consilium - DER PÄDIATRIE-PODCAST - Folge #26 - 07.04.2023
consilium – der Pädiatrie-Podcast
mit Dr. Axel Enninger
Viraler Krupp
Axel Enninger: Heute spreche ich mit:
Privatdozent Dr. Tobias Ankermann.
DR. AXEL ENNINGER…
… ist Kinder- und Jugendarzt aus Überzeugung und mit Leib und Seele. Er ist ärztlicher Direktor der Allgemeinen und Speziellen Pädiatrie am Klinikum Stuttgart, besser bekannt als das Olgahospital – in Stuttgart „das Olgäle“ genannt.
Axel
Enninger:
Herzlich willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zu einer neuen Folge von consilium,
dem Pädiatrie-Podcast. Heute sprechen wir über „Pseudokrupp“, und mein Gast
dazu ist Privatdozent Dr. Tobias Ankermann. Er ist Kinder- und Jugendarzt,
Kinderpneumologe und er ist Chefarzt der städtischen Kinderklinik in Kiel.
Herzlich willkommen, Tobias!
Tobias
Ankermann: Hallo,
lieber Axel!
Axel
Enninger: Wir
reden heute über „Pseudokrupp“ oder über „subglottische Laryngitis“ oder über „viraler
Krupp“. Worüber reden wir denn heute?
Tobias
Ankermann: Wir
reden pathologisch-anatomisch über eine „subglottische Laryngitis“ und über
eine überwiegend durch Virusinfektionen verursachte Erkrankung,
Virusinfektionen der oberen Atemwege beziehungsweise der Regio subglottis.
Pseudokrupp ist ein Ausdruck, der sich eingebürgert hat. Eigentlich versteht
man unter dem Krupp den diphtherischen Krupp, und wenn es eben nicht durch
Diphtherie verursacht ist, wie in den meisten der Fälle, dann ist es der „Pseudo-“,
der „falsche Krupp“. Gebildeten Eltern sollte man das nicht sagen, denn ihre
Kinder haben ja einen Krupp und sind nicht falsch.
Axel
Enninger: Also,
das heißt, welche Bezeichnung wollt ihr gerne haben?
Tobias
Ankermann: Eigentlich
ist „subglottische Laryngitis“ die korrekte medizinische Bezeichnung, aber der
Krupp hat sich eingebürgert. Die Eltern sagen ja: „Das Kind kruppt.“
Axel Enninger: Also reden über die „subglottische Laryngitis“, würde ich
sagen. Wir versuchen es exakt zu machen. Du hast es vorhin schon erwähnt, Diphtherie,
haben wir lange gedacht, ist „over“. Stimmt aber gar nicht?
Dr.
Tobias Ankermann: Wir haben einfach einen hohen Anteil von Menschen, die zugewandert
sind, die nicht geimpft sind, und Diphtherie kommt vor. Es ist und bleibt
selten, aber es kommt vor, und man muss dann auch an solche seltenen
Differenzialdiagnosen denken. Das gibt es. So muss man es sich vermerken.
Häufig ist die Differenzialdiagnose „richtiger Krupp“ oder „diphtherischer
Krupp“ aber nicht.
Axel
Enninger: Wir
hatten jetzt ein paar Kinder mit Hautdiphtherie, das gibt es schon. Man muss
tatsächlich wieder daran denken und es ist nicht so, dass wir einen Haken dahinter
machen können. Wieso kriege ich denn einen Krupp? Was passiert denn?
Tobias
Ankermann: Also,
die Virusinfektion findet generell in Atemwegen statt, aber es kommt bei dazu
prädestinierten Menschen, die eine enge Regio subglottis haben… Die
Subglottis ist tatsächlich etwa bis zum achten Lebensjahr die engste Stelle im
Atemwegsystem, es gibt natürlich eine große Breite. Wenn die Regio subglottis
anschwillt aufgrund einer viralen Infektion, wenn es zu entzündlichen Ödemen
kommt und diese Region anschwillt, hört man dieses Stenose-Geräusch: inspiratorisch,
wenn es normal ist, mit einem bellenden Husten, der ganz charakteristisch ist
als Symptom dieser subglottischen Schwellung. Also, die Regio subglottis
schwillt.
Je kleiner, desto häufiger mit
linksschiefer Verteilungskurve
Axel
Enninger: Ich
stelle es mir jetzt einmal einfach vor: Ich habe da einen Schlauch, und wenn
der Schlauch dick genug ist, macht eine Schwellung nichts mehr. Ab dem
Zeitpunkt bekomme ich keinen Pseudokrupp mehr – ah, guck, habe ich wieder
„Pseudokruppp“ gesagt – kriege ich keine subglottische Laryngitis mehr [Lachen].
Das heißt, das typische Alter dafür ist was?
Tobias
Ankermann: Das
typische Alter sind Kleinkinder, erstes bis viertes Lebensjahr, das ist der
Gipfel, aber theoretisch auch noch später, bei Leuten, bei denen die Regio subglottis
langsam wächst. Im höheren Lebensalter, so ab der Pubertät, wenn das
Larynx-Wachstum stark ist, ist das eigentlich eher selten. Da muss man immer an
andere Dinge denken. Typisches Alter ist das Kleinkindalter, und dann
linksschief zu den eher Kleineren hin, einfach, weil es zu der Zeit da am
engsten ist.
Axel
Enninger: Okay.
Mit „linksschief“ meinst du die Verteilungskurve?
Tobias
Ankermann: Ja,
die Verteilungskurve mit x-Achse Alter, Häufigkeit auf der y-Achse, und dann
ist es immer linksschief, also Kinderarzt. Kleinere bekommen es häufiger.
Axel Enninger: Je kleiner, desto häufiger mit linksschiefer Verteilungskurve,
sehr coole Bezeichnung, kannte ich jetzt noch nicht. Sehr gut. Und was ist es
denn? Ist es ein Infekt? Ist Feinstaub? Wieso passiert es?
Tobias
Ankermann: Eine
Erkrankung aufgrund einer Infektion. Infekt ist ja die Aufnahme eines Erregers
und die Vermehrung desselben im Makroorganismus. Eine Infektion ist die
Ursache, und dann kommt es zu einer immunologischen Reaktion mit einer
Schwellung in der Subglottis. Die häufigsten Erreger sind Viren, mit Abstand
die häufigsten Erreger. Das häufigste, zumindest bei uns, ist das Parainfluenza-Virus.
Die Infektion führt zu einer subglottischen Entzündung und zu der Enge, die wir
dann da haben. Andere Viren können das genauso machen, das ist nicht exklusiv
für Parainfluenza-Viren, aber die sind die häufigsten Erreger.
Axel
Enninger: Die
Tatsache, dass es verschiedene Erreger sind, ist dann wahrscheinlich auch die
Erklärung dafür, dass es nicht so eine krasse Saisonalität wie zum Beispiel bei
RSV gibt?
„Pseudokrupp“ typisch für die
Wechselzeiten in Frühjahr und Herbst
Tobias
Ankermann: Es
gibt – bisher gab es, muss man jetzt Post-Corona sagen – eine relative
Saisonalität in den Wechselzeiten. Früher war die typische
Pseudokrupp-Häufigkeit so Ende Februar bis Mitte April und September bis
längstenfalls Ende Oktober, Anfang November. Außerhalb dieser Zeiten gab es
immer einmal einzelne Fälle, aber das ist die typische Zeit durch die Saisonalität
der Parainfluenza-Viren. Das ist nicht so streng, aber das gibt es. Ob das
jetzt wiederkommt, muss man sehen.
Axel
Enninger: Das
wissen wir nicht. Momentan sind ja tatsächlich alle Virusinfektionen ein
bisschen aus dem Rhythmus geraten. Zum Zeitpunkt Ende Januar 2023 ist RS gerade
schon wieder heftig abgeflacht. Influenza ist offensichtlich auch schon wieder
heruntergegangen, aber ich traue dem Braten noch nicht so ganz, dass dieser
Winter viral schon vorbei sein soll.
Tobias
Ankermann: Er
kommt noch. Was auch erstaunlich war, und was beim Krupp oder Pseudokrupp
wichtig war: Wir haben auch eine Corona-Variante gehabt, die prädestiniert,
häufiger eine subglottische Laryngitis gemacht hat, so dass viele Kinder, die
in Anführungsstrichen „gekruppt“ haben, mit dem klassischen Kruppsyndrom aus
bellendem Husten und inspiratorischem Stridor gekommen sind, eine
COVID-19-Erkrankung hatten und eine Corona SARS-CoV-2-Infektion.
Feinstaub plus virale Infektion
Axel
Enninger: Als
ich studierte, gab es relativ viele Diskussionen über das Thema Feinstaub,
Umweltverschmutzung als Triggerfaktor. Was ist da dran?
Tobias
Ankermann: Dazu
gibt es inzwischen gute Daten, sogar Interventionsstudien. Wir wissen, dass die
Häufigkeit einer viralen subglottischen Laryngitis von der Feinstaubbelastung
abhängig ist. Je höher die ist, desto höher ist die Inzidenz und Prävalenz
dieser Erkrankung. Es gibt auch Interventionsstudien. In Kalifornien hat man in
einer kleinen Ansiedlung aus mehreren sozial unterschiedlichen Populationen die
Feinstaubbelastung per Dekret herabgesetzt und das über 20 Jahre beobachtet.
Man kann sehen, dass dort alle Atemwegsinfektionen bei Kindern, aber
insbesondere der Pseudokrupp, abnehmen. Eine Interventionsstudie zeigt, dass es
eine Korrelation gibt, dass in Gegenden, wo die Feinstaubbelastung höher ist,
auch die Inzidenz des Pseudokrupps höher ist. Das ist ein aber ein Kofaktor, es
ist eine virale Infektion.
Axel
Enninger: Wie
reduziere ich per Dekret die Feinstaubbelastung?
Tobias
Ankermann: Sie
haben zum Beispiel keine Dieselfahrzeuge in der Gegend zugelassen, generell den
Straßenverkehr in diesen drei kleineren Siedlungen heruntergedreht, mit
öffentlichen Verkehrsmitteln die Gesamtbelastung, und auch mit anderen
Maßnahmen, die Befeuerungstechnik und so etwas verändert. Mit mehreren
Interventionen, die eine signifikante Senkung bewirkt haben, das ist als Interventionsparameter
gemessen worden; die Feinstaubbelastung – insbesondere 2,5 µm und 5 µm, also
die kleinen, wirklich ganz feinen Stäube reduziert, das gemessen und
beobachtet.
Axel
Enninger: Das
heißt, du würdest du sagen, dass so etwas wie die Feinstaubverordnung in
Stuttgart – also Dieselfahrzeuge nur ab einer bestimmten Stufe, keine offenen
Kamine – dass das durchaus sinnvoll ist für die Kindergesundheit?
Tobias
Ankermann: Es
ist sinnvoll, solche Interventionen zu machen. Ob diese Interventionen den
Feinstaub wirklich zurückdrängen, das kann ich nicht beurteilen. Ich fahre
einen ganz alten Diesel, da kommen hinten überwiegend Briketts heraus und kein
kleiner Feinstaub, was schlimm ist. Aber ich glaube, wir müssen ganz
herunterkommen, um langfristig Gesundheit und Umwelt zu schonen.
Axel
Enninger: Das
heißt, nach Stuttgart kämst du mit deinem Diesel nicht mehr herein?
Tobias
Ankermann: Nein,
da komme ich nicht mehr herein. Ich bin aber schon einmal verbotenerweise
hereingefahren.
Axel
Enninger: Das
heißt, das, was in den Achtzigern diskutiert wurde: „Das hat etwas mit der
Umwelt zu tun“, dafür gab es damals keine guten Belege, sondern eher so ein
Gefühl, das, würdest du sagen, ist mittlerweile durch Studien bekräftigt und
bewiesen?
Tobias
Ankermann: Wir
haben Daten.
Axel
Enninger: Das
heißt, wir haben das Thema Feinstaub plus virale Infektionen. Okay. Jetzt fragt
man sich natürlich, warum wir eigentlich über subglottische Laryngitis reden
müssen, wenn die Klinik so eindeutig ist. Das ist ja eine Diagnose, die stellen
wir, wenn die Mutter anruft und sagt: „Mein Kind hustet so komisch“. Man hört
es im Hintergrund und kann schon am Telefon sagen: „Das ist eine subglottische
Laryngitis. Sie können herkommen oder auch nicht.“ Warum findest du es wichtig,
dass wir uns damit beschäftigen? Gibt es Dinge, die wir unbedingt
differenzialdiagnostisch und auch therapeutisch beachten müssten? Fangen wir
einmal mit der Diagnose an.
Tobias
Ankermann: Ich
möchte ein Stück früher anfangen, mit der Angst der Eltern. Der erste
Pseudokruppanfall, die erste subglottische Laryngitis des Kindes ist unendlich
bedrohlich. Wenn man es mehrfach gesehen hat und das Management kennt, ist es
das nicht mehr. Das ist wichtig, weil es einfach ein kleines Kind mit Atemnot
ist. Der zweite Teil ist, dass man tatsächlich das Kruppsyndrom wahrscheinlich
am Telefon erkennt, wenn das Kind im Hintergrund hustet und man den inspiratorischen
Stridor hört, aber dass es seltene Differenzialdiagnosen gibt, wo es doch ganz
gut ist, wenn man sich das Kind anschaut.
Differenzialdiagnosen
Tobias
Ankermann: Wichtig
ist, dass es ganz, ganz selten eine bakterielle Infektion der Regio subglottis
geben kann. Das betrifft überwiegend ältere Kleinkinder, also nicht zwischen
einem und zwei Jahren, die sind so zwischen zwei und vier Jahren alt, und die
werden schwer krank, das ist eine lebensbedrohliche Erkrankung. Da ist häufig der
Aspekt entscheidend: Die Kinder haben zu Beginn das normale klinische Bild,
also guter Allgemeinzustand, eher subfebrile Temperatur bis 38,0 °C, nicht 38,5
°C, wie wir Kinderärzte denken, sondern wie in der WHO-Definition: Fieber mit
38,0 °C – und werden dann rapide in den zweiten 24 Stunden schwer krank. Das
sieht man eigentlich, wenn man die Kinder sieht, weil sie einen septischen
Aspekt bieten.
Axel
Enninger: Das
heißt, sie husten nicht nur besonders, sondern da kommt der typische Husten,
der typische Stridor, plus x, und x wäre in diesem Fall, sie wirken krank plus
Fieber. Da muss man dann sagen: „Hier ist irgendetwas faul. Das ist mehr als
die übliche subglottische Laryngitis.“
Tobias
Ankermann: Natürlich
gehört trotz allem die Anamnese dazu, weil die Differenzialdiagnose eine
Fremdkörper-Ingestion ist. Klassiker ist die Münze, früher das Markstück oder
das Zweimarkstück, Fünfmarkstücke gibt es ja schon lange nicht mehr, also die
etwas größeren Geldstücke, die sich in der oberen Ösophagusenge fixieren,
gerade einstellen. Die Kinder trinken nur Flüssigkeit, es gibt keine
Schluckstörung, aber durch die ventral links vor der Speiseröhre liegende
Trachea beziehungsweise den oberen Larynx gibt es das Kruppsyndrom, bellenden
Husten, inspiratorischen Stridor als Leitsymptom. Das kommt vor. Wenn du auf
die Diphtherie hinweist, muss man auch auf diese Dinge hinweisen. Das gibt es
tatsächlich. Ich glaube, jeder von uns hatte das einmal, dieses Geldstück da
oben mit Stridor, und alle hören das Kind ab und sagen: „Er hat gar keine
Infektion.“
Axel
Enninger: Wobei
dabei der Anamnese- und Vorstellungszeitpunkt immer noch wichtig sind. Das
passiert ja selten nachts um drei. Beim Pseudokrupp kommen sie ja eher nachts,
die mit der Münze kommen eher tagsüber.
Tobias
Ankermann: Das
ist so, aber du weißt: Kinder sind Anarchisten.
Axel
Enninger: Absolut.
[Lachen].
Tobias
Ankermann: Münzen
werden zu jeder Zeit verschluckt, wenn die Kinder wach werden.
Warnzeichen
Axel
Enninger: Okay,
daran denken wir auch. Gibt es denn aus deiner Sicht Warnhinweise, wo du sagen
würdest: „Lieber junger Assistent, sei dir jetzt einmal nicht zu sicher. Es
gibt noch Aspekte eins, zwei, drei, vier, fünf, auf die du bitte achten
solltest.“
Tobias
Ankermann: Gesprochen
haben wir über den septischen Aspekt, die verzögerte kapilläre Re-Füllung als
Zeichen der gestörten Mikrozirkulation, hohes Fieber. Was ganz wichtig ist:
Wenn der Stridor leiser wird, ist das ein absolutes Warnzeichen, das heißt, die
Stenose wird enger, und wenn es zu exspiratorischen Geräuschen kommt. Auch das
ist eigentlich untypisch. Wenn der Stridor biphasisch wird, das ist der
Ausdruck, der in den Lehrbüchern steht, das sind die klassischen Warnzeichen.
Der Worst Case ist, wenn der Stridor leiser wird, und das Kind wird schlechter.
Das heißt nämlich auf Deutsch gesagt, dass ich nicht mehr genug Kraft habe, um
die Atemarbeit über die Stenose zu leisten, und werde schlechter. Das ist eine
absolute Notfallsituation, in der man aber die Ruhe bewahren sollte. Handeln,
ohne die eigene Beunruhigung und Ernsthaftigkeit weiterzugeben.
Axel
Enninger: Wichtiger
Punkt. Ich glaube, das gilt ja für fast jede Notfallsituation. Die
Notfallsituation erkennen und dann, sage ich mal, innerlich Gas geben, aber es
nicht unbedingt so tun, dass Patient und Eltern jetzt auch noch völlig in Panik
geraten. Ich glaube, das ist wirklich wichtig: Der Stridor wird leiser, und das
Kind verändert sich von agitiert zu immer mehr zurückziehend, beziehungsweise
es hängt, sage ich einmal, total schlapp in den Seilen. Dann muss man sagen:
„Hier ist Holland in Not.“ Warum ist dir das so wichtig, dass wir da trotzdem
einerseits die Situation erkennen, andererseits versuchen, weiterhin Ruhe
auszustrahlen?
Tobias
Ankermann: Physikalisch
Bernoulli- und Venturi-Effekt: Je höher der Fluss gegenüber einer gegebenen
Stenose ist, desto relevanter wird die Stenose. Das ist das, was wir machen,
wenn wir einen Gartenschlauch nehmen, und der bei gegebenem Fluss nicht
ausreicht, um die hinteren Pflanzen zu wässern. Dann machen wir eine Stenose,
wir drücken ihn oben zusammen. Je höher die Atemarbeit ist, das
Atemminutenvolumen – Tidalvolumen mal Atemfrequenz ist das Atemminutenvolumen –
wenn das steigt, dann wird die Stenose relevanter und das Kind kann sich
erschöpfen. Das wäre das vierte Warenzeichen: erhöhte Atemarbeit. Es ist
wichtig, dass man die Atemarbeit herunterkriegt, dass das Kind angstfrei
gehalten wird nach aller Möglichkeit. Nicht durch irgendwelche diagnostischen
Maßnahmen wie eine Racheninspektion womöglich, durch eine Blutentnahme und
andere Dinge, die zur Erhöhung des Atemminutenvolumens führen, die Stenose
artifiziell und funktionell verstärken. Deswegen Ruhe!
Unaufgeregte klinische Diagnose
Axel
Enninger: Genau,
Ruhe ist ja quasi schon Therapie. Das Gegenteil von Ruhe sind diagnostische
Maßnahmen, die vielleicht zweifelhaften Wert haben. Wie viel Diagnostik braucht
denn jemand mit einer subglottischen Laryngitis?
Tobias
Ankermann: Keine
klinische, über die Inspektion hinausgehende Diagnostik. Eher das klassische
Spiel des Kinderarztes: Nähe und Distanz, ich beunruhige das Kind nicht durch
meine Nähe. Typische Situation: Der Notarzt mit roter Jacke und zwei Männer,
die ihm die Koffer tragen, werden ans Kinderbett zum atemnötigen Kind geholt.
Da gerät das Kind dann natürlich in Panik und dekompensiert. Distanz halten,
klinisch anschauen und untersuchen, erst einmal keine Maßnahmen, die das Kind
weiter beunruhigen können. Mehr ist eigentlich in dem Fall auch nicht nötig, weil
den septischen Aspekt… Man kann die kapilläre Re-Füllung prüfen. Was auch
häufig gemacht wird, das gibt es auch häufig in der Klinik, zur Einschätzung
der Atemstörung eine Pulsoxymetrie zu machen, das ist auch unnötig, denn
zuallererst sieht man die Einschränkung an der Atemarbeit. Thema ‚Red Flags‘. Wenn
die Sauerstoffsättigung bei einer subglottischen Stenose heruntergeht, dann ist
das sowieso nichts mehr, was auf peripheren Bereichen behandelt werden sollte.
Das wäre der Worst Case. Vorher ist der Stridor leiser geworden, vorher ist das
Kind in einem bedrohlichen Zustand. Die Sättigung ist schlecht, also auch die
weglassen. Die klinische Beurteilung, Sehen des Kruppsyndroms meint:
inspiratorischer Stridor, Frage: expiratorisch? – wenn nein, gut – bellender
Husten und die Atemarbeit ansehen. Das ist eine klinische Untersuchung, also Inspektion.
Axel
Enninger: Ganz
klar, es steht nicht mit unseren Standards, dass wir sagen: „Wir wollen erst
einmal eine Sauerstoffsättigung dran haben.“ Wir wollen keine BGA haben, wir
wollen niemanden haben, der da in den Rachen schaut. Alles, was das Kind
irritieren könnte und die Eltern auch irritieren könnte, versuchen wir zu
vermeiden. Man ist kein schlechter Doktor, wenn man nicht sofort das Stethoskop
zückt?
Tobias
Ankermann: Das
ist die Diskussion: Gibt es auch eine untere Atemwegsbeteiligung? Ja, es gibt
natürlich Virusinfektionen, die beides verursachen, auch eine untere
Atemwegsinfektion mit dem klinischen Symptom „obstruktive Ventilationsstörung“.
Tut gut, wenn man es macht, aber das kann man eigentlich auch dann tun, wenn
man die ersten Maßnahmen ergriffen hat. Das ist nicht die primäre
Versorgungsindikation.
Das
kann man nachher machen, wenn man Zeit gewonnen hat, zum Beispiel, wenn die
Schwester durch das Spiel aus Nähe und Distanz – ich nähere mich dir, gehe
wieder weg, ich mache nichts Gefährliches, ich habe dir höchstens Medikamente
gegeben, die dir jetzt helfen – dann kann man immer noch das Stethoskop
draufhalten und mehr zur Differenzialdiagnostik erfahren.
Axel
Enninger: Das
heißt, klinische Diagnose, die ja eigentlich super ist, deswegen sind wir ja so
gerne Kinder- und Jugendärzte, also ich jedenfalls. Du wahrscheinlich auch,
oder?
Tobias
Ankermann: Gerne,
ja!
Mittel der ersten Wahl sind
Glukokortikoide – idealerweise als Saft
Axel
Enninger: Weil
wir klinisch so viel herausbekommen… Gelassenheit ausstrahlen, aber, wenn es
dann ist, wie es ist, und der bellende Husten ist da, der Stridor ist da, dann
muss ich ja doch irgendwie etwas tun. Ich muss anfangen zu behandeln. Was ist
da dein Vorschlag?
Tobias
Ankermann: Das
Mittel der ersten Wahl sind Glukokortikoide in ausreichender Dosis. In
Deutschland wird das noch überwiegend rektal gemacht. Außerhalb von Deutschland
wird man immer ein bisschen schräg angeguckt. Ich erinnere mich gut an ein
Gespräch mit einem britischen Kollegen, der die Augen verdreht hat: „Oh, rectal
application. You like it in Germany?“ Ja, das machen wir häufig. Da müssen wir
sehr hoch dosieren. Prednisolon, Prednison mit 2 mg/kg KG wäre die Normdosis,
tatsächlich geben wir pauschal 100 mg bei Kindern, die um 10 kg bis maximal 15
Kilogramm wiegen. Das ist überdosiert, das liegt daran, dass die rektale
Absorption stark schwankt. Wir können 100 % haben, dann haben wir richtig viel
gegeben, schadet aber nichts, und wenn es wenig ist, dann liegen wir nur bei 20
% bei der rektalen Applikation. Das kommt an.
Axel
Enninger: Ein
Zäpfchen zu geben bei einem Kind, was Atemnot hat und das in aller Regel nicht
besonders gut findet, ist auch eher eine eingreifende Intervention, die wir
eigentlich ja nicht wollen.
Tobias
Ankermann: Eigentlich
wollen wir das nicht, das ist richtig. Es hat sich eingebürgert. Was wir tun
würden, was übrigens auch die Empfehlung ist, was weltweit gemacht wird – die
rektale Applikation ist wirklich speziell in Deutschland – ist die orale Gabe
von Glukokortikoiden, Prednisolon 1–2 mg/kg KG. Idealerweise als Saft, weil
diese Tabletten ziemlich unangenehm sind, wenn sie überhaupt heruntergehen in
der Situation, und die Säfte gehen eigentlich gut. Oder Dexamethason, da gibt’s
dann auch verschiedene Dosierungen, 0,15 bis 0,3 bis 0,6 mg/kg KG. Das ist
aber, glaube ich, nicht ganz so entscheidend. Wichtig ist, dass man eine hohe
Dosis kriegt, das Minimum ist 1mg/kg KG Prednisolon / Prednison oder 0,15 mg/kg
KG Dexamethason, weil die Wirkung nicht auf einer Antiinflammation beruht,
sondern auf einer Vasokonstriktion der Vasa privata, einer akuten
antiödematösen Wirkung, die die Regio subglottis abschwellen lässt.
Axel
Enninger: Das
heißt für unsere jüngeren Zuhörerinnen und Zuhörer, dass man mit einer zu hohen
Dosis eigentlich nichts falsch machen kann, mit einer zu niedrigen aber
durchaus schon.
Tobias
Ankermann: Das
ist definitiv richtig. Eine zu hohe Dosis macht gar nichts, im Gegenteil, wenn
die drin ist, ist es gut, und es gibt auch gute Metaanalysen, die einem ein
breites Kreuz geben, dass eine sehr hohe singuläre Intervention keine Probleme
macht.
Axel
Enninger: Das
finde ich immer wichtig, dass man sagt: „Du machst nichts falsch, wenn du zu
viel gibst.“ Eine Einmaldosis Kortison macht überhaupt gar nichts. Wenn du aber
zu vorsichtig bist und zu wenig gibst, dann hilfst du nicht, dann hast du viel
Intervention für wenig Effekt.
Tobias
Ankermann: Ja.
Und was man auch immer noch wissen muss, das ist aber sicher keine
Primärmaßnahme: Was gut untersucht ist, auch was die Evidenz betrifft, ist die
Inhalation von Glukokortikoiden. Da stellt sich dann aber immer die Frage, wie
irritiert ist das Kind mit der Maske vor der Nase ist. Wie sitzt die wirklich
drauf? Ein Mundstück in dem Alter, in dem die Kinder häufig kommen, ist ohnehin
schwierig. Man muss nur wissen, dass das bei den verfügbaren pharmakologischen
Interventionen dabei ist, und dass es als Add-on-Therapie manchmal bei
kritischen Situationen sinnvoll ist, es noch zusätzlich zu machen, wenn das
Kind keine Abwehr mehr zeigt oder Ähnliches. Auf der Intensivstation ist es
tatsächlich auch additiv manchmal eine sinnvolle Maßnahme, noch zusätzlich zu
inhalieren. Das wäre dann zum Beispiel Budesonid zum Beispiel.
Sitzend auf Mamas oder Papas Schoss
Axel
Enninger: Jetzt
habe ich ein orales Kortison gegeben. Wann habe ich einen Effekt zu erwarten?
Tobias
Ankermann: Also, nach 20 bis 30 Minuten sollte ich etwas sehen. Es gibt
Kinder, die reagieren früher, und es gibt Kinder, die reagieren später. Wichtig
ist übrigens noch, wir sind schon bei der Pharmakologie: Was man immer
tun sollte, ist ein liegendes Kind aufrichten. Der hydrostatische Druck auf die
Regio subglottis ist beim liegenden Kind hoch, das heißt, da kommt es
bei den gestörten Kapillaren zum Flüssigkeitsaustritt. Wenn man das Kind
hochnimmt, auf den Arm, und es aufrechter hält, wird es erstens beruhigt,
idealerweise sollten das die Mutter tun – nicht der Arzt oder die Schwester –
oder der Vater, und durch das Sinken des hydrostatischen Drucks kommt es auch
zu einer antiödematösen Wirkung.
Axel
Enninger: Das
ist ja witzigerweise auch so, wie Eltern instinktiverweise ihre Kinder meistens
präsentieren. Das ist ja tatsächlich so. Die Kinder werden gebracht in
aufrechter Position auf dem Arm der Eltern. Das machen die Eltern instinktiv
richtig, und so sollte man es durchaus auch lassen.
Tobias
Ankermann: Genau,
und nach Möglichkeit auch nach der Intervention so lange halten oder nachher
aufrecht hinsetzen, wenn das Kind ins Bett gesetzt wird.
Stellenwert von inhalativem Adrenalin
Axel
Enninger: Du
hast jetzt gesagt, 15 bis 30 Minuten. Da warte ich auch erst einmal ab, wenn
das Kind sich nicht rapide klinisch verschlechtert und sage: „Jetzt lassen wir
es einmal in Ruhe und gucken.“ Wir hatten einmal eine Phase, da war es auf
einmal total hipp, mit Adrenalin zu inhalieren. Alle inhalierten irgendwie mit
Adrenalin. Was für eine Rolle spielt denn das noch?
Tobias
Ankermann: Adrenalin
hat eine Rolle, aber eigentlich dann, wenn die Glukokortikoide nicht wirksam
sind. Das ist eine zweite Stufe, die man machen kann. Tatsächlich gibt es
inzwischen sogar Daten, die sagen, dass man bei manchen Kindern damit auskommt,
nur das zu machen, aber die Rezidivgefahr, an die denkt man, wenn man das
relativ kurz wirksame Adrenalin gibt, das über denselben Mechanismus wirkt,
Vasokonstriktion über Alpharezeptoren. Aber eigentlich verstehen wir das aber
als Add-on-Therapie bei ausbleibender klinischer Besserung unter inhalativen
Glukokortikoiden. Dann würde man es inhalieren oder auch vernebeln. Nebel heißt
ja, dass ich es sehe, das heißt große Tröpfchen. Es ist wichtig, dass man das
Adrenalin dann über einen Düsenvernebler oder über Vernebler gibt, die große
Partikelgrößen machen, also PARI BOY oder entsprechende Verneblertypen, die zu
großen Teilchen führen. „Düsenvernebler“ ist das Stichwort dazu.
Axel
Enninger: Du
hast auch gerade schon gesagt, aber das sollten wir, glaube ich, noch einmal
betonen: Das ist schnell da, aber auch schnell wieder weg. Das heißt, ich habe
da eigentlich eine Schwellung des subglottischen Raumes, die Schwellung mache
ich ein bisschen besser mit Adrenalin, aber wenn die Wirkung des Adrenalins
nachgelassen hat, ist natürlich das Grundthema der Infektion mit der
Schleimhautschwellung immer noch da. Das heißt, da darf man sich nicht dadurch
täuschen lassen, dass das Kind auf einmal puppenlustig ist und man den Stridor
nicht mehr hört. Das kann nach einer halben Stunde schon wieder anders sein.
Tobias
Ankermann: Da
gibt es viele Untersuchungen. Wie lange sollen sie denn jetzt im Emergency Room
sein? Es kommt meist aus den Ländern, wo es so etwas gibt. Man ist im Moment
der Meinung, dass die Frage ist: „Müssen wir das Kind aufnehmen? Ja oder nein?“
Wenn man es vier Stunden überwachen kann, wenn das personell möglich ist, was
einfach bei unseren Gegebenheiten nicht immer möglich sein wird, dann kann man
es nach vier Stunden gehen lassen, wenn man Glukokortikoide gegeben hat nach
Adrenalin, oder wenn die Glukokortikoide gewirkt haben. Wenn nicht, macht es
Sinn, sich das stationär anzugucken.
Axel
Enninger: Das
heißt, Adrenalin-Inhalation nach Glukokortikoiden. Andere Inhalationen? Die
Mutter hat es zum ersten Mal erlebt, das ältere Geschwisterkind hat Asthma, sie
hat ein Inhalationsgerät zu Hause, und sie hat schon einmal ein bisschen
Kochsalz vernebelt. Hilft das?
Tobias
Ankermann: Das
hilft nicht, hat keinen Effekt. Es kann sein, dass es beruhigend wirkt. Die
Kinder, die es gewohnt sind oder die eine Erfahrung damit haben, können
natürlich die Atemfrequenz… aber eine pharmakologische Wirkung ist aber nicht
zu erwarten. Jetzt kommt natürlich die Frage: Wie ist das mit Salbutamol? Das
kann unter Umständen kontraproduktiv…
Axel
Enninger: Woher
wusstest du, dass ich das jetzt fragen würde?
Tobias
Ankermann: Du
hast so geguckt. [Lachen] Salbutamol als Beta-2-Sympathomimetikum kann zur
Erhöhung des Atemminutenvolumens führen, zu einer Erhöhung der Atemfrequenz –
so ganz beta-2-selektiv ist es eben doch nicht – und das wäre kontraproduktiv.
Achtung! Hat man eine untere Atemwegsbeteiligung und kontrolliert die
subglottische Entzündung, dann kann es wieder hinkommen. Bei der
Primärversorgung hat es aber nichts verloren.
Axel
Enninger: Wir
können noch einmal festhalten: Glukokortikoide „number one“. Wir beide würden
es, glaube ich, jetzt schon à la internationalem Standard als orale Applikation
geben – wir müssen diesen deutschen Weg der rektalen Applikationen nicht
unbedingt fördern – und Inhalation mit Adrenalin als zweiten „step“.
Tobias
Ankermann: Zweiter
„step“, und man kann natürlich Glukokortikoide nachgeben. Das macht nach zwei
oder vier Stunden Sinn, wenn es nicht zu einer Besserung kommt. Das ist aber
eine andere Therapie, das ist der komplizierte Verlauf.
Klinikaufnahme und Nachbeobachtung
Axel
Enninger: Jetzt
hatten wir vorhin das Thema „aufnehmen oder nicht aufnehmen“. Als ich
Assistenzarzt war, gab es die klare Regel: Der erste Pseudokruppanfall bei einem
Kind wird immer aufgenommen. Nach dem Motto: Man weiß nie, wie sich das
entwickelt. Das war aber auch noch zu einem Zeitraum, wo Hib noch eine Rolle
spielte und wo wir immer noch dachten: „Na ja, Epiglottitis ist ja nicht vom
Tisch.“ Die ist aber vom Tisch? Ich frage nur so als „Klammer auf, Klammer
zu“-Thema.
Tobias
Ankermann: Epiglottitis
durch Hib ist sehr selten geworden, aber es gibt sie auch durch andere virale
Erreger. Das ist das, was ich eben geschildert habe. Wenn man Warnzeichen hat,
wenn es nicht passt, wenn die Besserung unter Glukokortikoiden ausbleibt, es
wäre zum Beispiel noch einmal ein Marker zu sagen: „Wenn das Kind nicht besser
wird, dann muss es aufgenommen werden. Das muss ich ansehen und muss es
beobachten. Dazu ist ein Krankenhaus da.“ Wenn ich aber eine rasche Besserung
unter den Glukokortikoiden habe, dann kann man das Kind nach der Beobachtung
auch mit der ersten subglottischen Laryngitis, dem ersten Pseudokrupp,
entlassen.
Axel
Enninger: Wie
lange würdet ihr die beobachten?
Tobias
Ankermann: Wie
gesagt, wenn man die Möglichkeiten dazu hat, denke ich, sind es diese zwei bis
vier Stunden. Es ist eine riesige Diskussion, ich habe dazu einmal in der
Literatur nachgesehen. Beides ist, glaube ich, richtig. Sicher sind vier
Stunden, zwei Stunden sind evidenzbasiert und funktionieren auch. Ich würde den
Eltern auch Glukokortikoide mitgeben, oder sie verordnen, sodass die Eltern sie
holen können, und auf eine Rezidivmöglichkeit in der Folgenacht hinweisen.
Rezidive
Axel
Enninger: Die
Rezidivrate ist wie hoch?
Tobias
Ankermann: Ich
habe es einmal nachgesehen, weiß es aber im Moment nicht genau. Ich denke, sie
liegt in der Größenordnung zwischen fünf und zehn Prozent.
Axel
Enninger: Gilt
das für die folgende Nacht oder dafür, es später überhaupt noch einmal zu
bekommen?
Tobias
Ankermann: Das
gilt für die folgende Nacht. Die Möglichkeit, es überhaupt noch einmal zu
bekommen, ist signifikant höher.
Axel
Enninger: Das
ist deutlich höher?
Tobias
Ankermann: Ja.
Es geht um die Folgenacht. Danach hattest du gefragt, oder?
Axel
Enninger: Da
hatten wir uns missverstanden. Es sind zwei Themen. Wie hoch ist die
Wahrscheinlichkeit, in der nächsten Nacht noch einmal etwas zu bekommen?
Tobias
Ankermann: Das
sind ungefähr zehn Prozent.
Axel
Enninger: Der
zweite Punkt: „Kann das noch einmal wiederkomme?“, fragen die Eltern dann.
Tobias
Ankermann: Zwei
Drittel bekommen irgendwann einmal wieder einen Pseudokrupp. In der Regel im
ersten Winter oder dem Folgewinter und dann sind sie größer geworden. Das wäre
die Masse.
Dr.
Axel Enninger: Okay, und für den Fall geben wir wofür ein Rezept mit? Was wäre
deine Empfehlung?
Tobias
Ankermann: Orale
Glukokortikoide. Noch einmal die Realität: Oral ist Evidenz und Wissen.
Axel
Enninger: Genau.
Die Realität heißt, dass man ein Zäpfchen mitkriegt?
Tobias
Ankermann: Ja,
das ist in der Wirklichkeit häufig so. Die Säfte werden aber auch gut von den
Kindern angenommen. Wenn man es dann wirklich macht, dann geht es. Es geht ja weltweit
auch so.
Faustregel: Hochnehmen, Ruhe bewahren
und Kuscheln, vorhandene Glukokortikoide geben
Axel
Enninger: Okay,
darauf weise ich hin. Was sind die Handreichungen, Empfehlungen, die ihr Eltern
für den Fall gebt, dass es noch einmal wiederkommt? Kalte Luft, offenes
Fenster, den Wasserhahn im Badezimmer für feuchte Luft aufdrehen? Was empfehlt
ihr da?
Tobias
Ankermann: Das
kann ich kurz machen: weder für Dampf, noch für feuchte Luft, noch für offenes
Fenster, noch für feuchte Handtücher auf der Heizung. Fällt dir noch etwas ein?
Es gibt unendlich viele solcher Empfehlungen, die auch jetzt noch im Netz zu
finden sind. Es gibt null Evidenz. Das Entscheidende ist tatsächlich, und das
ist das offene Fenster, das Kind in den Arm zu nehmen und hochzunehmen. Darüber
hatten wir gesprochen. Das Zweite ist, Ruhe zu bewahren. Das Dritte ist – wir
haben über Feinstaub gesprochen – natürlich auch eine rauchfreie Umgebung. Wenn
jetzt im Wohnzimmer gerade geraucht worden ist und die Kinderzimmer geht auf,
dann macht das Öffnen des Fensters Sinn, damit diese
Feinstaubbelastung weg ist, die zu einem zusätzlichen Reiz wird. Also
Faustregel: Kind hochnehmen, Ruhe bewahren, Kuscheln, das Kind nach Möglichkeit
spüren zu lassen: „Damit können wir umgehen“, und dann vorhandene
Glukokortikoide geben. Die werden dann tatsächlich auch ganz gerne genommen. Und
wenn die Kinder erfahren haben, dass man davon besser wird, dann „schlabbern“
sie es.
Und bei Verschlechterung?
Axel
Enninger: Das
machen sie und dann haben wir die vorhin schon erwähnten 15 bis 20 Minuten, in
denen es besser werden muss. Was ist die Maßgabe, wann sie dann doch wieder in
die Klinik beziehungsweise zum Kinder- und Jugendarzt gehen sollten?
Tobias
Ankermann: Das
Kind verändert sich in der Atemarbeit, es atmet schneller, stärker. Dann das
exspiratorische Geräusch, das sollte nach Glukokortikoiden auf gar keinen Fall
da sein, und das Warnsymptom, der Stridor wird leiser. Kloßige Sprache, all die
anderen Differenzialdiagnosen. Es passt nicht dazu, dass es dem Kind nicht besser
geht. Das ist dann sicher ein Grund, noch einmal eine Konsultation
durchzuführen.
Axel
Enninger: Gehen
wir wieder zurück zu dem Kind, was wir jetzt zwei Stunden überwacht haben. Wir
sind nicht so richtig überzeugt, dass es jetzt richtig gut ist, und sagen:
„Bleibt doch lieber da.“ Dann wird es erneut schlechter. Ich bin kein
Intensivmediziner, aber vielleicht trotzdem: Was würde stationär mit einem Kind
gemacht werden, dem es deutlich schlechter geht, wo das passiert, was du vorhin
gesagt hast: Der Stridor wird leiser, das Kind zieht sich zurück, hat eine hohe
Atemarbeit? Dann würden wir sagen: „Intensivstation, wir kommen.“ Was machen
die dann, nur so als kurzer Einblick?
Tobias
Ankermann: Wir
holen die Leute, die am allerallerbesten intubieren können. Wenn es wirklich
einen kritischen Zeitdruckzustand gibt, dann sollte man noch eine
Tracheotomie-Bereitschaft herstellen. Wenn dann alles sicher ist, dann noch
einmal in aller Ruhe überlegen, ob man nicht das Kind weiter so anguckt. Je
mehr man macht, desto gefährlicher ist es. Wenn ich eine solche absolut enge Regio
subglottis mit einem Endoskop, mit dem Spatel berühre, einmal dagegen
komme, mit dem Tubus einen Versuch mache, dann schwillt es sofort zu und ich
habe eine terminale Notfallsituation. Man sollte noch einmal genau überlegen,
ob es eine Intervention geben sollte. Man kann in einer extrem kritischen
Situation an der Grenze zur globalen Ateminsuffizienz zuwarten, wenn das Kind
tatsächlich so sediert ist, dass durch die Sedierung nicht die Atemarbeit
behindert wird – aber das merkt man, das ist ein absoluter Grenzpunkt.
Ansonsten sollte man immer versuchen, optimale Bedingungen herzustellen, immer
‚safety‘ und immer auf den Besten warten, bis der Beste im Team da ist. Das ist
nichts, was man zuerst versucht, außer natürlich in der großen
Notfallsituation.
Axel
Enninger: Die
ja eigentlich fast nicht vorkommt, oder? Wenn ich so bei uns überlege, ich kann
mich gar nicht erinnern, wann der Letzte kam, der klang wie Pseudokrupp und ein
ernsthaftes Problem hatte, mit Ausnahme von einem Kind, das sich vor zwei, drei
Jahren auf dem Weg vom Kinderarzt zu uns dann so verschlechtert hatte, dass es
am Ende nicht mehr zu retten war. Das ist aber eigentlich extrem selten, oder?
Tobias
Ankermann: Es
ist extrem selten. Ich bin jetzt 30 Jahre dabei, wie lange bist du dabei? Ich
hatte zwei Fälle, in der Größenordnung. Es kommt vor, die Leute, die länger
arbeiten oder in den großen Zentren sind, die sehen das mal. Wichtig ist nur,
dass man daran denkt, und sich vor allem klarmacht, dass es dann meist eine
bakterielle Komplikation ist. Das ist überwiegend so. Wenn man die Kinder
intensivmedizinisch versorgt, dann sieht man auch, dass es ein septisches Bild
ist, die Kinder sind kinderärztlich febril, haben eine Temperatur von über 38,5
Grad, sie haben hohe Inflammationszeichen im Blut, CRP ist extrem hoch,
deutlich über 100. Das ist dann dieses septische Bild, meist übrigens durch
ganz banale Keime, Streptokokken-Spezies oder Ähnliches.
Axel
Enninger: Das
ist auch lustig mit dieser Fieberdefinition: WHO- oder kinderärztliches Fieber?
Das habe ich noch nie gehört, das habe ich jetzt von dir neu gelernt.
Tobias
Ankermann: Die
Studenten lernen: 38,0 °C ist Fieber. Das ist die WHO-Definition. Wir würden
aber die kinderärztliche Realität sprengen, wenn wir das alles als Status febrilis
definieren würden. Wir bleiben, unter uns, mit den Kindern, bei 38,5 °C.
Die meisten Fälle werden außerhalb der
Klinik gemanagt
Axel
Enninger: Okay.
Das ist vielleicht auch ein gutes Stichwort, die kinderärztliche Definition.
Was sind Dinge, die du als Klinikarzt und Klinikpneumologe gerne den Niedergelassenen
mitgeben möchtest? Außer, dass sie natürlich die Dinge, die wir jetzt hier
empfohlen haben, möglichst auch beherzigen sollten. Es kann ja durchaus sein,
nicht jeder Pseudokruppanfall ist ja mitten in der Nacht, die passieren ja auch
tagsüber. Der Kinderarzt macht genau das Gleiche, oder muss er irgendetwas
anderes machen?
Tobias
Ankermann: Nein,
absolut nicht! Der muss genau das Gleiche machen. Das macht er ja auch. Wenn
ich ehrlich bin, behaupte ich einmal, dass 90 Prozent der Pseudokruppanfälle
überhaupt nicht in der Klinik auftauchen. Das ist auch gut so, weil sie
natürlich gemanagt werden und weil viele Eltern das auch erst einmal so hinbekommen
und dann am Morgen zu den niedergelassenen Kinderärzten gehen, die das managen
können. Die wissen das ganz genau, wie man das macht. Das ist auch häufig noch einfacher.
Wenn der Kinderarzt bekannt ist, dann ist das mit der Ruhe und dem „talk down“
viel, viel einfacher, als wenn es der fremde Notfallmediziner in der Klinik
ist. Das Gleiche gilt: Ruhe, Kind hochnehmen und die Medikation austeilen:
Glukokortikoide.
Axel
Enninger: Vielleicht
noch einmal ein wichtiger Punkt, dass wir Klinikärzte wahrscheinlich auch da
wieder ein etwas verzerrtes Bild von der Realität haben. Die vielen Kinder, die
in den Praxen vorgestellt werden, die sehen wir natürlich alle gar nicht.
Tobias, es gibt eine gute Tradition in diesem Podcast, und die heißt, dass du
positive Nachrichten loswerden darfst, die du unbedingt beachtet haben
möchtest, und umgekehrt darfst du Dinge sagen, die dich nerven, wo du sagst:
„Bitte, liebe Kollegen oder Eltern, hört endlich auf damit!“ Du darfst auch die
Reihenfolge festlegen, ob du mit ‚Dos‘ oder ‚Don’ts‘ anfängst.
Hausmittelchen ad acta, kein Rauch,
keine unnötigen Interventionen, aufrecht, Ruhe, „talk down“ und Glukokortikoide
Tobias
Ankermann: Ich
fange mit den Don‘ ts an. Das ist, glaube ich, am einfachsten und auch
für die Leute, die wissen wollen, was sie nach Hause mitnehmen sollen, wichtiger.
Vernebeln, irgendwelche feuchte Sachen, Fenster aufzureißen, ist ein ‚Don‘ t‘,
und grundsätzlich ist ein absolutes Don‘ t, da, wo Kinder leben, zu
rauchen. Das sind Don‘ ts. In der Klinik oder bei der Aufnahme sind es
jedwede Interventionen, die das Kind belasten, die die Atemfrequenz erhöhen:
irgendwelche Abstriche, irgendwelche Versuche, Pulsoximeter anzubringen,
irgendwelche anderen pharmakologischen Interventionen durchzuführen, viele
Leute. Es reicht, wenn der diensthabende Arzt da ist, eine Helferin vielleicht
noch oder eine Schwester in der Klinik. Dann auch untereinander in der Haltung
Ruhe ausstrahlen, Talk-down-Techniken. Man kann sich ja überlegen: Nehme ich
den Stress, den ich jetzt in der Notfallambulanz morgens um 3:00 Uhr habe, weil
ich gerade von der Station gekommen bin oder aus dem peripheren Haus, von der
neonatologischen Station, wo ich mit Mühen einen Venenweg gelegt habe. Einmal
kurz vorher, bevor ich in das Zimmer gehe: Ruhe. Don‘ t: Hektik, Don‘
t: Schnelligkeit, Don‘ t: Anspannung. Suche deine Sprache, senke das
Sprachtempo. Nicht zu nah rangehen, wenn das Kind Angst hat. Man kann das aus
der Distanz beurteilen, und nur im Notfall nähert man sich. Unsinnig sind
natürlich BGA, Blutentnahme, Venenweg und die Racheninspektion. Die Dos:
Ruhe bewahren, Talk-down-Techniken, also Sprachrhythmus beachten. Worüber muss
ich reden? Zuwendung, keine schnellen Bewegungen. Dann das Spiel aus Nähe und
Distanz, das nennen wir Erwachsenen „flirten“. Ich nähere mich dir, aber ich
gehe auch wieder weg. Du machst die Erfahrung, dass die Näherung nicht
bedrohend ist. In jedem Fall immer das Kind hochnehmen, aufrecht,
hydrostatischer Nutzen, und dann Glukokortikoide. Das ist das absolute Do.
Das wirkt, damit werden wir die meisten Kinder ausreichend behandeln können.
Oral.
Axel
Enninger: Sehr
gut!
Tobias
Ankermann: Ist
dir das recht?
Axel
Enninger: Ja,
das ist wunderbar.
Tobias
Ankermann: Weil
du so darauf insistierst. [Lachen.]
Axel Enninger: Vielen Dank, Tobias. Das war wirklich sehr, sehr hilfreich und aufschlussreich. Ich danke dir sehr, dass du dir die Zeit genommen hast, hier zu Gast zu sein! Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, danken wir fürs Zuhören. Wir werden die wichtigsten Leitlinien hierzu in unseren Shownotes verlinken. Da kann man das in Ruhe noch einmal nachlesen. Wir freuen uns über Rückmeldungen, freuen uns über Lob, freuen uns aber auch über Hinweise zu neuen Themen. Wir danken noch einmal fürs Zuhören und wir hören uns wieder!
Sprecherin: Das war consilium, der Pädiatrie-Podcast. Vielen Dank, dass Sie reingehört haben. Wir hoffen, es hat Ihnen gefallen und dass Sie das nächste Mal wieder dabei sind. Bitte bewerten Sie diesen Podcast und vor allem empfehlen Sie ihn Ihren Kollegen. Schreiben Sie uns gerne bei Anmerkung und Rückmeldung an die E-Mail-Adresse consilium@infectopharm.com. Die E-Mail-Adresse finden Sie auch noch in den Shownotes. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge!
Ihr Team von InfectoPharm