positiven Streptokokken-Tests vorhersehen kann bzw. die Wahrscheinlichkeit, dass da eine Infektion vorliegt. Und da verteilt man Punkte. Es gibt einen Punkt für das Alter von 3 bis 14 Jahren. Es gibt einen Punkt für anteriore zervikale Lymphadenopathie. Es gibt einen Punkt für große belegte, also exsudative Tonsillitis. Es gibt einen Punkt für Fieber über 38 Grad und es gibt einen Punkt für „kein Husten“. Wenn der bei 1 oder 2 liegt, der Score, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Streptokokken-Infektion oder dass der Test positiv wird bei 5 bis 15 %, und das ist ungefähr die Wahrscheinlichkeit, die wir haben, wenn wir auf der Einkaufsstraße einfach mal alle abstreichen.

Axel Enninger: Genau. Und dann ist der budgetverantwortliche Chefarzt unglücklich, wenn da Streptokokken-Abstrich gemacht wurde.

Friedrich Reichert: Genau. Und bei einem Wert von 3 ist die Wahrscheinlichkeit so 35 % und bei einem Wert von 4 oder 5 steigt die über 50 %. Das heißt, was wir machen, wir machen einen McIsaac-Score. Bei 3 oder mehr Punkten machen wir einen Streptokokken-Abstrich und wenn der positiv ist, behandeln wir. Man muss aber dazu sagen, wie gesagt, der Score, der zeigt uns die Kinder, die positiv sind. Er zeigt uns nicht die Kinder, die von der Behandlung profitieren. Der Centor selbst, der Mensch, der den Score entwickelt hat, der macht nicht von seinen Punkten abhängig, ob er einen Abstrich macht, sondern der macht die Behandlung davon abhängig. Der sagt: Score 4 oder 5 behandelt er und Score 3, da denkt darüber nach oder macht vielleicht einen Abstrich. Es ist nämlich interessant: Wenn wir die Behandlung an den positiven Abstrich knüpfen, dann profitiert wie gesagt, jedes sechste Kind und hat kürzer Symptome. Wenn wir die Behandlung nur an den Score knüpfen, profitiert auch ungefähr jedes sechste Kind. Also die Datenlage, da ist so viel erforscht und wenn man da richtig einsteigt, kann man sich Stunden drüber unterhalten.

Axel Enninger: Das heißt, du willst mir sagen, dass du demnächst sagst, wir machen gar keine Streptokokken-Abstriche mehr?

Friedrich Reichert: Ich denke im Moment drüber nach und sichte noch.

Axel Enninger: Ich habe es geahnt. Okay, dann entscheiden wir uns jetzt. Schwerkrankes Kind, hoher Score und positiver Abstrich. Und wir sind noch so halb old school doctors. Und wir behandeln selbstverständlich oral. Wir behandeln selbstverständlich mit Penicillin und nicht mit irgendwas anderem. Und dann? Wie lange mache ich es denn?

Friedrich Reichert: Also früher hieß es ja immer 14 Tage. Und diese 14 Tage, die kamen von Untersuchungen von Navy-Rekruten von 1950 und 51. Und da hat man aber keine Infektionen behandelt, sondern man hat Abstriche behandelt und die alle abgestrichen und dann behandelt und dann gesehen: Okay, nach 14 Tagen waren die meisten dann im Abstrich negativ. Das ist natürlich Humbug. Wir wollen ja patientenzentriert arbeiten und mittlerweile sagt man, man behandelt 7 Tage. Es geht aber auch da dazu, dass viele Leute verschreiben und den Eltern sagen: ‚Wenn Ihr Kind kein Fieber und keine Halsschmerzen hat, dann hören Sie wieder auf.‘

Axel Enninger: Ist das schlau?

Friedrich Reichert: Ich glaube ja, die Daten und die Empfehlungen geben es aber noch nicht her.

Axel Enninger: Okay. Das heißt, die Leitlinie sagt 7 Tage, aber wahrscheinlich ist man kein schlechter Doktor, wenn es dem Kind nach 5 besser geht und es kein Fieber mehr hat, es dann abzusetzen.

Friedrich Reichert: Genau. Also angenommen, das Kind spuckt es immer aus, oder es ist ein Kampf, das da reinzukriegen, das sind alles so Sachen, da kann man durchaus pragmatisch sein und sagen: ‚Ja, die letzten zwei Tage, die müssen jetzt auch nicht mehr sein.‘
Was Resistenzen angeht, ist Nicht-Gabe von Antibiotika nie ein Problem
Axel Enninger: Okay, wir verweisen trotzdem auf die Leitlinie, die wir selbstverständlich, wie alles, was wir hier empfehlen, in den Shownotes verlinken. Also das ist sozusagen unser persönliches oder unser Vorgehen hier in Stuttgart. Das können wir noch nicht allgemein empfehlen. Wir verweisen auf die Leitlinie, aber unsere persönliche Meinung ist: Sie sind kein schlechter Doktor, wenn Sie bei einem Kind, dem es gut geht, nach ein paar Tagen absetzen. Nach ein paar Tagen absetzen ist vielleicht ein gutes Stichwort. Das gilt ja für das ein oder andere Vorgehen. Ich sage mal, das klassische Vorgehen ist: Verdacht auf Neugeborenen-Sepsis, wir machen Kulturen, wir behandeln so lange, bis die Kulturen negativ sind, setzen alle Antibiotika wieder ab. Jetzt war es in meiner Assistenzarztzeit so, dass man gelernt hat, dieses frühe Absetzen züchtet Resistenzen. Was ist denn davon zu halten?

Friedrich Reichert: Nichts. Die Idee dahinter war allerdings, so habe ich das auch erklärt bekommen, so habe ich das auch früher noch erklärt: Wenn wir eine Population an Bakterien haben, sind da ein paar resistente drin und ein paar nicht-resistente. Und je länger wir jetzt… Also, wenn wir nur 5 Tage behandeln, dann bleiben die besonders Starken übrig. Dann haben wir am Ende resistente Keime. Und wenn wir lange genug behandeln, dann haben wir auch die Starken kaputt gemacht, sodass die bösen Bakterien nicht übrig bleiben. Das war die Grundidee, widerspricht allerdings dem Grundgedanken von Evolution. Letztendlich gibt es einen Selektionsdruck wie bei allen anderen Sachen auch und der Resistenzdruck, der wird immer in dem Moment aufgebaut, in dem man ein Antibiotikum gibt. Es gibt keinen Resistenzdruck, der entsteht, wenn man kein Antibiotikum gibt. Das heißt, die Nicht-Gabe von Antibiotika ist nie ein Problem, was Resistenzen angeht, so dass da in den letzten Jahren glücklicherweise ein deutliches Umdenken stattgefunden hat und man wirklich sagen kann, jede Antibiotika-Gabe, die nicht gegeben wird, ist bezüglich der Resistenzsituation eine gute.

Axel Enninger: Okay, und das heißt, können wir noch mal bestätigen und nochmal wiederholen: Frühes Absetzen ist kein Problem und erhöht nicht die Resistenzen.

Friedrich Reichert: Ganz genau.
Das römische Reich bestimmt die Behandlungsdauer
Axel Enninger: Was ja auch toll ist, wenn man sich mal mit den Zahlen in Leitlinien beschäftigt: Man findet praktisch in keiner Leitlinie 4 Tage, 6 Tage, 8 Tage, 12 Tage. Aber man findet immer 3, 5 und 7 oder 14. Wie kommt denn das?

Friedrich Reichert: Genau. Also der Grund für die 7 Tage ist der Kaiser Konstantin, der so 300 irgendwas vor Christus im römischen Reich festgelegt hat, dass die Woche 7 Tage hat. Und deswegen nennen wir es in Infektiologenkreisen auch die „Konstantin-Einheiten“. Und das kommt einfach daher, dass man halt früher nicht wusste, wie lange gibt man das jetzt, und dann macht man es halt pragmatisch. Heute ist Montag, dann geben wir es halt bis nächsten Montag. Die 5 kommen daher, dass die 5 einfach für uns eine relativ häufige, relevante Zahl ist, einfach weil wir fünf Finger haben. Woher die 3 kommt, kann ich gar nicht sagen. Ich glaube, das ist so ein bisschen der Kompromiss zwischen: Ich gebe keine ganze Hand voll, aber 0 gebe ich jetzt auch nicht. Das sind also völlig arbiträre Sachen, aber man hangelt sich trotzdem an diesen Maßgaben entlang. Also die ganzen Studien, die die Antibiotikadauer zu verkürzen versuchen, vergleichen immer irgendwie 3 oder 5 oder 7 oder 14 Tage oder auch mal 10 Tage, also Vielfache von 5 oder 7. Ja.
Wann bei Pneumonie doch ein Antibiotikum?
Axel Enninger: Okay, wie es kommt, wissen wir nicht so ganz genau, aber das ist schon irgendwie lustig, wenn man sich mit den Leitlinien beschäftigt. Man findet immer ähnliche Zahlen und manche Zahlen findet man praktisch nie. Jetzt hatten wir vorhin als Beispiel die Streptokokken schon genannt und du hattest ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eben das, was wir Alten früher so gelernt haben, nach dem Motto: Wir verhindern die Endokarditis und das rheumatische Fieber und die Post-Streptokokken-Glomerulonephritis bei uns in unseren Breiten kein so ein Riesenthema mehr ist. Es gibt da aber noch so ein paar andere Themen, die wir einfach mal beleuchten müssen. Aktuelles Thema: Atemwegsinfekte, Pneumonien. Wann ist der Zeitpunkt gekommen, um zu sagen, jemand hat jetzt klinisch eine Pneumonie und – wiederum altes Denken – ich denke, das ist etwas Virales. Du hast vorhin gesagt, alleine dieser Gedanke ist schon kein schlauer Gedanke. Wann würdest du denn einen Patienten mit einer klinisch eindeutigen Pneumonie antibiotisch behandeln?

Friedrich Reichert: Also zum Beispiel, wenn wir jetzt mal jenseits des Kleinkindesalters gehen, so über 5 Jahre, da sind jetzt diese viral getriggerten Bronchopneumonie deutlich seltener. Wenn einer typische Zeichen zum Beispiel für eine Pneumokokken-Pneumonie hat, das heißt schlagartiger Beginn, hohes Fieber, deutlich reduzierter Allgemeinzustand, so ein unterschwelliges Husten – du kennst ja dieses pneumonische Husten, das irgendwie so von unten heraus kommt – eindeutig an einer Stelle lokalisierte Rasselgeräusche oder abgeschwächtes Atemgeräusch: Da kann man ganz klar sagen, das ist etwas, das behandelt man mit Amoxicillin, für 3 bis 5 Tage mittlerweile nur noch, das hat sich vor kurzem geändert. Wo es anders ist und wo aber viel mehr Antibiotika benutzt werden, das ist bei den Kleinkindern. Sie sind ja viel häufiger beim Arzt. Da ist es ja für gewöhnlich so, sie kommen mit Mehr-Etagengeschehen. Sie haben zuerst mal Schnupfen und eine Erkältung und dann wandert es irgendwie nach unten und dann fangen sie an, immer mehr produktiv zu husten. Und da kann man eigentlich sagen, wenn sie kein hohes Fieber haben, also keinen zweigipfligen Verlauf, wenn sie deutliche Erkältungssymptome dazu haben, wenn in der Kitagruppe oder in der Familie alle Leute erkältet sind und wenn sie noch vor allen Dingen Zeichen der pulmonalen Obstruktion haben, so ein viral wheezing dazu, das sind alles Hinweise darauf, dass es sich um ein primär virales Geschehen handelt. Bei denen profitiert wahrscheinlich kaum ein Kind von Antibiotika. Auch bei denen kann man es mal geben, wenn die Eltern sagen: ‚Hier, der hustet schon seit drei Tagen, jetzt hat er plötzlich 40 ° Fieber.‘ Dann denkt: ‚Okay, da könnte quasi eine sekundäre Superinfektion dabei sein.‘ Dann kann man das machen. Aber in den allermeisten Fällen gehen sie bei uns aus der Notaufnahme ohne Antibiotika raus.

Axel Enninger: Okay, aber so ein paar Punkte: Also sekundäres Auffiebern wäre sozusagen ein Thema. Es geht schon eine ganze Weile und dann wird es wieder schlechter statt besser nach so 5 bis 7 Tagen. Da wird man dann auch mal schwach werden dürfen und – finde ich auch noch einen sehr schönen Punkt bei den älteren Kindern: Eben die klassische Lobärpneumonie, anstoßendes Atmen, klassisch Rasselgeräusche, wenn wir das Stethoskop noch benutzen und nicht immer gleich ein Röntgenbild machen, dann darf man auch antibiotisch behandeln. Und du hast vorhin gesagt 3 bis 5 Tage und wann setzt du ab?

Friedrich Reichert: Also, wenn ich mal wirklich eine Lobärpneumonie diagnostiziert hab, dann tendenziell eher nach 5 Tagen, wenn die jetzt abends anfangen und ich sehe das Kind zwei Tage später wieder und die Eltern sagen mir, am Abend nach der ersten Gabe war das Kind gesund und jetzt ist auch die Lunge frei, dann kann man es auch früher absetzen.

Axel Enninger: Okay, es ist ja auch ein bisschen so ein Klassiker. Ich habe immer gesagt, Pneumokokken kann man daran erkennen, dass man eine oder zwei i.v.-Gaben Antibiotikum gibt, der Patient ist entfiebert und dann kann man gleich von i. v. auf oral umsetzen oder kann ich absetzen?

Friedrich Reichert: Also auf oral würde ich dann umsetzen. Ehrlicherweise, mittlerweile würde ich gar nicht mehr mit i. v. anfangen, weil es mittlerweile auch gute Daten gibt: Kinder, die eine schwere community acquired pneumonia haben, also eine, die im Krankenhaus behandelt werden muss, haben das gleiche Outcome, wenn man den Amoxicillin-Saft auf der Station gibt wie die, denen man fünfmal die Venen verpieksen muss und es dann intravenös gibt.

Axel Enninger: Aber der ist doch schwerkrank, der braucht was i. v.!

Friedrich Reichert: Ja, es ist den Pneumokokken ja völlig wurscht, wo der Wirkstoff vorher war. Ob der durch die Vene geschwommen ist oder enteral aufgenommen wurde, das weiß der Pneumokokk nicht. Der sieht nur: ‚Oh, da ist ein Aminopenicillin, jetzt falle ich tot um.‘


Axel Enninger: Ja, es ist glaube ich auch so ein klassischer Instinkt: Patient ist krank, wir müssen irgendetwas spritzen, gilt ja zum Beispiel auch für i.v.-Steroide. Auch da muss man sagen, die orale Bioverfügbarkeit ist so hoch, aber man hat irgendwie das Gefühl, man hat da jetzt was gespritzt. Muss man nicht tun.

Friedrich Reichert: Man muss natürlich sehen, ob das Kind das Zeug auch trinkt. Wenn es sowieso alles wieder… sich erbricht und so, dann ist das gar keine Frage. Aber man muss jetzt nicht noch den Neonatologen holen, dass der versucht, irgendwie einen Zugang reinzukriegen, wenn man keinen reinkriegt.
Otitis media und Risiko für Mastoiditis
Axel Enninger: Genau. Und wenn er zusätzlich Flüssigkeit braucht und einen i.v.-Zugang hat, dann ist es auch kein Fehler, das Antibiotikum i. v. zu spritzen. Dann muss man das Kind nicht noch mit dem Saft quälen. Otitis media als nächstes Stichwort. Da hat sich ja enorm viel verändert. Auch da, als ich junger Assistenzarzt war, war völlig klar, ein Säugling mit einer Otitis oder ein Kleinkind mit einer Otitis qualifiziert sich immer für eine antibiotische Behandlung, weil wir gelernt haben: Wenn du ihn nicht antibiotisch behandelst, hat er ein hohes Risiko für eine Mastoiditis. Jetzt hat sich auch in der Leitlinie sukzessive etwas verändert. Sag doch noch mal was zu diesem Thema Otitis media und Mastoiditis. Ich ahne schon, du wirst so was Ähnliches sagen wie Streptokokken und rheumatisches Fieber.

Friedrich Reichert: Ja, also auch da ist es so: Man kann mit der Antibiotikagabe das Risiko für eine Mastoiditis einen Ticken reduzieren, aber in so geringem Ausmaß von den aktuellen Daten her, dass die number needed to treat im Tausenderbereich ist, wahrscheinlich muss ich über 5.000 Kinder mit Antibiotika behandeln, um eine Mastoiditis zu verhindern. Es gibt sogar Untersuchungen, die zeigen, dass Kinder mit Mastoiditis häufiger vorher schon mal Antibiotika hatten als Kinder ohne Mastoiditis, also das Risiko ist quasi erhöht. Da kann man natürlich sagen: ‚Gut, die Kinder waren vielleicht initial schwerer krank.‘ Aber da ist bei der Otitis mittlerweile ganz klar: Durch die Antibiotika reduzieren wir nicht relevant das Risiko, eine suppurative Komplikation zu kriegen.

Axel Enninger: Warum behandeln wir dann?

Friedrich Reichert: Weil es ein paar Kinder gibt, die doch profitieren können. Also die eine Sache ist noch: Das Rezidivrisiko ist da und das ist etwas geringer, wenn man antibiotisch behandelt. Finde ich ein nicht so ganz tolles Argument, weil auch da die number needed to treat nicht ganz niedrig ist. Und angenommen, ich behandele dann 15 Kinder, damit einer keine zweite Otitis kriegt, dann habe ich halt 14 Causes gegeben, die eigentlich nicht hätten sein müssen und der, der halt das Pech hat, ein Rezidiv zu kriegen, der braucht ja eh noch mal Antibiotika. Also die Indikationen sind quasi, wenn das Kind schwerkrank ist. Das ist eigentlich die Hauptindikation. Früher hat man noch – also jetzt unter 6 Monate, da wäre ich auch tendenziell großzügig – aber früher hat man noch gesagt, ja, wenn irgendwo der Eiter rausläuft, dann müsste man es behandeln. Das macht eigentlich gar keinen Sinn, weil in dem Moment ist der Infektfokus drainiert und dann freut man sich und das Kind, dem geht es eigentlich wieder gut, außer dass halt ein bisschen Soße aus dem Ohr läuft.

Axel Enninger: Macht einseitig / beidseitig einen Unterschied?

Friedrich Reichert: Nein, stand früher auch in der Leitlinie. Die Begründung habe ich nicht verstanden. Ich denke, man muss so ein bisschen nach dem Allgemeinzustand gucken. Und auch da muss man sagen, der Benefit, den das Kind hat, das ist so ungefähr jedes 16. Kind, hat dann ein paar Stunden weniger Ohrenschmerzen, jedes Sechzehnte! Und wenn man sich jetzt überlegt, wie viele Kinder Durchfall kriegen von der Therapie, das ist ungefähr die gleiche Zahl, vielleicht noch ein bisschen niedriger, dann merkt man, dass man da sehr zurückhaltend sein kann. Und das kann man den Eltern auch relativ klar sagen. Man kann sagen: ‚Hier, wenn wir das jetzt geben, wird Ihr Kind trotzdem noch ein oder zwei Tage Ohrenschmerzen haben und dann sind es halt ein paar Stunden weniger.‘ Und deswegen ist ja diese Empfehlung des watchful waiting häufig angewendet. Das machen wir auch häufig so, das heißt, man sagt den Eltern: ‚Okay, Ihr Kind hat eine Otitis. Das ist für gewöhnlich selbstlimitierend. Einige Kinder, die leiden mehr und da geht es etwas länger.‘ Dann gibt man denen ein Rezept mit und sagt: ‚Wenn in 48 Stunden das Kind noch fiebert und immer noch Schmerzen hat, dann holen Sie das Antibiotikum aus der Apotheke.‘

Axel Enninger: Okay, nächster Klassiker wäre Harnwegsinfekt. Da verweisen wir so richtig im Sinne von dem kleinen Werbeblock auf die Folge, die wir mit Christian von Schnakenburg schon aufgenommen haben. Da haben wir uns relativ ausführlich über Harnwegsinfekte, Urindiagnostik und auch da über die Magie der Zahlen unterhalten. Dann ein Thema, das wir auch in einem anderen Podcast schon mal behandelt haben, das mir aber echt am Herzen liegt, weil ich glaube, da können wir echt noch ein bisserl weiter runter in der Behandlungszahl, das ist der „infizierte“ Insektenstich. Dazu müssen wir wieder etwas sagen, auch wenn wir es schon mal getan haben. Jetzt der Infektiologe.

Der infizierte Insektenstich aus Sicht des Infektiologen
Friedrich Reichert: Ja, ich glaube, da kämpfen wir ein bisschen gegen diese urbane Legende. Dieser rote Strich, der von irgendeiner Wunde oder einem Stich ausgeht und dann so langsam in Richtung Körperstamm wandert. Ich habe da früher so als Teenager noch gehört: ‚Oh, wenn dieser rote Strich das Herz erreicht, dann stirbt man an der Blutvergiftung.‘ Ich weiß nicht, wie das Ganze entstanden ist. Letztlich muss man sagen, wenn durch einen Insektenstich wirklich eine Infektion reingebracht wird, was schon mal sehr selten ist – für gewöhnlich kommt es durchs Kratzen im Verlauf und nicht direkt beim Stich – dann dauert das 3 bis 4 Tage, bis da relevant eine Cellulitis und eine Phlegmone oder gar ein Abszess entstehen kann, dass dann auch jemand irgendwie Fieber kriegt. Der typische Insektenstich, der auch einfach am Folgetag des Stiches erst dicker wird, der kann auch eine Lymphangitis machen, der kann auch eine Lymphadenitis in der Achsel zum Beispiel machen. Und das ist einfach eine verstärkte Lokalreaktion nach Insektenstich. Das behandelt man mit Kühlen, mit lokaler Antisepsis und mit Hochlagern. Das wird ganz häufig unterschätzt. Es gibt Untersuchungen, dass selbst bei echten Infektionen, also bei einer Cellulitis an den Extremitäten, das Hochlagern genauso wirksam ist wie die antibiotische Therapie. Also das wird viel zu häufig behandelt. Interessant auch, dass oft das Behandlungsargument ist, das Kind habe dann ein bisschen Fieber gekriegt. Es gibt das sogenannte skeeter syndrome, das gibt es aber irgendwie nur im englischsprachigen Raum. Ich habe das in Deutschland noch nie gehört gehabt, aber Kinder können als Reaktion auf so einen Insektenstich, wenn dann die Hand am nächsten Tag ganz dick wird, auch einfach ein bisschen Fieber kriegen. Ist kein Hinweis auf eine Infektion in dem Fall.

Axel Enninger: Okay, und die beiden Kinder- und Jugendärzte am Mikrofon möchten das gerne auch an die sonst operativ tätigen Kollegen loswerden, wo diese Kinder ja auch gelegentlich landen. Also verstärkte Lokalreaktionen, infizierter Insektenstich erst nach ein paar Tagen und dann gibt es gelegentlich mal durch eine bakterielle Superinfektion eine Behandlungsindikation, vorher in aller Regel nicht. Das würden wir gerne loswerden.

Friedrich Reichert: Genau.
Lymphadenitis colli erfordert eine antibiotische Therapie
Axel Enninger: Geschwollene Lymphknoten. Lymphadenitis colli. Was sagen wir dazu? Ist doch normal. Müssen wir nicht antibiotisch behandeln.

Friedrich Reichert: Doch die infizierte Lymphadenitis colli, den superinfizierten Lymphknoten, den müssen wir schon behandeln. Es ist immer die Frage, wann ist das so.

Axel Enninger: Genau, wie unterscheide ich den denn von dem geschwollenen Lymphknoten des 4-Jährigen, der in den Kindergarten geht und der immer submandibulär Lymphknoten hat?

Friedrich Reichert: Also, da muss man sagen, eine bakterielle Infektion ist ein akutes Geschehen. Wenn es akut auftritt, ist es quasi immer einseitig. Wenn einer Fieber und dicke Mandeln und beidseitige Lymphadenitis hat, dann hat er meistens einen Virusinfekt. Also einseitig, deutliche Rötung, deutliche Schmerzhaftigkeit und optimalerweise hält man den Schallkopf kurz drauf und schaut wie sieht er aus? Ist die Struktur nicht mehr erhalten? Bewegt sich da etwas in Richtung Abszedierung? Also einseitig, rot, akut, das ist etwas, das man antibiotisch behandelt.

Axel Enninger: Okay, und da reicht uns auch kein normales Penicillin mehr.

Friedrich Reichert: Da reicht normales Penicillin nicht mehr. Man hat einerseits die gesamte Mund–Rachenflora, also schon Streptokokken, aber eben auch Hämophilus, Moraxellen und dann eben noch orale Anaerobier sind mit dabei und zuweilen auch Staphylokokken. Das heißt eine Lymphadenitis colli behandelt man mit Amoxiclav. Da muss man immer wissen, Amoxicillin deckt keine Staphylokokken ab oder nur in 20 % der Fälle. Sobald wir an Staphylokokken oder orale Anaerobier wie Fusobakterien oder die anaeroben Streptokokken denken, die bilden Betalaktamasen, da brauchen wir die Clavulansäure dabei.

Axel Enninger: Jetzt können wir da vielleicht so ein kurzes Zwischenfazit machen. Also wir haben gesagt, man braucht Antibiotika seltener als man denkt. Frühzeitiges Absetzen ist gut, aber, und das müssen wir, glaube ich, auch noch unbedingt sagen, es gibt ein paar Ausnahmen. Bei wem handeln wir anders?

Friedrich Reichert: Also, das sind natürlich vorerkrankte Kinder, Kinder mit Immundefizienz, Kinder unter Chemotherapie und es gibt natürlich einzelne Krankheiten, wo auch das ganz frühe Absetzen nicht gut ist, weil die Behandlungsindikation auch die Verhinderung von Rezidiven ist, bestes Beispiel der Harnwegsinfekt. Da weiß ich nicht, ob wir die Behandlungsdauer noch werden kürzen können. Aber das sind so die „Hauptkinder“. Da muss man von diesen Prinzipien der ambulanten Therapie ein bisschen absehen.

Axel Enninger: Also die Kinder mit der Immundefizienz und die Chemotherapiekinder, glaube ich, da muss man aufpassen. Da gibt es eine spezielle Leitlinie, eben zum Beispiel der Kinder-Onkologen wie bei Neutropenie. Wobei ich da auch mit unserer Onkologin schon gesprochen habe, sie ist durchaus offen auch, dass man diese Gruppe anguckt. Müssen wir jetzt vielleicht nicht unbedingt starten, aber die kommen demnächst auf dich zu, Friedrich. Auch da kann man mal nachdenken, ob die Standards, die da so verbreitet sind, ob man die nicht auch entsprechend verändern kann. Okay, du hattest vorhin schon gesagt, bei dem Thema Pneumonie / Antibiotikum i. v. Und das, was ich von dir gelegentlich höre ist: p. o. is the new i. v. Sag mal, was du damit meinst.
Vorzüge der oralen Medikation
Friedrich Reichert: Das heißt einfach, dass von vielen Krankheiten, die man früher prinzipiell i. v. und auch lange Zeit i. v. behandelt hat, man mittlerweile aus Studien weiß, wo man wirklich nach klinischen Endpunkten geschaut hat, dass man die Behandlung viel früher oralisieren kann oder auch primär oral machen kann. Wir wollen ja – wenn wir ein Antibiotikum geben, kommt es auf die Stoffklasse an – wollen wir ja, dass wir bei den Aminopenicillinen zum Beispiel möglichst lang eine Konzentration des Antibiotikums oberhalb der mittleren Hemmkonzentration haben. Für Aminopenicilline, für andere Stoffklassen ist es ein bisschen anders, aber bei denen ist es so, die Konzentration am Wirkort muss möglichst lang oberhalb der MHK [Anm. d. Red.: minimale Hemmkonzentration] sein und da ist per os gar nicht so schlecht. Das hängt natürlich von der Bioverfügbarkeit ab. Also man geht dazu über, auch oral tendenziell teilweise höher zu dosieren, gerade bei Pneumonie, das Amoxicillin, da kann man mehr geben. Da hat man aber den Vorteil, dass wenn so ein Kind den Saft nimmt, dass das nicht in einem Bolus im System ankommt, sondern das wird ja langsam resorbiert und da gibt es ganz schöne Untersuchungen, dass es quasi so ein bisschen der prolongierten Infusion entspricht, das heißt, das wird halt über ein, zwei Stunden aufgenommen und wir haben dadurch über einen längeren Zeitraum eine gute Wirkkonzentration am Wirkort.

Axel Enninger: Das heißt, die Spitzenspiegel, von denen wir früher dachten, dass das besonders wichtig ist, wenn man Antibiotikum i. v. gibt, damit man einen hohen Wirkspiegel hat, ist ein Parameter. Aber wichtiger ist möglicherweise einfach, wie lange der Wirkspiegel, also quasi das Integral unter der Kurve aussieht und wie groß dann die Fläche ist, die oberhalb dieser Hemmkonzentration ist.

Friedrich Reichert: Genau, wobei, da geht es tatsächlich nur um die Dauer bei den Aminopenicillinen. Bei Vancomycin zum Beispiel, da ist es das Integral, the area under the curve. Bei Aminoglykosiden ist es die Differenz von Spitzenspiegel zur MHK. Und gerade bei den Betalaktamen, die wir ja primär einsetzen, geht man ja auch deswegen bei schwerstkranken Kindern dazu über, entweder eine prolongierte Infusion oder direkt eine Dauerinfusion zu machen, weil man das dann einfach 24 Stunden lang so steuern kann, dass der Wirkspiegel hoch genug ist.

Axel Enninger: Das müssten wir vielleicht noch mal erläutern, weil das ja auch eine Entwicklung ist, die wir in der Klinik jetzt erst in den letzten Jahren gemacht haben. Bei Keimen, die man schwer erreicht, geben wir Antibiotika über einen längeren Zeitraum. Das musst du, glaube ich, vielleicht mal erläutern für diejenigen, die das sonst in ihrem klinischen Alltag nicht erleben.

Friedrich Reichert: Genau. Also, wir haben früher jetzt zum Beispiel Harnwegsinfekte, was weiß ich, Drittgeneration-Cephalosporin Ceftazidim, das wird dreimal am Tag gespritzt und dann kommt man vielleicht in 30 bis 40 % der Zeit auf einen Wirkspiegel oberhalb der MHK. Da geht man dazu über, bei den Kindern, die ein Risiko für einen problematischen Verlauf haben, jetzt bei urologischen Patienten mit Harnwegsfehlbildung, fangen wir eigentlich mittlerweile direkt an, eine prolongierte Infusion zu machen, also das über zwei, drei Stunden zu infundieren und das Ganze dreimal am Tag. Genauso bei der Sepsis oder bei schweren Abszessen. Für viele Infektionen im Krankenhaus reicht schon die Bolusgabe, so wie wir es ja auch jahrelang gemacht haben. Aber je komplexer ein Patient wird und je komplizierter die Infektion wird, umso besser ist es wahrscheinlich. Und wir werden das schon auch so umstellen, dass wir irgendwann Betalaktame nie als Bolus geben, sondern primär als Kurzinfusion über 60 Minuten. Und wenn das Kind kränker ist, dann das eben auch ausdehnen auf mehrere Stunden.

Axel Enninger: Okay, und da finde ich tatsächlich auch die Analogie ganz gut zu der oralen Gabe, wo man dann eben sagt: ‚Okay, da ist ein längerer Wirkspiegel.‘ Du hattest vorhin schon erwähnt, in aller Regel reden wir hier über die Betalaktame, denn die Frage der Auswahl der Antibiotika ist ja auch immer noch ein wesentliches Thema. Wir hatten vorhin gesagt, klassisch, die Tonsillitis, wenn man sie denn überhaupt behandeln will, gibt es Penicillin. Hautinfektionen und wo ich an Staphylokokken denke, gibt es Amoxicillin plus Clavulansäure. Ambulant erworbene Pneumonie gibt es Amoxicillin. Jetzt ist der richtig krank. Reicht denn da Amoxicillin?
Bandbreite so schmal wie möglich
Friedrich Reichert: Ja. Die Idee, je breiter das Antibiotikum, umso stärker wirkt es, die ist einfach falsch. Es ist tatsächlich auch in den pharmakokinetischen Daten so, dass die Antibiotika mit einem schmalen Wirkspektrum teilweise jetzt zum Beispiel bei in-vitro-Daten einen deutlich ausgeprägteren Effekt haben. Bestes Beispiel ist das Penicillin. Es gibt kein Antibiotikum, das Streptokokken so stark abtöten kann. Da kommt Meropenem nicht mit, da kommt Vancomycin nicht mit. Die wirken auch alle gegen die Streptokokken, aber nicht so stark wie Penicillin. Das heißt, man muss sich vorher überlegen, mit was für Keimen habe ich es zu tun? Wie viel Prozent der möglichen Keime will ich abdecken? Und das Schmalste, was dafür geht, das benutzt man. Wie du schon gesagt hast, Atemwegssachen eigentlich immer Amoxicillin. Die Tonsillitis, da reicht wirklich Penicillin. Wenn ich denke, dass Staphylokokken mit dabei sind oder orale Anaerobier, Amoxiclav. Bei Hautinfektionen interessieren mich nur Streptokokken und Staphylokokken. Da ist es quasi Cefadroxil, ganz schmales Erstgeneration-Cephalosporin. Wenn ich an der Haut einen Abszess habe oder eine Infektion nach einer Wunde, nach einer verschmutzen, dann sind wir da bei anaeroben Ko-Infektionen, wo man eher Amoxiclav gibt.

Axel Enninger: ‚Gibts nie was Neueres?‘, fragt die besorgte Mutter, fragt der besorgte Vater. ‚Endlich mal, ich bin auch bereit, Geld in die Hand zu nehmen. Ich zahle auch was für ein neues Antibiotikum.‘

Friedrich Reichert: Also es gibt viele neue Antibiotika, die sind für Kinder quasi nie zugelassen und ehrlich gesagt sind sie auch quasi nie nötig. Da sollte man sich wirklich auf das zurückbesinnen, von dem wir wissen, dass es exzellent wirkt. Das ist billig. Da gibt es Darreichungsformen, die die Kinder auch irgendwie nehmen. Das ist ja auch ein relevanter Aspekt bei der Antibiotikatherapie und die Frage, ob neu oder alt das ist einfach… das macht keinen Sinn. Das kann man denen auch so erklären. Wir brauchen da nichts Neues. Ich brauche kein neues Antibiotikum für eine Streptokokken-Tonsillitis.

Axel Enninger: Okay, und zum Thema „altes Antibiotikum“ darfst du vielleicht ein paar Worte zu meinem Lieblingsantibiotikum sagen: Doxycyclin.

Friedrich Reichert: Ja, also Doxycyclin taucht bei vielen Infektionen als Zweitlinie auf. Es hat ein gar nicht so schmales Wirkspektrum, aber es macht quasi kaum Resistenzen. Es ist sehr gut verträglich, es ist extrem billig und es ist eine winzige Tablette am Tag. Das heißt für Patienten, wo ich mir denke, die Compliance könnte ein Problem sein, ist es eine exzellente Alternative. Und man kann sagen, quasi den Erfahrungswert eines Infektiologen kann man daran messen, wie toll er Doxycyclin findet. Insofern bist du quasi Infektiologie ehrenhalber.

Axel Enninger: Ich bin gar kein Infektiologe, ich liebe dieses Antibiotikum trotzdem. Okay, du hast es gerade schon erwähnt. Compliance ist ein Thema und das ist bei Doxy wirklich super, kleine Tablette, einmal am Tag. Und in der Tat müssen wir drauf achten: Geschmack und Darreichungsform ist tatsächlich wichtig, abgesehen davon, dass es natürlich einfach dosierbar sein soll. Jetzt, Friedrich, bist du ja schon eine ganze Weile Infektiologe und wir haben vorhin schon gesagt, wir wollen jetzt nicht die „Klinik-Besserwisser“ sein, aber du darfst vielleicht trotzdem so ein paar Dinge sagen, die dich nerven aus infektiologischer Sicht.
Cephalosporine jenseits der ersten Generation in der ambulanten Pädiatrie nur beim
Friedrich Reichert: Also was mich nervt, wenn ich Kinder in der Notaufnahme oder auf Station sehe, die ambulant ein Antibiotikum wegen eines Atemwegsinfekts bekommen haben, was ja wie gesagt in manchen Fällen durchaus eine Überlegung wert sein kann. Aber wenn das dann Cefpodoxim ist… Cefpodoxim ist ein Drittgeneration-Cephalosporin, die machen den höchsten Resistenzdruck. Die wirken gut im gram-negativen Bereich, aber schlecht im gram-positiven. Und primär will ich die gram-positiven Atemwegsinfekt-Erreger behandeln. Und das macht einfach… das ist irrational. Cefpodoxim bei Atemwegsinfekten hat keine Wertigkeit. Also Cephalosporine jenseits der ersten Generation sind in der ambulanten Pädiatrie eigentlich nur beim Harnwegsinfekt sinnvoll. Bei allem anderen kann man sich das schenken. Cefuroxim, orales Cephalosporin der zweiten Generation, hat eigentlich gar keine Daseinsberechtigung mehr. Es gibt Länder, da gibt es das nicht und die vermissen es auch nicht. Das ist einfach für quasi alles „zu breit“. Außerdem wird es extrem schlecht resorbiert. Orale Bioverfügbarkeit ist 20 bis 40 % und die restlichen 60 bis 80 % selektieren resistente Erreger im Mikrobiom.

Axel Enninger: Okay, kann man vielleicht sagen, auch ganz selbstkritisch: Gab es früher im Olgahospital ziemlich häufig. Es gab auch den Spitznamen „Olgacef“. Also Cefuroxim haben wir früher tatsächlich eher wie Smarties verteilt. Das machen wir auf keinen Fall mehr und das haben wir deutlich verändert. Was nervt noch?

Bitte kein Automatismus bei hohem CRP
Friedrich Reichert: Wenn relativ direktiv gesagt wird: ‚Hohes CRP – der braucht jetzt Antibiotika.‘ Da muss man sagen, CRP ist ein Inflammationsmarker und kein Infektionsmarker. Der kann schon manchmal helfen, um zu sagen, ob das Geschehen tendenziell eher in Richtung viral geht, oder ob relevant bakterielle Infektionen mit dabei sind. Da gibt es so Grenzen unter 5 bzw. 50 ist quasi nie bakteriell und über 10 bzw. 100 tendenziell schon eher. Aber man muss wissen, es gibt einfach auch virale Atemwegserreger. Die Adenoviren zum Beispiel, die machen wahnsinnig hohes CRP. EBV bei einem Teenager: Die haben eigentlich immer ein CRP von 10 bis 15. Ein hohes CRP ist einfach kein Antibiotika-Mangelzustand. Also das hilft einem im Gesamtbild, aber manchmal wird es sich ein bisschen einfach gemacht und gesagt: ‚Hier, der hat ein hohes CRP, deswegen behandele ich den jetzt mit Antibiotika.‘ Das ist nicht Sinn der Sache.

Axel Enninger: Wunderbar. Wir kommen zum Schluss unseres Gesprächs und da gibt es den traditionellen Teil Dos & Don’ts. Mit Dos gemeint, Dinge, die du gerne positiv vermitteln möchtest, und Dinge, von denen du findest, dass sie wichtig sind. Und bei den Don‘ts das genaue Gegenteil. Also, was dich nervt, hast du vorhin schon gesagt, also wovon du dann vielleicht dringend abrätst. Die Reihenfolge darfst du bestimmen.
Antibiotikum wirklich nötig? Welches passt? Pragmatisch bleiben!
Friedrich Reichert: Also, das Do ist es, wirklich vor jeder Antibiotikaverordnung noch mal kurz in sich gehen und zu überlegen: Ist es wirklich nötig? Was ist das Ziel der Behandlung? Ist es gerechtfertigt? Das auch offen mit den Eltern besprechen und dann überlegen: Welche Keime will ich abdecken? Welches Antibiotikum ist dafür das Richtige? Und welche Dauer ist die adäquate für das Therapieziel, das ich erreichen will? Bei den Don‘ts ist es dieses sich akribisch an Zahlen halten. Da muss ich einfach für mehr Pragmatismus plädieren. Wenn zum Beispiel jetzt einer 3 Tage behandelt ist und kommt dann zur Kontrolle und dann geht es ihm eigentlich wieder gut und es hieß: ‚Ja, eigentlich wollen wir den 5 oder 7 Tage behandeln.‘ Man kann sich dann immer überlegen: Wenn ich ihn jetzt zum ersten Mal sehen würde, würde ich eine Antibiotikatherapie anfangen, ja oder nein? Und wenn nein, dann kann man sie ja auch beenden, wenn sie schon läuft.

Axel Enninger: Sehr schön. Vielen herzlichen Dank. Normalerweise kriegt der Gast hier bei uns keine Schlussworte, aber wir machen jetzt mal eine Ausnahme. Möchtest du noch Schlussworte sagen?

Friedrich Reichert: Ja, wenn du es mir schon anbietest. Also einerseits wichtig ist: Antibiotika sind nicht verboten, aber sie müssen einfach sehr gut begründet sein. Und das Zweite, das hatte ich eben schon erwähnt: Weder Fieber noch erhöhtes CRP sind „Antibiotikamangel-Zustände“!

Axel Enninger: Friedrich, vielen, vielen Dank für dieses sehr informative Gespräch und Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, herzlichen Dank fürs Zuhören. Wenn es Ihnen gefallen hat, freuen wir uns natürlich über eine positive Bewertung, Likes, Sternchen, was auch immer für eine Plattform Sie benutzen. Wir freuen uns immer über Hinweise auf Themen, Hinweise auf Referentinnen oder Referenten und wie immer können Sie die wesentlichen Punkte, die wir besprochen haben, in den Shownotes nachlesen. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.

Sprecherin: Das war consilium, der Pädiatrie-Podcast. Vielen Dank, dass Sie reingehört haben. Wir hoffen, es hat Ihnen gefallen und dass Sie das nächste Mal wieder dabei sind. Bitte bewerten Sie diesen Podcast und vor allem empfehlen Sie ihn Ihren Kollegen. Schreiben Sie uns gerne bei Anmerkung und Rückmeldung an die E-Mail-Adresse consilium@infectopharm.com. Die E-Mail-Adresse finden Sie auch noch in den Shownotes. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge!

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