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consilium - DER PÄDIATRIE-PODCAST - Folge #54 - 10.01.2025

 

consilium – der Pädiatrie-Podcast

mit Dr. Axel Enninger

consilium Podcast mit Dr. Axel Enninger

 

Ernährungsmythen II: Kindheit
und Jugend

 

Axel Enninger: Heute spreche ich mit:

PROF. DR. ULRICH HEININGER.

 


DR. AXEL ENNINGER…

… ist Kinder- und Jugendarzt aus Überzeugung und mit Leib und Seele. Er ist ärztlicher Direktor der Allgemeinen und Speziellen Pädiatrie am Klinikum Stuttgart, besser bekannt als das Olgahospital – in Stuttgart „das Olgäle“ genannt.Kardiologie in der pädiatrischen Praxis

Iris Eckhardt: Anders als sonst ist Dr. Axel Eninger heute nicht der Moderator, sondern unser Experte beim Live-Podcast zum Thema Ernährungsmythen Teil II. Wir haben ja schon mal in Berlin diesen Podcast gemacht. Er ist auch schon online. Sie haben ihn sich vielleicht schon angehört, und wir setzen das Ganze heute fort. Jetzt haben Sie auch gehört, es ist ein Live-Podcast. [Publikum klatscht.] Der Gastgeber heute ist Nibras Naami, den ich auch begrüßen möchte. Seinen Namen kennen Sie vermutlich. Zum einen hat auch er einen Podcast, nämlich „Hand – Fuß – Mund“, den er zusammen mit seinem Kollegen Dr. Florian Babor kreiert. Und er ist „nebenbei“ auch noch Buchautor und der Leiter des Westdeutschen Kinderhämatologischen Zentrums in Herdecke. Ich würde sagen: Ohren auf und Bühne frei!

Axel Enninger: Ja, Iris, vielen Dank. Es ist ja schwierig, nun sitzen hier zwei Podcast-Hosts, und wie startet man dann? Wir könnten ja vielleicht mal starten, so wie Sie es alle kennen: Herzlich willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zu einer neuen Folge von consilium, dem Pädiatrie-Podcast. [Publikum klatscht.] So, und diejenigen, die zu Hause sitzen, haben nicht mitgekriegt, dass hier so Schilder aufgestellt wurden, wo immer gezeigt wurde: „Applaus, Applaus!“ Nibras, du bist der Host. Du hast das Recht, die Fragen zu stellen. Und du darfst mich löchern, ärgern oder was auch immer. Klar ist, wir machen keine Wiederholung des ersten Podcasts, sondern wir reden heute über Ernährungsmythen bei älteren Kindern.

 

Ernährung mehr denn je im Fokus der Eltern

Nibras Naami: Ich wollte gerade sagen, erzähl mal nicht so viel, du bist ja nur der Gast. Ich muss ja hier durch das Gespräch führen, ja. Das ist ja mein Job. [Publikum klatscht.] Aber ich bedanke mich auf jeden Fall, dass ich in diese Rolle schlüpfen darf und wir hier mal die Rollen tauschen im consilium-Format. Ich freue mich, wie du gesagt hast, auch darüber, dass wir das jetzt schon das zweite Mal machen. Und Teil II bedeutet, wir hatten schon in Berlin Teil I. Da ging es auch um Ernährungsmythen. Die bezogen sich aber vor allem auf das erste Lebensjahr, Ernährung im ersten Lebensjahr. Dann haben wir uns gefragt, was wir noch besprechen können, was über dieses Alter hinausgeht und haben da einiges an Themen gesammelt, die vermutlich häufig auch in der Kinderarztpraxis gefragt werden. Und ich habe gedacht, für den Anfang könnte man einmal fragen, wer von Ihnen denn das Gefühl hat, dass in den letzten zwei, drei Jahren die Rückfragen zu Ernährungsthemen bei den Eltern stark zugenommen haben.

Axel Enninger: Okay, für diejenigen zu Hause würde ich jetzt mal sagen, dass ungefähr 80 % aufgezeigt hat.

Nibras Naami: Genau, das zeigt, wieso dieses Thema immer wichtiger wird, dass also auch wir Kinderärzte uns einen gewissen Grundschatz an Informationen zu den wichtigsten Themen auf die Platte laden, um darauf antworten zu können. Im Teil I haben wir ja auch eine ganz essenzielle Antwort bekommen. Es ging um das wirklich wichtigste Thema im ersten Lebensjahr: Pastinaken essen – warum?

Axel Enninger: Ich habe es befürchtet. [Publikum lacht.]

Nibras Naami: Du hast uns da ja schon so ein bisschen aufgeklärt, aber ich habe gehört, du bist an ganz heiße Informationen gekommen, woran es eigentlich wirklich liegt, dass 99 % der Weltpastinaken von Babys in Deutschland gegessen werden.

Axel Enninger: Also, ich hatte in Berlin keine Antwort und wurde kalt überrascht, und ich habe zwischenzeitlich umfangreiche Recherchen durchgeführt. Die eigentliche Antwort für die Pastinake heißt: Sie macht nicht so große Flecken auf den Tapeten. [Publikum lacht.] Damit ist klar, Pastinake muss sein.

 

Kuhmilch oder Pflanzendrink? Eiweiß und Kalzium sind wichtig!

Nibras Naami: Ich finde, das ist von allen Antworten auch die logischste bisher. Von daher nehme ich die ganz gerne an, ja. Wir haben versucht zu gucken, worüber wir sprechen können, welche Themen ganz im Zentrum stehen. Und wir haben uns überlegt, wir fangen an, über die Kuhmilch zu reden. Kuhmilch – vielleicht gibt es da auch immer wieder Fragen, die in der Praxis gestellt werden. Es ist ein Thema, das Eltern sehr stark beschäftigt, weil sich das Image der Kuhmilch auch so ein bisschen verändert hat. Wir erinnern uns alle an Werbekampagnen mit irgendwelchen coolen Stars, die so einen Milch-Schnurrbart haben und gesagt haben, Milchtrinken ist super. Und wir kennen es von den Eltern, Großeltern, die sagen: „Milch macht dich groß und stark!“

Axel Enninger: „Milch macht müde Männer munter.“ Kennen Sie vielleicht auch noch.

Nibras Naami: Genau. Genau.

Axel Enninger: Sensationeller Spruch.

Nibras Naami: Und jetzt hört man: „Nee, ich trinke keine Milch, ich werde ja nicht mehr gestillt.“ Oder: „Das ist doch eigentlich Milch für Kälber. Warum sollen Kinder das trinken?“ Aber auch ernährungsmedizinisch gibt es schon Studien und Daten, die sich angeschaut haben, wie viel ist denn überhaupt in Ordnung? Ich glaube, früher gab es den Freifahrtschein: je mehr Milch, desto besser. Der Hämatologe in mir sagt natürlich sofort: nein! Also wer mit mir zusammenarbeitet, kennt die Patienten, die bei uns immer Codewort „Blutgruppe H“ haben, H-Milch-Blutgruppe. Da gibt es Kinder, vielleicht kennen Sie sie auch aus der Praxis, die sich quasi nur von Milch oder H-Milch ernähren und dann bei mir landen, mit einem Hb von 3 oder 4 aufgrund eines schweren Eisenmangels. Darüber sprechen wir vielleicht gleich noch. Aber wie sieht es denn jetzt aus mit der Milch? Wir haben da gerade zwei Extreme genannt. Wo müssen wir uns jetzt treffen?

Axel Enninger: Genau. Also, du hast die Extreme genannt. Wie immer liegt die Wahrheit in der Mitte. Ausschließlich Kuhmilch zu trinken ist Quatsch, macht Obstipation, macht Eisenmangel. Das wissen wir alle, es ist einfach Unsinn. Aber auch die DGE hat ja in diesem Jahr eine neue Empfehlung herausgegeben und hat unter anderem jetzt auch pflanzenbasierte Milchersatznahrungen erwähnt und durchaus auch empfohlen. Und Sie alle kennen die Situation. Sie sind in Berlin in irgendeinem Hipster-Café und sagen, Sie möchten einen Cappuccino. Entweder Sie sagen gar nichts, und dann kriegen Sie den mit Hafermilch. Oder Sie sagen: „Kann ich den bitte mit Kuhmilch haben?“ Dann werden Sie vielleicht manchmal ein bisschen streng angeguckt, nach dem Motto: „Hm, Kuhmilch, was ist denn das für einer?“ Also Kuhmilch ist weiterhin eine extrem gute Eiweißquelle und eine extrem gute Kalziumquelle. Das ist, glaube ich, unbestritten. Und das Thema bei pflanzenbasierten Milchersatznahrungen ist genau das, dass diese beiden Nährstoffe für Kinder in gewisser Weise kritisch sind. Wenn man sich diese pflanzenbasierten Milchersatznahrungen anguckt, dann stellen wir fest, dass eben tatsächlich nur in Soja-basierten Ersatznahrungen ausreichend Eiweiß drin ist. Denn wir haben ja häufig die Kombination von Menschen, die sowieso wenig Fleisch nehmen und dann auch noch pflanzenbasierte Milchersatznahrungen nehmen. Diese Menschen müssen besonders auf ihre Eiweißquellen achten und darauf achten, dass sie aus verschiedenen Pflanzenquellen hochwertige Eiweiße hinkriegen. Milch würde helfen. Wenn ich auf Milch verzichte, habe ich da auch noch ein Thema. Das heißt, das Eiweiß ist ein Thema. Geht alles, aber man muss darauf achten! Klassisch, das sehen Sie auch auf dieser Tabelle, in Reis ist praktisch gar kein Eiweiß drin. Aber auch in der beliebten Hafermilch ist wenig – oder im Haferdrink, Hafermilch darf man gar nicht sagen – ist wenig Eiweiß. Also Thema Nr. 1 ist: „Eiweißquelle“. Da ist Kuhmilch tatsächlich in gewisser Weise überlegen. Und Thema Nr. 2, und das liegt mir noch viel mehr am Herzen, ist das Thema Kalzium. Kalzium kommt im Wesentlichen bei unserer Kinderernährung aus Milch und Milchprodukten. Und wenn ich jetzt auf pflanzenbasierte Milchersatznahrungen zurückgreife, dann muss ich darauf achten, dass ich Produkte wähle, die Kalzium enthalten. Denn, wenn Sie vor diesem Regal stehen, sind Sie erst einmal überfordert. Da gibt es alleine vom Marktführer Oatly fünf verschiedene Hafermilch-Varianten und manche enthalten Kalzium und manche enthalten keins. Das heißt, das ist schon mal Nr. 1. Bei der Auswahl muss man wirklich extrem darauf achten. Und dann gibt es zusätzlich das Problem, dass diejenigen, die eher auf pflanzenbasierte Milchersatznahrungen zurückgreifen, eher auch auf Bioprodukte zurückgreifen. Problem ist: Sie dürfen in Bioprodukten kein Kalzium zusetzen. Das heißt, wenn Sie vor dem Regal stehen und Sie kaufen „Hafermilch bio“, haben Sie automatisch kein Kalzium drin. Das heißt, da haben wir ein Problem. Und ganz ehrlich, wir haben jetzt das Thema der Generation Milchtrinkerinnen: Über 50-jährige Frauen haben eine Osteoporose-Rate von 25 %. Und ich mag mir ehrlich gesagt nicht so richtig vorstellen, wie denn die Osteoporose-Rate der jetzt 25- bis 35-jährigen Frauen ist – es sind im Wesentlichen Frauen, die diese Produkte trinken – wie das sein wird. Das heißt, das Thema Kalzium ist für mich echt total wichtig. Ich werde es nicht mehr erleben, aber ich möchte nicht, dass die Generation der jungen Frauen jetzt, später wieder durch Osteoporose überall erkennbar sind, indem sie alle wieder ihre verkrümmten Wirbelsäulen haben. Kalzium ist wirklich ein extrem wichtiges Thema. Aber, es gibt einen momentan noch von der EU zugelassenen Trick, wie ich „bio“ pflanzenbasiert machen kann und trotzdem Kalzium kriege. Diese Produkte heißen „Hafer plus Alge“. Da muss man nur drauf achten. Es gibt eine Algensorte, die besonders viel Kalzium enthält, und die gibt es mittlerweile in Bioqualität. Das heißt, Stand November 2024, wenn Sie „bio“, pflanzenbasiert und Hafer nehmen wollen, müssen Sie „bio plus Algen“ kaufen. Also, es ist kompliziert.

 

Aufpassen in beide Richtungen

Nibras Naami: Also, ich finde es aber trotzdem erstmal gut, dass wir das Hafermilch nennen dürfen, denn solange es „Scheuermilch“ heißen darf, finde ich, soll es auch „Hafermilch“ heißen dürfen. [Publikum applaudiert}. Es ist ein kleiner Industrietrick, der versucht, die Konkurrenten auszustechen, dass dagegen gekämpft wird, dass es jetzt „Drink“ heißen muss, finde ich. Aber ich finde es trotzdem wichtig, dass du das mit dem Kalzium noch einmal betonst. Es gibt aber, hast du zurecht noch mal gesagt, die Alternativen, die eben auch Kalzium beinhalten. Und in den Ernährungsempfehlungen, so kenne ich es zum Beispiel aus den USA, wo auch eingegangen wird auf die pflanzenbasierte Kinderernährung, wird eben gerade Sojamilch mit Kalzium empfohlen als Hauptquelle für Kinder, wenn sie keine Kuhmilch bekommen. Da muss man sagen, ist sie ja dann, wenn sie nicht biozertifiziert ist, sondern angereichert wurde, von den Inhaltsstoffen doch sehr ähnlich. Und wenn man einfließen lässt – das wäre jetzt noch interessant – es gibt ja auch Auswertungen zum sehr exzessiven Kuhmilchkonsum, der dann doch auch mit Adipositas und Typ-II-Diabetes zusammenhängen kann. Da glaube ich schon, dass wir vielleicht den Hinweis geben können, dass man einfach in beide Richtungen aufpassen muss. Und dass man gucken muss, dass beide Alternativen nicht einen Freifahrtschein bekommen, sondern dass man durchaus überlegen kann, wie viel von was ist gut für mein Kind.

 

„Planetary Health Diet“ und das Frühstücksei

Axel Enninger: Der Hintergrund von all dieser Diskussion ist natürlich, dass sich in den letzten Jahren auch die DGE dahingehend verändert hat. Die Frage, was ist gut für mich als Person, war damals ausschließlich im Fokus aller Ernährungsempfehlungen. Jetzt gibt es seit ein paar Jahren unter dem Stichwort „Planetary Health Diet“ ein gewisses Umschwenken, dass man eben sagt, wir müssen einerseits gucken, was ist gut für mich als Individuum und dann auf der anderen Seite, was ist gut für unseren Planeten? Und daher kommt diese, wie ich finde, schwierig geführte und auch von der DGE nicht gut kommunizierte Geschichte: Nur noch ein Ei in der Woche. Da gab es ja ein Riesendrama. Die DGE sagt, ich darf nur noch ein Ei in der Woche essen. Woher kam denn das? Das kam natürlich daher, dass man gesagt hat, drei Eier pro Woche sind im Prinzip für dich als Individuum völlig in Ordnung, aber für den Planeten wäre es besser, wir würden unseren Eierkonsum reduzieren, genauso unseren Fleischkonsum. Das heißt die Synthese in der persönlichen Beratung: „Was ist gut für mich?“ ergab: „Was ist gut für mich und gut für den Planeten?“ Daher kamen auch diese ganzen pflanzenbasierten Milchersatznahrungen, die natürlich fast alle eine bessere Ökobilanz haben. Besonders gut ist die für Hafer. Besonders schlecht ist tatsächlich die für Mandeln, weil die Transportwege oft weit sind, sie brauchen viel Wasser. Also die Ökobilanz dieser Ersatznahrungen muss man sich durchaus auch angucken. Aber das war die Idee. Deswegen gibt es diesen gewissen Paradigmenwechsel bei den Empfehlungen.

 

Nibras Naami: Kannst du vielleicht noch mal zur Planetary Health Diet erzählen, woher der Gedanke kommt? Die Kommission von Lancet hatte sich ja ein Ziel vorgenommen, auch in Bezug auf das Bevölkerungswachstum weltweit. Was war da so das Hauptziel der Konzeption dieser Ernährungsform?

Axel Enninger: Also, es gab eine große, große Analyse, sehr lange, im Lancet veröffentlichte Analyse 2019, wo man sich mal angeguckt hat, was sind denn die Ernährungsprobleme auf dieser Welt? Und da gibt es zwei wesentliche. Es gibt das Thema Mangelernährung. Das ist eines der Hauptthemen, vor allem in Subsahara. Also als WHO-Gesamtthema ist Mangelernährung Nr. 1, Adipositas Nr. 2. Das heißt sozusagen zu viel und zu wenig Ernährung ist Nr. 1. Aber ein weiteres Problem ist eben Ressourcenverbrauch. Wir zerstören unsere Erde dadurch, dass wir zwei Dinge tun. Erstens: Wir essen zu viel Fleisch. Dafür brauchen wir viel Fläche und dafür verbrauchen wir auch relativ viel Energie. Das ist Nr. 1 und Nr. 2 ist das Thema: Wir ernähren uns relativ viel mit prozessierten Lebensmitteln und der Energieverbrauch für die Herstellung prozessierter Lebensmittel ist riesig. Es macht einen riesigen Unterschied, ob ich eine Kartoffel nehme, diese Kartoffel ernte, koche und dann esse oder ob die sozusagen erstmal in die Kartoffelbrei-Firma geht, ich das Ganze dehydriere, ich das Ganze verarbeite und hinterher Kartoffelbrei aus der Packung mache. Das macht einen Riesenunterschied. Und zwar auch für unseren Planeten insgesamt, weil diese prozessierten Lebensmittel einen Mords-Energieverbrauch haben, den wir einschränken müssen. Das war Teil der Planetary Health-Initiative. Da muss man sagen, das war auch die Grundlage für die DGE-Empfehlung. Ich bin relativ sicher, dass unser Landwirtschaftsminister der DGE ein bisschen „Bescheid gestoßen“ hat und gesagt hat: ‚Leute, da müsst ihr eure Empfehlungen ändern.‘ Die DGE ist ja in gewisser Weise auch, muss man auch sagen, politisch beeinflusst. Unser Landwirtschaftsminister hat da sicher einen gewissen Anteil dran.

 

Rückkehr zum Sonntagsbraten

Nibras Naami: Grundsätzlich finde ich das ja einen guten Gedanken, weil wir als Ärzte und Ärztinnen ja die Gesundheit unserer Patientinnen schützen wollen. Und die Grundlage ist ja auch eine Gesundheit des Planeten. Wenn das eine nicht da ist, haben wir schlechtere Karten für unsere Patienten. Da kommt, glaube ich, der Gedanke her, vielleicht auch weniger Fleisch zu essen. Darüber haben wir in Teil I ja auch viel gesprochen, weil hier ja extrem viele Ressourcen verbraucht werden müssen. Werden wir dann jetzt besser alle Vegetarier?

Axel Enninger: Ich glaube, wir müssen nicht Vegetarier werden, aber ich glaube, dass sozusagen „zurück zum Sonntagsbraten“ schon mal keine schlechte Idee wäre, zu sagen: seltener, aber dafür hochwertigeres Fleisch. Und das ist ja eigentlich auch Teil aller Ernährungsempfehlungen. Da kann man die DGE-Empfehlungen nehmen, da kann man Mediterranean Diet nehmen, da kann man Nordic Diet aus den skandinavischen Ländern nehmen. Im Prinzip ist die Richtung überall gleich. Wir brauchen mehr lokal produzierte, pflanzenbasierte Ernährung. Das ist gut für den Planeten. Das ist gut für uns als Individuum. Und Fleischkonsum einzuschränken ist sicher the way to go. Ob man jetzt Vegetarier werden muss oder nicht, bleibt, glaube ich, jedem persönlich überlassen und man muss sich überlegen, was ist mir sympathischer? Pflanzenbasierte, sage ich mal, Fleisch-Ersatzprodukte oder aber sozusagen „vernünftig“ produziertes Fleisch.

Nibras Naami: Vielleicht kann man da schon aber auch betonen, dass die Ernährungsempfehlungen, wirklich sowohl hierzulande als auch international, der pflanzenbasierten Kinderernährung immer mehr ein positiveres Zeugnis ausstellen. Das ist, denke ich, etwas, was wir Kinderärzte und Ärztinnen mehr berücksichtigen müssen. Ich kenne es aus meinen eigenen Erfahrungen, dass wir schon viele Familien sehen, die dann sagen: ‚Ich habe in der Praxis gesagt, mein Kind isst nicht so gerne Fleisch.‘ Und dann wurden sie direkt vor den Kopf gestoßen: ‚Nein, das kann nicht sein. Es muss fünfmal die Woche Fleisch essen, sonst wird es nicht gesund groß werden.‘ Da muss man, glaube ich, tatsächlich hier auch mal Schluss machen mit solchen Gedanken und akzeptieren, dass es andere gute Quellen gibt. Zum Beispiel für Eisen, wir haben, glaube ich auch beim Teil I drüber gesprochen, da bin ich als Hämatologie immer sehr dran interessiert. Wir wissen mittlerweile, dass es wirklich exzellente auch pflanzliche Eisenquellen gibt, seitdem wir wissen, dass Ferritin im Darm aufgenommen werden kann, nicht nur – früher haben wir das immer gesagt – zwei- und dreiwertiges Eisen und dreiwertiges Eisen ist schlecht. Aber es gibt auch Ferritin aus Pflanzenquellen, gerade aus zum Beispiel Linsen oder Soja, was hervorragend bioverfügbar ist. Das deckt sich mit der Erfahrung im Alltag. Ich glaube, fast niemand würde jetzt sagen: ‚Alle meine Eisenmangelkinder sind Veganer und Vegetarier.‘, sondern das ist auch ganz oft der Mischköstler, der sich sehr einseitig ernährt.

Axel Enninger: Ich glaube, pflanzenbasiert geht gut, wenn ich tatsächlich auch Pflanzen variiere. Nur Linsen ist keine gute Idee. Nur Soja ist keine gute Idee, sondern du musst sozusagen deine pflanzlichen Eiweißquellen kombinieren. Das ist, glaube ich, wichtig und man sollte versuchen, auch tatsächlich eher Vollkornprodukte anzuwenden. Auch da sind die Inhaltsstoffe einfach besser verfügbar und vermehrt drin. Man kann auch Kinder vegetarisch ernähren, aber die Challenge ist größer, das muss man eindeutig so sagen. Es gibt Familien, die schaffen das gut und dann ist es auch in Ordnung.

 

Die „gute, alte“ mediterrane Ernährung ist mehr als nur Essen

Nibras Naami: Ich sage immer: Chips, Zuckerwatte und danach eine Cola ist auch vegan. [Publikum lacht.] Von daher geht es nicht immer darum, in solchen Dogmen zu denken, sondern es geht am Ende des Tages um die wirkliche Auswahl der Lebensmittel und nicht um dieses „Zelt“, das immer darüber gespannt wird. Du hast aber gerade ein schönes ernährungsmedizinisches Zelt gespannt, nämlich die mediterrane Ernährung. Jetzt ist irgendwie die Planetary Health Diet cool und en vogue und davor war es mehr die mediterrane, die wir aber nicht vergessen möchten. Gibt es da überhaupt… Kann man jetzt sagen, dass ist eigentlich fast das Gleiche?

Axel Enninger: Es widerspricht sich ja nicht. Ich glaube, das finde ich schon wichtig, dass man es sich nicht so dogmatisch anguckt. Als die DGE-Empfehlungen herauskamen, gab es einen gewissen Aufschrei der Ernährungsfachkräfte. Sie haben sich dann, sage ich mal, zum Teil wirklich echauffiert, weil da Grammmengen in diesen DGE-Empfehlungen waren, von denen sie gesagt haben, das ist nicht realistisch, das funktioniert nicht. In den DGE-Empfehlungen wird zum Beispiel nicht mehr zwischen Obst und Gemüse unterschieden, sondern es wird gemeinsam zusammengerechnet. Das hat bei den Ernährungsfachkräften einen riesigen Aufschrei ausgelöst. Ich glaube grundsätzlich, die Zielrichtung ist wichtig. Da ist Mediterranean Diet, da ist das Thema Nordic Diet – und Planetary Health geht ganz gut zusammen. Mir ist vielleicht noch mal ganz wichtig bei all diesen Ernährungsstudien, dass dieser Fokus auf Einzelbestandteile in dieser Ernährung, glaube ich, nicht der richtige Ansatz ist. Ich will mich gesund ernähren, also kaufe ich ein Olivenöl mit besonders viel Polyphenolen. Kann man schon machen, es spricht gar nichts dagegen. Aber das Gesamtpaket macht es. Ich esse hochwertiges Olivenöl und den Rest nur Schrott, dann bringt es das auch nicht. Also das ist wirklich, glaube ich, ein entscheidender Punkt. Und der zweite Punkt, der mir in dieser Diskussion auch immer wichtig ist, wenn man über Mikronährstoffe und Makronährstoffe redet, besonders bei der Mediterranean Diet, ist es auch Lifestyle. Es macht einen Unterschied, ob ich einen strukturierten Tagesablauf habe und eine gewisse Pause im Laufe des Tages, eine gewisse Siesta habe. Es macht etwas mit der Gesundheit, dass ältere Menschen weniger alleine sind. Es macht etwas mit unserer Gesundheit, dass wir sozial, gemeinsam, Ernährung zu uns nehmen. Also ich glaube, dieser alleinige Fokus auf die Kartoffel, die Pastinake oder die Sonstwas, wird dem ganzen Thema nicht gerecht. [Publikum applaudiert].

Nibras Naami: Das finde ich super, dass du das so betonst. Das ist, glaube ich, immer wieder auch das, was passiert in der Kinderarztpraxis. Vielleicht gibt es da auch jemanden, der nickt, dass jemand kommt und sagt: ‚Ja, mein Kind isst nicht genug von diesem einen Lebensmittel.‘ Oder: ‚Mein Kind isst zu viel von diesem anderen Lebensmittel.‘

Axel Enninger: Genau. ‚Mein Kind hat eine Brokkoli-Allergie.‘ So what? Dann isst das Kind eben keinen Brokkoli.

Nibras Naami: Also kann man auch Pastinaken nehmen stattdessen. [Publikum lacht.]

Axel Enninger: Genau. Ich glaube, das Thema verlässt uns nie mehr. ‚Also, mein Kind isst keinen Brokkoli‘, empfehlen Sie Pastinake.

 

Frisch, verarbeitet oder ultraprozessiert

Nibras Naami: Ist auch praktisch wegen der Flecken. Finde ich echt eine Erkenntnis! Weil wir ja auch bei den Nordic Diets, Mediterranean Diets auch über das Thema Prozessierung von Lebensmitteln sprechen – das ist ja auch ein Teil, der dazugehört. Ich glaube, in mediterranen Ländern ist es schon auch üblicher, dass man auf den Markt geht und sich dann den frischen Fisch oder das frische Gemüse holt und eben nicht wie bei uns sehr, sehr viel hauptsächlich aus dem Supermarkt bezieht und dann auch nicht so richtig weiß, wo es herkommt. Wir hatten den gerade schon eingeblendet, aber sind da nicht so ganz drauf eingegangen. Da gibt es eine Klassifikation, die einem auch dabei helfen kann, oder?

 

NOVA-Lebensmittelklassifikation

Axel Enninger: Genau. Es gibt die sogenannte NOVA-Klassifikation, die versucht, den Prozessierungsgrad von Lebensmitteln einzusortieren. NOVA 1 sind unverarbeitete Lebensmittel, also die Kartoffel, die ich so kaufen kann. NOVA 2 sind vor allem Zutaten, die man alleine nicht konsumieren würde: Mehl, Zucker, Öl, Gewürze. NOVA 3 sind verarbeitete Lebensmittel, zum Beispiel so etwas wie Gewürzgurken aus dem Glas, Tomaten aus der Dose und solche Dinge. Und NOVA 4 sind die Lebensmittel, die so ein bisschen auf dem, sage ich mal, „auf dem Index“ stehen. Das sind vor allem Lebensmittel, wo die ursprüngliche Matrix meistens zerstört wurde. Klassisches Beispiel dafür sind die Stapelchips, also Kartoffelchips, die Sie in dieser Röhre kaufen können. Da ist alles, was ein Bestandteil der Kartoffel war, quasi einmal gemust worden, dann ist es verarbeitet worden und dann sind die in Form gepresst worden. Klassisches Beispiel für NOVA 4-Lebensmittel. Aber auch viele Würste, die Sie kaufen können, viele Fertigkuchen, die Sie kaufen können. Das ist für die Industrie alles super, weil sich so ein Fertigkuchen im Regal monatelang hält. Aber es ist eben ein hochverarbeitetes Lebensmittel und die enthalten Emulgatoren, die enthalten Farbstoffe, die enthalten eigentlich lauter Dinge, die wir nicht unbedingt wollen. Und da gibt es mittlerweile ganz gute Daten dafür, dass sie das Risiko für viele Erkrankungen erhöhen. Also, Kinder-Gastroenterologen wissen, dass das Risiko zum Beispiel für Morbus Crohn dosisabhängig bis zum Vierfachen erhöht ist, wenn ich fünfmal am Tag und mehr prozessierte Lebensmittel zu mir nehme. Das heißt, da gibt es wirklich ein dosisabhängiges Risiko von prozessierten Lebensmitteln hin zu Herz–Kreislauf-Erkrankungen, prozessierten Lebensmitteln hin zu chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und auch hin zu Nahrungsmittelallergien. Auch das weiß man. Und umgekehrt wird auch noch ein Schuh draus: Prozessierte Lebensmittel enthalten auch mehr Allergene als unverarbeitete Lebensmittel. Stichwort der normale Joghurt, der normale, weiße Joghurt ist ein NOVA 1-Produkt, aber das, was Sie als Fruchtjoghurt kaufen, ist ein NOVA 4-Produkt. Das heißt, kaufen Sie weißen Joghurt, rühren Sie die selbstgekochte Marmelade hinein oder schnippeln Sie Obst rein, wunderbar! Da wollen wir eigentlich hin.

Nibras Naami: Ja, jetzt streich ich die Pringles wieder von meiner Einkaufsliste, nachdem du das erzählt hast. [Lachen im Publikum.] Thema hier ist ja natürlich auch, dass von den plant-based Ersatzprodukten viele auch hochverarbeitet sind. Der Trugschluss ist manchmal natürlich, dass man sagt: ‚Ja, ich verzichte jetzt auf tierische Lebensmittel.‘, und man isst dreimal am Tag ein hochverarbeitetes, veganes Ersatzprodukt. Das ist natürlich nicht so zielführend. Trotzdem kann man vielleicht sagen… oder würdest du das so sagen? Wenn jemand gar nicht anders kann und sagt: ‚Ja, ich esse aber liebend gerne Dosenfleisch oder ein hochverarbeitetes Produkt!‘, und dann hat man bei dem vegan hochverarbeiteten Produkt vielleicht ein bisschen weniger Umweltbelastung. Ist das noch ein bisschen im Sinne der Planetary Health Diet oder darf man das nicht so sagen?

Axel Enninger: Ich glaube da sind die Punkte offen. Es gibt eine ganz gute Stellungnahme eines Ernährungswissenschaftlers, vorletzte Woche gab es sogar ein Spiegel-Interview mit ihm, Herr Smollich, der sich dahingehend positioniert hat zu sagen, es gibt durchaus vegane Ersatzprodukte, die ernährungsphysiologisch gut sind, obwohl sie eigentlich NOVA 4 sind. Also, man findet schon NOVA 4-Produkte, die in Ordnung sind. Es gibt aber auch, sage ich mal, Pflanzenersatzprodukte, die – hätte ich Haare – mir die Haare zu Berge stehen lassen würden. Ich sage jetzt mal; das vegane Cordon Bleu von Sowieso-Mühle. Da gucken Sie sich mal die Zutatenliste an, da wird es Ihnen ganz schwindelig. Das ist kein Produkt, das ich wirklich empfehlen würde.

Nibras Naami: Es ist vielleicht als Übergang ja mal ganz gut, wenn man sagt, ich will meine Ernährung umstellen und von heute auf morgen alles zu verändern ist schwierig, und ich setze das eben punktuell ein, um mich umzugewöhnen, aber mit dem Ziel, natürlich nicht haufenweise davon zu essen.

Axel Enninger: Da gibt eine ganz gute Studie aus Frankreich, die mal geguckt hat, wie denn der Anteil von ultraprozessierten, veganen Lebensmitteln ist bei Leuten, die von omnivor auf vegan umsteigen. Es ist am Anfang so, dass die Leute mehr von den Produkten kaufen. Im Laufe der Zeit lernen sie vegan zu kochen und brauchen dann weniger davon. Das macht ja auch durchaus Sinn. Insofern ist es vielleicht für eine Übergangsphase auch okay.

 

Wenn Eltern danach fragen: Omega-3-Fettsäuren, DHA, EPA…

Nibras Naami: Ja, das ist schön, dass du das noch mal betonst, weil es ja zumindest ein Hoffnungsschimmer ist, dass es nicht der Alltag ist, dass man nur noch solche Dinge isst. Ich will jetzt mal das Thema komplett schwenken in eine Richtung, worüber wir noch nicht gesprochen haben. Das ist das Thema Omega-3-Fettsäuren. Vielleicht läuft es gerade dem einen oder anderen schon so kalt den Rücken runter, weil man das schon ganz oft in der Praxis gehört hat und sich gefragt hat: ‚Ja, weiß ich jetzt nicht. Was soll ich dazu sagen?‘ Ich glaube, rumgesprochen hat es sich schon, dass Omega-3-Fettsäuren sehr, sehr gute und günstige Fettsäuren sind im Fettsäurespektrum. Da hat sich aber viel getan. Früher haben wir immer gesagt, Fett ist alles schlecht. Da hieß es immer low fat wäre super. Dann hat man gesagt: ‚Nee, Hauptsache, es ist pflanzlich und nicht tierisch!‘ Dann hat man auch gesehen, na, so einfach ist es auch wieder nicht. Und jetzt sind wir an dem Punkt angekommen, wo wir schon sagen können, Omega-3-Fettsäuren sind gesundheitlich zuträglich, reduzieren das Risiko auch bei Erwachsenen von Herz–Kreislauf-Erkrankungen, und Omega-6-Fettsäuren haben teilweise genau den anderen Effekt. Wie sieht es jetzt in dieser Richtung aus? Was sind da so gerade gastroenterologisch, ernährungsmedizinisch, die Erkenntnisse? Was können wir empfehlen, wenn Eltern danach fragen?

Axel Enninger: Also es geht grundsätzlich um mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Sie kennen alle diese Fettsäureketten, haben Sie im Chemieunterricht mal gelernt. Da gibt es halt manchmal Doppelbindungen, die eine Rolle spielen. Das verändert die Konformation dieser Fettsäuren. Sie werden dann gut oder schlecht in die Membranen – auch vor allem des Gehirns – eingebaut. Das heißt, da wollen wir eigentlich möglichst viele mehrfach ungesättigte Fettsäuren und da ist fetter Fisch Quelle Nr. 1, was gut geht, aber die Betonung ist erstens fetter Fisch. Und zweitens auch die Gewinnung des Fisches, es sollte eben möglichst kein Fisch aus Züchtungen sein. Es ist zum Beispiel auch bei Fleisch so: Rindfleisch war früher relativ günstig im Fettsäurenprofil, als die Kühe alle noch auf der Weide standen und, sage ich mal, keine Silage bekamen. Das heißt, das Rindfleisch hat sich ernährungsphysiologisch dadurch verändert, dass die Kühe mittlerweile anders ernährt werden. Momentan gibt es das gleiche Thema beim Fisch. Je mehr Fischzucht wir haben und je schlechter quasi diese Fische ernährt werden, umso ungünstiger ist dieses Fettsäurenprofil. Deswegen umso wichtiger, auch da zu gucken, kann ich das nicht pflanzenbasiert machen? Und da gibt es ja durchaus mittlerweile ganz gute Daten, dass es auch in vielen Pflanzen okay ist.

Nibras Naami: Der Fisch ist ja tatsächlich gar nicht die Quelle. Der Fisch produziert ja nicht die Omega-3-Fettsäuren, sondern ist nur eine Zwischenstufe in der Nahrungskette. Auch der Fisch holt sich das aus den Algen, so dass man sagen könnte, man überspringt den Schritt über den Fisch und greift direkt zu den Algen. Es gibt ja auch den Hinweis, wir waren ja auch beim ökologischen Thema: Überfischung und Eutrophierung von Gewässern ist ja auch ein Riesenthema. Aber auch Schwermetalle in Fisch werden häufiger nachgewiesen. Mikroplastik, da wissen wir auch noch nicht so genau, wie viel Einfluss das hat. Deswegen ist es mit dem Mikroalgen-Öl keine schlechte Idee. Aber man muss betonen, dass wir in der Lage sind, auch auf pflanzenbasierte Quellen zurückzugreifen. Also Omega-3-Fettsäuren aus Raps oder Leinöl oder Leinsamen sind ja eine Superquelle. Bei Kindern ist es nur wichtig zu wissen, dass wir für den Einbau in die Membranen vor allem die Endstufen der Verwertung dieser Alpha-Linolensäure brauchen. Dieses EPA und DHA vor allem, die Docosahexaensäure. Deswegen wird ja am Anfang des Lebens empfohlen, direkte Quellen fürs EPA und DHA zu wählen, so wie Fisch oder eben Algen.

Axel Enninger: Führte ja auch dazu, dass die EU ihre Empfehlung für Formula-Nahrung verändert hat. Es ist ja mittlerweile ein Pflichtbestandteil geworden, vor ein paar Jahren.

 

Schwangerschaft, die wichtigen ersten 1.000 Tage und Picky Eater

Nibras Naami: Genau. Und da gibt es ja tatsächlich auch tolle Erkenntnisse, was es schon für die Schwangerschaft bedeutet, wenn eine Mutter sich damit ernährt. Kannst du die vielleicht noch…?

Axel Enninger: Ja, also, da weiß man, dass eine ausgewogene, tatsächlich möglichst Omega-3-reichhaltige Ernährung sinnvoll wäre. Es gibt natürlich mittlerweile relativ viele Challenges, die schwangere Frauen zu beachten haben. Sie müssen auf Folsäure achten. Der Herr Heininger [Redaktion: gemeint ist Prof. Dr. Ulrich Heininger] wird sagen: ‚Achtet bitte auf Impfungen!‘ Pertussis-Impfung wär wichtig in der Schwangerschaft. Das Paket, worauf schwangere Frauen achten müssen, wird immer größer. Auch da finde ich, müssen wir gucken. Ja, es ist sinnvoll, aber man ist jetzt auch keine schlechte Mutter, wenn man nicht jeden zweiten Tag irgendwie fettige Makrele isst in der Schwangerschaft.

Nibras Naami: Da gibt es aber ja auch Hinweise zur Allergieprävention, dass es durchaus auch eine Rolle spielen kann. Aber wir wollen keinen Druck aufbauen, dass man immer alles perfekt machen muss.

Axel Enninger: Genau. Wir wollen keinen Druck aufbauen.

Nibras Naami: Ziel muss ja vielleicht sein, dass man dann irgendwann ein Präparat zu sich nimmt, das alles abdeckt und wo die neuen Erkenntnisse mit einfließen, so dass das berücksichtigt werden kann. Ich finde es aber wirklich wichtig, und wo man vielleicht doch Eltern supporten sollte, das ist bei diesem Thema „die ersten 1.000 Lebenstage“. Es zeichnet sich ja immer mehr ab, dass das schon eine Phase ist, wo die Versorgung mit kritischen Nährstoffen besonders wichtig ist und nicht so gut ausgeglichen werden kann wie später. Später ist es dann so, der 5-jährige Picky Eater, der sich nur von Ketchup und Nudeln ernährt, der kriegt da schon noch irgendwann die Kurve, ohne dass er wahrscheinlich entwicklungsmedizinisch Nachteile davon hat.

Axel Enninger: Naja, einmal im Jahr haben wir so einen Picky Eater, der echt Skorbut hat. Also jetzt wirklich ernsthaft, wir hatten einen Patienten mit Skorbut, der war sechs Jahre alt. Er hatte ausschließlich Toastbrot mit Frischkäse gegessen und sonst nix. Und ein paar Jahre später genau das Gleiche. Insofern… Also nicht immer gleichen sie alles aus.

Nibras Naami: Auf jeden Fall. Extremfälle gibt es immer. Aber ich meine, dass gerade ein einjähriges oder anderthalbjähriges Kind da noch mal ein bisschen anders zu bewerten ist. Und da durchaus, wenn jetzt eine Familie sagt, wir verzichten auf Fisch, sei es aus ökologischen Gründen oder weil man es vielleicht einfach auch nicht mag – es gibt ja auch Familien, die nicht gerne Fisch essen – dass man dann nicht sagt: ‚Dann nehmen Sie doch Fischstäbchen oder Seelachs!‘, weil dann einfach nichts drin ist von dem, was wir haben möchten, sondern dass da durchaus die Empfehlung zu einem Mikroalgen-Öl auch eine gute Empfehlung sein kann.

Axel Enninger: Ja.

Nibras Naami: Super.

 

Die ewige Frage – ist glutenfrei eine gute Idee?

Axel Enninger: Jetzt haben wir noch fünf Minuten. Bitte stell mir die Gluten-Frage, unbedingt! [Publikum lacht.]

Nibras Naami: Ich wollte gerade mit dir zurück ins Berliner Hipstercafé, das du eben angesprochen hast. Das fand ich ehrlicherweise ein bisschen unrealistisch. Ich trinke ehrlicherweise auch gerne meinen Kaffee mit Hafermilch, und ich habe immer die Schwierigkeit, dass ich denke, warum muss ich dafür 0,70 € Aufpreis bezahlen? Das finde ich immer frech.

Axel Enninger: Ich kann immer nur sagen, warum muss ich so strenge Blicke kassieren, wenn ich nach Kuhmilch frage? Auch nicht besser.

Nibras Naami: Sag mir mal das Café, wo du hingehst, dann können wir einfach tauschen. Aber Gluten: Das ist ja auch ein ganz heiß diskutiertes Thema, und ich kürze es mal ab. Viele Eltern denken, ich muss mein Kind glutenfrei ernähren, dann wird es ganz viele Krankheiten nicht bekommen.

Axel Enninger: Klar, ich werde ein Hollywoodstar, ich werde ein Sportstar. Es gibt jede Menge Prominente, die sich glutenfrei ernähren und die keine Zöliakie haben. Ist das eine gute Idee? Nein, es ist keine gute Idee. Glutenfreie Ernährung ist gut für Menschen, die eine Zöliakie haben. Die Diagnosestellung ist einfach. Wissen Sie alle, müssen wir nicht drüber reden. Man muss sich weizenfrei ernähren, wenn man eine Weizenallergie hat. Wie häufig ist das? 0,1 % der Bevölkerung. Es ist echt verdammt selten. Alle anderen, die sich glutenfrei ernähren, tun dies aus Lifestylegründen. Nochmal, Novak Djokovic, Wimbledon, Tennisspieler, der macht sowieso viele Sachen komisch, der ernährt sich glutenfrei. Gwyneth Paltrow ernährt sich glutenfrei, Katy Perry ernährt sich glutenfrei und das sind quasi Role Models. Gibt es dafür einen Grund? Nein, es gibt keinen vernünftigen Grund dafür. Aber es gibt Gründe, die dagegen sprechen. Nr. 1 ist: Wer sich glutenfrei ernährt und keine Zöliakie hat, isst weniger Vollkornprodukte. Und es gibt klare Daten dafür, dass der Konsum von Vollkornprodukten protektiv ist für Herz–Kreislauf-Erkrankungen. Das heißt, der Verzicht auf Gluten führt dazu, dass ich mich eigentlich ungesünder ernähre, nämlich fettreicher. Das heißt, für gesunde Menschen ist es keine gute Idee, sich glutenfrei zu ernähren, Punkt 1. Wenn man das als Erwachsener macht, von mir aus. Wenn man das mit seinen Kindern macht, finde ich es keine gute Idee, weil die Kinder lernen, Lebensmittel sind irgendwie gefährlich und das ist genau das Gegenteil von dem, was wir haben wollen. Wir wollen, dass die Kinder auf dem Markt sind, dass sie mit einkaufen gehen, dass sie sagen: ‚Hey, die Erdbeeren riechen gut, die Äpfel riechen gut. Ich möchte das gerne essen.‘ Sie sollen nicht lernen, dass Lebensmittel gefährlich sind. Sie stehen vorm Bäcker und denken: ‚Ha, sieht lecker aus, aber alles Gluten, alles gefährlich.‘ Das möchte ich nicht, dass ein 3-Jähriger das denkt, wenn er keine Zöliakie hat. [Publikum applaudiert.] Glutenfrei ist richtig für Zöliakie-Patienten und für Weizenallergie und sonst nicht.

 

„Ergotherapie im Alltag“ und die vier Seiten des „Essens-Quadrates“

Nibras Naami: Da sagst du so ein bisschen was, oder machst ein Fass auf, das wir sicher nicht komplett durchsteigen können. Es ist sowieso das Thema, wie erziehen wir unsere Kinder zu Ernährung. Wir wollten zum Beispiel auch noch sprechen über das Thema, wie es mit der Herstellung von Essen aussieht. Das Kochen von Essen. Für viele ist das Kochen von Essen eigentlich nur noch Stressthema. Dann kann ich ja die ganzen im Internet herausgefunden Erkenntnisse – so und so viel Milligramm hiervon so und so viel Mikrogramm davon und kein Gluten – alles natürlich selber umsetzen. Aber wir wollten eigentlich ja doch noch mal eine Lanze für das Selberkochen brechen.

Axel Enninger: Absolut!

Nibras Naami: Weil es doch noch viele andere Vorteile.

Axel Enninger: Wenn es irgendwie geht, tatsächlich. Basis: Lebensmittel einkaufen, selber kochen, Kinder mitkochen lassen. Also Herr Dernick ist, glaube ich, da [Redaktion: gemeint ist Dr. Rupert Dernick] – Ergotherapie im Alltag, der Klassiker sozusagen. Kinder sollen mitspielen, dann essen sie es meistens auch besser. Und Mediterranean Diet als gutes Beispiel dafür: Das Essen ist ein soziales Miteinander und Essen ist nicht nur Milligramm von irgendeinem Nahrungsmittel zu sich zu nehmen. [Publikum applaudiert.]

Nibras Naami: Wir wollten kurz über Picky Eater sprechen. Das schaffen wir jetzt nicht mehr. Aber ich finde, das passt ganz gut zu dem Koch-Thema. Ich bin persönlich davon überzeugt, dass es auch hilft, dass man Kindern eben nicht einen Teller vor die Nase schiebt und sagt: „Das ist es, jetzt bitte essen!“ Sondern genauso wie wir von Schulz von Thun gelernt haben, dass eine Nachricht vier Seiten hat, finde ich, dass Ernährung auch vier Seiten hat. Das ist einmal Ernährung planen, einkaufen gehen, Lebensmittel verarbeiten und dann essen. Und wenn man die Kinder in diese vier Seiten mit einspannt, sie mitnimmt zum Einkaufen, sagt: ‚Ja, das sind die Lebensmittel, guck mal, schneid doch mal hier die Gurke, schneid doch mal hier bitte mit, hilf in der Küche!‘, dass die Kinder dann, wenn das Essen dann auf dem Tisch steht, viel größeres Interesse haben, es kennenzulernen, als wenn man immer nur in der Hektik des Alltags ihnen einen Teller vor die Nase schiebt und sagt: ‚Jetzt wird gegessen.‘

Axel Enninger: Ansonsten ist mein Kurzratschlag für Picky Eater immer „liebevolle Hartnäckigkeit“. Ja.

 

Publikumsfragen: Picky Eater, Veganer, Laborkontrolle und Muskeln

Nibras Naami: Super. Wir sind mit der Zeit schon am Ende. Das ist hier verflogen wie nichts. Ich hatte noch so viele Fragen an dich, dazu, was ich noch alles von meiner Einkaufsliste streichen muss. Vielleicht gehst du einfach mit mir gleich einkaufen, dann können wir das zusammen regeln. Und ich glaube, wir widmen uns jetzt einfach mal den Fragen, die vielleicht entstanden sind, oder?

Axel Enninger: Machen wir. Vielen Dank.

Iris Eckhardt: Ja, ganz herzlichen Dank euch beiden. Ich glaube, wir können tatsächlich auch mit den Picky Eatern weitermachen, weil das schon die meistgelikten Fragen sind. Also die eine Frage ist: vegane Ernährung, das ist ein großes Thema. Und das andere sind tatsächlich die Picky Eater. Zur veganen Ernährung wär die Frage: Substitution ja/nein? Und die andere: Laborkontrollen ja/ein? Und wenn ja, welche?

Axel Enninger: Okay, gute Frage. Also, Substituieren bei Veganern: B12 immer! Gar keine Frage, geht nicht anders, braucht jeder. Wir müssen B12 substituieren, wenn es sein muss, also, wenn jemand sich vegan ernährt, gibt es darüber keine Frage. Das ist aber auch komischerweise selten eine Diskussion. Eltern sagen: ‚Ja klar, weiß ich, mache ich.‘ Eisen ist ein Thema. Stichwort: Vielfalt der Pflanzen, die mein Kind so zu sich nimmt. Ich empfehle eigentlich keine Routinekontrollen mehr. Da hat sich mein Vorgehen in den letzten zwei Jahren ein bisschen verändert. Wenn ich Zweifel habe, dass die Eltern das wirklich gut hinkriegen oder die Eltern sagen: ‚Naja, so zwei, drei Gemüsesorten geht schon, aber ansonsten ist es irgendwie noch ein bisschen schwierig‘, dann messe ich tatsächlich: Blutbild, mach ein Ferritin, mache einen Vitamin-D-Spiegel – ich hoffe, dafür werde ich nicht zu übel kritisiert – und mach einmal ein Holotranscobalamin als Parameter für B12. Das mache ich aber nicht bei denen, die gut tun, wo die Kinder prima und fit sind. Das empfehle ich nicht mehr bei allen. Habe ich vor einem Jahr noch anders gesagt. Ich weiß nicht, wie du das siehst. Ich meine, der Hämatologe hat ja da immer einen ganz besonderen Blickwinkel.

Nibras Naami: Ja, wir machen auch tatsächlich seit ein paar Monaten für diese Fragestellung noch mal eine spezielle Beratung. Weil ich so oft dazu gefragt werde und weil mich das Thema auch persönlich sehr interessiert, haben wir eben so eine Art kleine Ernährungssprechstunde für diese Fragestellungen entwickelt. Und mein Gefühl ist auch, immer mehr in die Richtung zu gehen, dass Kontrollen nicht notwendig sind, wenn vorher die paar Checkboxes abgehakt worden sind. Das Kind nimmt Vitamin B12. Das Kind hat eine abwechslungsreiche Ernährung, und das Kind hat gute Perzentilen und macht auf mich klinisch einen guten Eindruck. Dann ist es aus meiner Sicht nicht notwendig. Auf der anderen Seite, wenn es dann so ist, wie du das sagst, da gibt es so viele Fragezeichen, dann doch lieber schon.

Axel Enninger: Aber wenn eine Familie primär bei mir sitzt und sagt: ‚Mein Kind isst nur sehr ausgewählt.‘ Es gehört in diese Gruppe Picky Eater, dann würde ich sagen, ist es keine gute Idee, jetzt mit veganer Ernährung zu starten. Das wird nix, das muss man ganz klar sagen. Da will ich eine Vielfalt der Ernährung. Picky Eater und vegane Ernährung, das wird nichts zusammen. Da muss ich sagen: ‚Verzichten Sie, erst die Vielfalt erhöhen!‘, und dann können wir vielleicht im nächsten Schritt vegan ernähren. Aber beides gemeinsam geht erstmal nicht.

Nibras Naami: Aber vielleicht noch einen Satz: Auch omnivor ernährte Kinder haben manchmal ein Ernährungsmuster, das so schlecht ist und was man auch sieht. Das Kind wirkt vielleicht nicht gesund. Das Kind hat vielleicht perzentilentechnisch nicht erreicht, was es vielleicht kann. Auch dann kann eine Kontrolle vielleicht Sinn machen. Manchmal wird das, finde ich, zu sehr auf pflanzenbasiert und nicht-pflanzenbasiert reduziert. Ich denke, auch bei den omnivoren Kindern darf man mal nachgucken, wenn man ein komisches Gefühl hat.

Axel Enninger: Ja, ich glaube, die kennen wir auch alle. Ich sage mal, die etwas blassen, leicht rundlichen Kinder, die kennen Sie alle, oder? Diese Blassen mit Augenringen, da denken Sie: ‚Ah, wie gut ernährt bist du denn eigentlich?‘

Iris Eckhardt: Ich war ein bisschen irritiert, du hast vorhin mal kurz „Mikroalgen-Öl“ so im Nebensatz gesagt. Sollen wir das denn substituieren oder nicht?

Nibras Naami: Also das gehört nicht pauschal zu den Dingen, die substituiert werden müssen. Man muss sich immer fragen: Woher kriegen die Kinder ihr Omega-3 in diesen ersten 1.000 Tagen, von denen ich gesprochen hab? Wenn eine Familie sagt, wir essen zweimal, dreimal die Woche einen ausgewählten, fettreichen Fisch, das ist unsere ganz normale Hausernährung, dann ist es nicht notwendig. Wenn jemand sagt, unser Kind rührt Fisch in keinster Weise an, dann muss man sich fragen: Gibt es denn noch Quellen für Omega-3-Fettsäuren? Und da finde ich, kann man den Schritt gehen. Es gibt ja auch Präparate, Tropfen, die enthalten auch Vitamin D. Dann kann man ganz elegant sagen: Ja, dann nehmen wir das Vitamin D jetzt weg und geben das Mikroalgen-Öl. Da ist das Vitamin D auch wieder drin und das Kind substituiert dann zwei Sachen auf einen Schlag. Finde ich ganz elegant, kann man so machen.

Axel Enninger: Tue ich bislang nicht.

Iris Eckhardt: Genau, da sind wir schon noch mal bei den Veganern. Also, ihr sagt jetzt nicht obligat eine Laborkontrolle – noch mal zusammenfassend – aber eben die Checkliste mit Vitamin B.

Axel Enninger: Ja. Und sind die Eltern gut informiert, hat man den Eindruck, sie haben es verstanden, sie haben das Konzept verstanden? Dann klar. Dem Kind geht es gut, dann ist es, glaube ich, in Ordnung.

Iris Eckhardt: Aber dieses Kind hat keinen Fisch.

Axel Enninger: Eben, dieses Kind hat keinen Fisch? Da ist Nibras weiter als ich. Ich habe bislang kein Algenöl empfohlen, aber da lasse ich mich gerne von dir eines Besseren belehren.

Nibras Naami: Ich finde, das ist was anderes als beim Eisenmangel, wo nach 3 bis 6 Monaten schlechter Versorgung wirklich eine Anämie eintritt und das Kind wirklich blass ist, tachykard, vielleicht auch in seiner Fitness eingeschränkt, so dass man spürt, dass das Kind einen Mangel hat. Wenn ein Kind niemals mit Omega-3-Fettsäuren gut versorgt ist, dann kann es sein, dass wir das von außen gar nicht sehen, gar nicht merken, es aber auf die Entwicklung schon einen Einfluss hat. Es gibt einen gewissen Bedarf, den man pro Woche ja decken soll. Dafür gibt es Empfehlungen. Und wenn der zu null oder nur zu wenigen Prozent erfüllt ist durch die aktuelle Ernährung, habe ich meinerseits wiederum Schwierigkeiten zu sagen, wird schon alles so ganz gut sein und passen.

Axel Enninger: Aber Langzeitstudien haben wir dazu nicht.

Nibras Naami: Das haben wir nicht, nein.

Axel Enninger: Muss man, glaube ich, fairerweise sagen. Die gibt es nicht.

Iris Eckhardt: Das sind halt auch die Fragen, die kommen. Was mache ich eben mit den Kindern? Da sagt die Mama und der Kindergarten, er isst nur Nudeln, kein Obst, kein Gemüse. Da haben wir keinen Fisch. Dann kommen wir schon in die Nahrungsergänzungsmittel, die dann gefragt wären. Was sagen wir diesen Eltern in der Praxis, die vor uns sitzen?

Axel Enninger: Also, noch mal. Vor Nahrungsergänzungsmittel gehört eine, zwei und drei Ernährungsberatungen und im Zweifelsfall noch eine pädagogische Beratung dazu zum Thema Ess- und Ernährungsverhalten. Also, bevor ich jemandem, der nur Nudeln und Ketchup isst, fünf Nahrungsergänzungsmittel verordne, möchte ich, dass wir alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben. [Publikum applaudiert.] Also, auf das Thema Nahrungsergänzung springe ich nicht gut an!

Iris Eckhardt: Okay, dann gibt es noch eine Frage, die jetzt in den letzten Minuten hoch gelikt wurde. Jugendliche, die für ihre Fitness nach Kreatin fragen. Was ist da eine adäquate Lebensmittelempfehlung?

Axel Enninger: Unsexy, aber, glaube ich, ernährungsphysiologisch eigentlich gut ist: „Quark macht stark!“ Magerquark enthält viel Eiweiß, spricht überhaupt nichts dagegen, ist eine gesunde, ordentliche Proteinquelle. Da versuche ich immer dahingehend zu beraten. Aber am Ende werden wir es nicht verhindern. Wichtig ist, dass, wenn man solche Nahrungsergänzungsmittel kauft, man die nicht aus irgendwelchen dubiosen Quellen kauft. Manchmal kann man ja im Fitnessstudio so Plastikeimer kaufen, wo ich dann nicht wissen möchte, was da an Mikroplastik und sonstigem Schwermetall, Unsinn so drin ist. Also dann im Zweifelsfall lieber irgendetwas aus dem Drogeriemarkt. Aber ehrlich gesagt, für Teenager, Jugendliche, meistens Jungs, die Muckis kriegen wollen: Quark! [Publikum applaudiert.]

Iris Eckhardt: Gut. Stichwort Allergie. Sojamilch, Sojaprodukte. Gibt es da noch eine Empfehlung, dafür/dagegen? Wir sehen ja auch tatsächlich durch das vermehrte Erbsenprotein, das eingesetzt wird…

Axel Enninger: Ja, ist ein Thema. Es ist ein Thema. Es ist ein anderes Eiweiß und wenn ich von einem anderen Eiweiß mehr konsumiere, werden wir das automatisch mehr sehen. Es sei denn, Lars [Red.: gemeint ist Dr. Lars Lange], Du widersprichst mir, aber wenn mehr Soja konsumiert wird, werden wir mehr Sojaallergien sehen, oder? Alles andere würde mich wundern. Also vielleicht für diejenigen, die es nicht gehört haben: Hülsenfrüchte, sagt Herr Lange, wäre ein großes Thema. Auch da gibt es ja ein pflanzenbasiertes Milchersatzprodukt auf Erbsenproteinbasis. Auch da muss man aufpassen. Da gibt es wiederum eine Kreuzallergie zu? [Lauscht ins Publikum]. Erdnuss. Danke. Also zwischen diesen Erbsenprotein-basierten Dingen und Erdnuss. Vielen Dank. [Publikum applaudiert.]

 

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Sprecherin: Das war Consilium der Pädiatrie Podcast. Vielen Dank, dass Sie reingehört haben. Wir hoffen, es hat Ihnen gefallen und dass Sie das nächste Mal wieder dabei sind. Bitte bewerten Sie diesen Podcast und vor allem empfehlen Sie ihn Ihren Kollegen. Schreiben Sie uns gerne bei Anmerkungen und Rückmeldungen an die E-Mail-Adresse podcast@infectopharm.com. Die E-Mail-Adresse finden Sie auch noch in den Shownotes. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge. Ihr Team von InfectoPharm.

 

Hilfreiche Informationen:

 

Nachschlagewerk für Eltern:

Babor F & Naami N (2024) Kompass Kindermedizin: Alles, was Eltern wissen müssen. High Five – Die fünf Säulen der Kindergesundheit. dtv Verlagsgesellschaft, 448 Seiten.

 

Hilfreiche Informationen:

Nachschlagewerk für Eltern:

Babor F & Naami N (2024) Kompass Kindermedizin: Alles, was Eltern wissen müssen. High Five – Die fünf Säulen der Kindergesundheit. dtv Verlagsgesellschaft, 448 Seiten.

 

Literatur:

Reese I, Schäfer C, Ballmer-Weber B et al. (2022) Vegane Kostformen aus allergologischer Sicht – Positionspapier der Arbeitsgruppe Nahrungsmittelallergie der DGAKI, Allergologie 46(4) S. 233.

Reese I (2024) „Climate-friendly“ diets from an allergy point of view. Allergol Select 3(8) 199–205. doi: 10.5414/ALX02471E. PMID: 38756209. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC11097189/

Willett W, Rockström J, Loken B et al. (2019) Food in the Anthropocene: the EAT–Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems. The Lancet 393(10170) 447–492.

https://www.dge.de/presse/meldungen/2024/gut-essen-und-trinken-dge-stellt-neue-lebensmittelbezogene-ernaehrungsempfehlungen-fuer-deutschland-vor/

NOVA-Lebensmittelklassifikation und hochverarbeitete Lebensmittel: https://de.wikipedia.org/wiki/NOVA_(Lebensmittelklassifikation).

https://de.wikipedia.org/wiki/NOVA_(Lebensmittelklassifikation)#Hochverarbeitete_Lebensmittel.

Lorenz J (2022) Hochverarbeitete Lebensmittel begünstigen chronisch entzündliche Darmerkrankungen (Zusammenfassung Artikel von Narula N in BMJ 2021). Dtsch Med Wochenschr 147.

Gehring J, Touvier M, Baudry J et al. (2021) Consumption of Ultra-Processed Foods by Pesco-Vegetarians, Vegetarians, and Vegans: Associations with Duration and Age at Diet Initiation. J Nutr 151(1) 120–131. doi: 10.1093/jn/nxaa196.

Aé J (2024) Ein Lebensmittel ist nicht automatisch ungesund, nur weil es hochverarbeitet ist. Produkte wie Veggieschnitzel werden beliebter, aber sind sie auch gesund? Ernährungswissenschaftler Martin Smollich und Lebensmittelchemiker Daniel Wefers über Zusatzstoffe, »biologische Wertigkeit« und Hormone im Tofu. 2.11.2024. https://www.spiegel.de/thema/vegane_ernaehrung/

Smollich M (2019) Supplemente mit Omega-3-Fettsäuren: Gibt es evidenzbasierte Indikationen? Arzneiverordnung in der Praxis 46 (3–4).

 

Link:

Deutsche Gesellschaft der qualifizierten Ernährungstherapeuten und Ernährungsberater e.V. www.quetheb.de. Zuletzt besucht 26.7.2024.

 

Kontakte:

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Registergericht: Darmstadt – HRB 24623

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Verantwortlich für den Inhalt: Dr. Markus Rudolph

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