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consilium - DER PÄDIATRIE-PODCAST - Folge #55 - 07.02.2025

 

consilium – der Pädiatrie-Podcast

mit Dr. Axel Enninger

consilium Podcast mit Dr. Axel Enninger

 

Schüttelfrost und Urlaubsfreuden –
Fieber nach Tropenaufenthalt

 

Axel Enninger: Heute spreche ich mit:

PROF. DR. ULRICH HEININGER.

 


DR. AXEL ENNINGER…

… ist Kinder- und Jugendarzt aus Überzeugung und mit Leib und Seele. Er ist ärztlicher Direktor der Allgemeinen und Speziellen Pädiatrie am Klinikum Stuttgart, besser bekannt als das Olgahospital – in Stuttgart „das Olgäle“ genannt.Kardiologie in der pädiatrischen Praxis

Axel Enninger: Herzlich willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zu einer neuen Folge von consilium, dem Pädiatrie-Podcast. Sie waren möglicherweise im Sommer unterwegs, oder Ihre Patienten waren im Sommer unterwegs, und wenn Sie nicht nur in Frankreich, Spanien oder Griechenland waren, sondern vielleicht auch in den Tropen waren und Sie selber oder einer Ihrer Patienten bekommt Fieber, dann könnte Sie das heutige Thema besonders interessieren. Heute geht’s um Fieber nach Tropenaufenthalt, und mein Gesprächspartner ist Dr. Jonathan Remppis. Er ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, er arbeitet an der Kinderklinik in Tübingen und am Institut für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie. Er absolviert gerade seine Weiterbildung zum Facharzt für Infektiologie und Tropenmedizin. Und warum reden wir mit ihm über Fieber nach Tropenaufenthalt? Erstens, er hat das Thema selber vorgeschlagen und zweitens war er selber schon eine Weile in Gabun und drittens macht er gerade die Weiterbildung, die ich gerade schon erwähnt habe. Herzlich willkommen, lieber Herr Remppis!

 

Jonathan Remppis: Hallo!

 

Axel Enninger: Sie haben das Thema vorgeschlagen, und wenn man ein Thema vorschlägt, dann muss man ja auch denken, dass es jetzt wirklich ein relevantes Thema ist. Warum ist es relevant, und warum denken Sie, dass es gut ist, wenn wir darüber jetzt mal ein Dreiviertelstündchen reden?

 

Jonathan Remppis: Genau. Das Thema ist von daher relevant, weil es oft vernachlässigt wird und weil zumindest bei uns in Tübingen, aber wahrscheinlich auch in Stuttgart, dieser Fall Fieber nach Tropenaufenthalt dann eben doch so selten auftritt, dass man nicht immer auf dem Schirm hat, was man tun soll oder muss. Dazu kommt noch, dass es dann oft auch wirklich an den organisatorischen Dingen hapert. Dann weiß man zwar vielleicht theoretisch, welche Diagnostik angezeigt wäre, aber hat keine Ahnung in dem Moment, im Nachtdienst, wo ich diesen Test jetzt herkriege.

 

Axel Enninger: Das heißt, es ist schon selten, ganz klar. Wer aus dem Urlaub wiederkommt, muss nicht unbedingt eine Tropenkrankheit haben, aber in der Tat, Fieber nach Tropenaufenthalt: Da gibt’s zumindest ein paar Besonderheiten. Die wollen wir heute mal ein bisschen „auseinanderfieseln“. Ganz banal kann man ja sagen: Fieber nach Tropenaufenthalt – worüber reden wir? Fünf Tage, sieben Tage, drei Jahre? Was ist Fieber nach Tropenaufenthalt?

 

Jonathan Remppis: Genau, eine sehr gute Frage! Das ist ja auch gleich schon die erste Frage, die man den Patienten stellen sollte: „Wann waren Sie eigentlich in den Tropen? Wann sind Sie zurückgekommen?“ Also, tropenmedizinische Erkrankungen sind umso wahrscheinlich je näher der Tropenaufenthalt zurückliegt, also insbesondere die ersten Wochen oder Monate nach Rückkehr. Aber in Einzelfällen gibt es auch Krankheiten, die Jahre später noch eine Rolle spielen.

 

Besonders in den ersten vier Monaten auf dem Schirm haben

Axel Enninger: Okay. Jede Fachgesellschaft macht in ihren Leitlinien oder in irgendwelchen Regularien Angaben, beispielsweise bei funktionelle Bauchschmerzen, so und so viele Monate, so und so häufig… Was ist da ein typischer Zeitraum, wo der Tropenmediziner sagt: „Also in der Zeit müsst ihr besonders daran denken!“?

 

Jonathan Remppis: Das hängt natürlich immer davon ab, an was man denken sollte, aber jetzt spezifisch für die Malaria, über die wir sicher noch mehr reden werden, gilt: Die ersten vier Monate nach Tropenaufenthalt sollte man besonders daran denken, und danach immer noch, wenn man praktisch unklare Symptome hat und nicht weiterkommt.

 

Axel Enninger: Das heißt, bei Ihnen sind vier Monate sozusagen prime time, danach wird es immer unwahrscheinlicher, aber zumindest, wenn man lange sucht und so gar nichts hat und findet es anamnestisch, dann sollte es „klick“ machen und man sollte sagen: ‚Wir müssen vielleicht nochmal anders und breiter denken.‘ Jetzt haben wir ja in der Kinderheilkunde häufig das Thema Fieber. Wir haben häufig das Thema irgendwie Fieber und ein bisschen Infekt, ein bisschen „Rotz“, ein bisschen Husten, und gleichzeitig habe ich die Anamnese. Das ist vielleicht eine aus Afrika, Subsahara, stammende Familie. Sie waren im Sommer in ihrer Heimatregion, und vor mir sitzt ein fieberndes, aber gleichzeitig „rotzelndes“ Kind. Muss ich gucken oder muss ich nicht gucken?

 

Malaria immer zusätzlich ausschließen

Jonathan Remppis: Ja, Sie müssen gucken! Es ist speziell bei der Malaria so, dass das Fieber zwar das Leitsymptom ist, aber es noch eine ganze Reihe an unspezifischen, weiteren Symptomen gibt, von Kopfschmerzen über Gliederschmerzen, Durchfall, Erbrechen, Husten, Dyspnoe. Keines dieser Symptome macht die Malaria unwahrscheinlicher.

 

Axel Enninger: Also, das heißt, Sie sagen ganz klar: Fieber und Zeichen des Luftwegsinfektes, Zeichen der GE und trotzdem, bei solch einer Anamnese kann man nicht sagen, es wird schon irgendwie ein Virusinfekt sein?

 

Jonathan Remppis: Genau. Also, ich denke, es ist schon so, dass die meisten fiebernden Kinder nach Tropenaufenthalt eine banale Infektion haben, die auch bei uns vorkommt, viraler Luftwegsinfekt oder Gastroenteritis. Aber es ist halt nicht ausreichend, um das diagnostizieren zu können, also man muss immer zusätzlich die Malaria ausschließen!

 

Schnelles Testen ist wichtig, auch nach Malaria-Prophylaxe

Axel Enninger: Ich erinnere mich, es ist lange, lange, lange her… brauchen wir noch Fieberkalender? Brauchen wir circadiane Rhythmen? Brauchen wir irgendwie Kurven, die uns weiterhelfen? Oder ist das Oldschool-Denken?

 

Jonathan Remppis: Also prinzipiell hat sich die Malaria seitdem nicht verändert, aber es ist schon in der einzelnen Anamnese schwierig, es so genau auseinanderzuhalten. Wenn die Familie tatsächlich erzählt, Fieber tritt alle 48 Stunden auf, und man kann die Uhr danach stellen, wäre das schon hinweisend auf Malaria tertiana, aber meistens ist es halt nicht so eindeutig. Gerade bei der häufigsten Form oder gefährlichsten, der Malaria tropica, ist das Fieber ja auch unregelmäßig. Da hilft uns ein Fiebertagebuch nicht weiter.

 

Axel Enninger: Okay, und nochmal: Ihr Credo war, selbst mit Zeichen des Luftwegsinfektes, Zeichen der Gastroenteritis, und die Rückkehr von der Tropenreise ist kürzer als vier Monate her, trotzdem gucken!

 

Jonathan Remppis: Genau, und man sollte halt auch schon schnell gucken. Die Malaria ist potenziell eine lebensbedrohliche Erkrankung, und das heißt, man sollte wirklich gucken, dass man das Ergebnis schnell, nach Möglichkeit am gleichen Tag bekommt. Bei uns in der Notaufnahme versuchen wir, den Patienten praktisch so lange in der Notaufnahme zu lassen, bis wir das Ergebnis haben.

 

Axel Enninger: Okay, macht es einen Unterschied, ob er Prophylaxe eingenommen hat oder nicht?

 

Jonathan Remppis: Also erst einmal nein, man muss trotzdem dran denken. Die Prophylaxe ist nie ein 100%iger Schutz, und auch wenn jemand sagt, er hat regelmäßig Prophylaxe genommen, sollte man die Malaria ausschließen. Es kann daher einen Unterschied machen, dass eine inadäquat eingenommene Malaria-Prophylaxe die Symptome verzögern oder verschleiern kann. Dann sollte man sogar noch nach diesen vier Monaten eher an Malaria denken.

 

Axel Enninger: Okay, also das schon einmal ein guter Hinweis. Nr. 1: Eine eingenommene Malaria-Prophylaxe ändert nichts an dem Vorgehen. Und wenn ich es, sage ich mal, etwas schlampig eingenommen habe, dann muss ich noch länger dran denken. Da weiß ich, wovon ich spreche. Ich habe mal schlampig Malaria-Prophylaxe eingenommen, kam wieder und hatte Malaria. Keine Empfehlung, die ich weitergeben möchte! Dann gibt es manchmal so ein bisschen Unsicherheit in der Notaufnahme, und man denkt: ‚Ja, die Leute waren irgendwie im Land XY.‘ Man denkt irgendwie an Malaria. Und dann ist irgendein schlauer Kollege da, der sagt: „Da gibt’s doch gar keine Malaria!“ Wo gucke ich das denn nach? Woher weiß ich denn, wo es Malaria gibt?

 

Fragen nach Tropenaufenthalt!

Jonathan Remppis: Genau. Den ersten Schritt haben Sie jetzt schon übersprungen, dass man überhaupt danach fragen soll. Es ist ja nicht so, dass es einem alle immer gleich erzählen. Also, ich denke, die erste wichtige Botschaft ist die, dass man den Menschen danach fragen sollte, ob sie gerade irgendwo in den Tropen waren. Genau, und dann, wenn man jetzt diese Info hat, Familie war drei Monate in Nigeria oder wo auch immer, dann gibt es von der DTG, Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und internationale Gesundheit, frei zugänglich auf ihrer Website ziemlich detailreiche Karten und auch Tabellen, wo genau ersichtlich ist, in welchem Teil des Landes Malaria-Hochrisikogebiet ist oder niedriges Malariarisiko oder auch gar kein Malariarisiko.

 

Axel Enninger: Okay, die Internetadresse verlinken wir in den Shownotes, wie es neudeutsch heißt. Sie können sie vielleicht trotzdem sagen, wenn Sie sie gerade auswendig wissen.

 

Jonathan Remppis: Ja, es ist auch ziemlich einfach: www.dtg.org.

 

Axel Enninger: Okay. Da schauen wir nach, ob es denn da überhaupt Malaria gibt. Darauf kann man sich so gut verlassen, dass, wenn die Reiseregion gar nicht auf der Karte abgebildet ist, ich da sagen kann, ich muss jetzt auch nicht an Malaria denken?

 

Jonathan Remppis: Genau, prinzipiell schon. Man sollte natürlich immer noch mal genau nachfragen. Es gibt ja auch Menschen, die sind dann irgendwie über ein Transitland nach Hause geflogen und könnten sich da angesteckt haben. Aber eigentlich, wenn sie das Malariagebiet nie betreten haben, dann ist die Malaria mit größter Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen.

 

Axel Enninger: Wenn wir jetzt gerade bei Internetseiten sind: Gibt es noch andere Internetseiten, wo Sie sagen würden, wenn man sich grundsätzlich ein wenig informieren will, würden Sie Seite XY empfehlen?

 

Jonathan Remppis: Prinzipiell hat das Auswärtige Amt zu jedem Land Reiseinfos. Auf die kann man sich auch verlassen. Und dann gibt’s auch noch CRM, Zentrum für Reisemedizin, www.crm.de. Da gibt es auch einzelne Länderinfos.

 

Fieber – Ausnahmen bestätigen die Regel

Axel Enninger: Okay. Sie hatten es vorhin schon gesagt: Fieber existiert sozusagen immer bei Malaria. Malaria ohne Fieber gibt es nicht, oder?

 

Jonathan Remppis: Nee, das kann man so nicht sagen. Es ist schon mit Abstand das wichtigste und häufigste Symptome, aber es gibt vor allem bei Menschen, die eine Semi-Immunität haben, also die in einem Malariagebiet aufgewachsen sind oder bis vor kurzem dort noch gelebt haben, auch Verläufe mit abgeschwächter Symptomatik oder sogar asymptomatische Verläufe. Also das heißt im Einzelfall, wenn jetzt jemand aus dem Malariagebiet kommt, kein Fieber hat, aber andere unerklärbare Symptome, wie zum Beispiel starke Kopfschmerzen, Übelkeit, Bauchschmerzen, dann lohnt sich’s auch, danach zu schauen.

 

Axel Enninger: Okay, das ist für mich völlig neu. Also, grundsätzlich gibt es Malaria mit wenig oder keinem Fieber, macht natürlich Sinn. Also, wenn ich in Nigeria aufgewachsen bin, schon dreimal Malaria hatte, dann kann man sich vorstellen, dass die Immunreaktion eine andere ist.

 

Jonathan Remppis: Genau. Gleichzeitig ist es ja auch so, dass diese Menschen dann einen gewissen Schutz haben, also auch ein Stück weit weniger gefährdet sind für diese ganz schweren Verläufe.

 

Axel Enninger: Okay. Also, wir haben No.1: Wir reden über Malaria, und Malaria ist tatsächlich sozusagen der Topscorer unter den Tropenerkrankungen?

 

Jonathan Remppis: Genau. Das ist einfach einerseits eine der gefährlichsten Erkrankungen und häufigsten und andererseits eben auch eine Erkrankung, die man gut behandeln kann. Deswegen lohnt es sich auch, frühzeitig danach zu schauen. Je schneller man es weiß, desto schneller kann man die Therapie beginnen und desto besser ist die Prognose.

 

Axel Enninger: Okay. Wir jetzt mal die ersten Schritte richtig gemacht. Wir haben eine ordentliche Anamnese erhoben. Sie haben uns versichert, dass sie aus einem Malariagebiet kommen. Wir denken dran, und dann machen wir welche Diagnostik?

 

Goldstandard Mikroskopie und Hilfsmittel Antigen-Schnelltest

Jonathan Remppis: Da gilt weiterhin, dass der Goldstandard der „dicke Tropfen“ ist, also die Mikroskopie.

 

Axel Enninger: Das müssen wir, glaube ich, noch mal sagen, wir haben relativ viele junge Zuhörerinnen und Zuhörer. Dann müssen Sie noch mal erläutern, was der „dicke Tropfen“ ist. Man stellt sich da alle möglichen komischen Sachen vor. Was ist denn der „dicke Tropfen“?

 

Jonathan Remppis: Also, der „dicke Tropfen“ ist eigentlich wirklich so, wie man es sich auch bildlich vorstellt. Man nimmt einen dicken Tropfen Blut und tropft ihn auf einen Objektträger, und ohne ihn auszustreichen, wird er gefärbt und mikroskopiert.

 

Axel Enninger: Ein entweder nicht oder dick ausgestrichener Blutausstrich.

 

Jonathan Remppis: Bei uns machen wir es normalerweise mit einer Pipette aus einem EDTA-Röhrchen. In Gabun zum Beispiel habe ich es auch erlebt, dass wirklich der Finger einfach direkt auf den Objektträger gedrückt wird, mit dem Bluttropfen. Dann hat man auch schon den dicken Tropfen.

 

Axel Enninger: Okay! Also, Goldstandard „dicker Tropfen“ mit Mikroskopie. Also, ich hab noch nie in ein Mikroskop geguckt und nach Plasmodien gesucht. Ich gehe mal davon aus, dass viele der niedergelassenen KollegInnen es auch nicht können und auch viele der jungen Diensthabenden es nicht können. Was mache ich denn, wenn ich es nicht kann?

 

Jonathan Remppis: Genau, dann würde ich auch nicht empfehlen, dass Sie unbedingt derjenige sind, der s emikroskopieren sollte, weil es schon Sinn macht, dass es jemand ist, der einfach Erfahrung hat. Gerade wenn es eben eine niedrige Parasitämie ist, kann man sie auch leicht übersehen. Deswegen sollte man eben schauen, was die nächstgelegene Stelle ist, die das ermöglicht. Da haben wir es in Tübingen einfach, weil wir sogar gleich zwei Institute haben, also das Institut für Tropenmedizin und dann auch die Tropenklinik. Das ist sicher in anderen Regionen schwieriger, aber man sollte halt schon da hinterher sein und wirklich Kontakt aufnehmen mit einem Tropeninstitut oder sonst irgendeiner Institution, die die Mikroskopie regelmäßig macht, und dann auch wirklich hinterher sein und sagen: „Wir brauchen dieses Ergebnis so schnell wie möglich!“

 

Axel Enninger: Klassiker: 23.00 Uhr abends. Ich warte aber bis zum nächsten Morgen, bis ich sozusagen den Versand losschicke, oder? Oder nicht?

 

Jonathan Remppis: Im Idealfall läuft es natürlich am gleichen Tag, aber das ist schon, muss man auch zugeben, nicht immer praktikabel. Dann gibt es schon noch diese Antigen-Schnelltests als Behelfslösung. Diese Antigen-Schnelltests kann man sich ähnlich vorstellen wie einen Corona-Test. Da wird ein bisschen Blut draufgetropft, und dann hat man innerhalb von ein paar Minuten entweder einen Strich oder zwei Striche. Sie haben ihre Tücken. Erstens können sie auch falsch negativ sein, und man kriegt auch weniger Informationen. Man erfährt keine Parasitämie dadurch. Deswegen sind sie vor allem gut, praktisch für diese ersten Stunden, um schnell zu wissen, ob eine Malaria in Frage kommt. Dann würde man auch schon die Therapie beginnen, sobald dieser Schnelltest positiv ist, sollte aber zeitgleich immer, wenn man an Malaria denkt, auch diese Mikroskopie veranlassen.

 

Axel Enninger: Okay, das heißt, Ihr Rat ist erstens: Wenn nicht geklärt, kümmert euch darum, wo euer nächstes fähiges Tropeninstitut ist, wo ihr den dicken Tropfen hinschicken könnte. Und der zweite Rat ist: Ein paar Schnelltests in der Notaufnahme zur Verfügung zu haben oder auch in der Praxis zur Verfügung zu haben, ist mal kein Fehler.

 

Jonathan Remppis: Genau, das ist bei uns zum Beispiel im Zentrallabor immer verfügbar, aber das ist sicher je nach Institution dann unterschiedlich gehandhabt.

 

Axel Enninger: Diese Schnelltests kennen wir ja seit Corona tatsächlich alle. Aber Sie sagen auch, sie sind mittlerweile so zuverlässig, dass man sagen kann: Die Anamnese passt, die Klinik passt, der Schnelltest passt: Ich warte nicht auf das Ergebnis der Mikroskopie, sondern fange dann schon an zu behandeln.

 

Jonathan Remppis: Genau. In der Regel, wenn der Schnelltest positiv ist, wird die Mikroskopie auch positiv sein. Es gibt natürlich immer Ausnahmen, aber da kann man sich in der Regel schon drauf verlassen.

 

Axel Enninger: Okay, und jetzt spielen wir mal das „wahre Leben“. Der Schnelltest ist negativ. Wir haben morgens ein Taxi losgeschickt oder einen Kurier losgeschickt, und die Probe geht verschütt. So ist es ja im wahren Leben.

 

Jonathan Remppis: Das kann schon durchaus passieren.

 

Axel Enninger: Kennen wir. Okay, dann verlasse ich mich auf den Schnelltest, oder mache ich den nochmal?

 

Jonathan Remppis: Man darf sich eben nicht darauf verlassen. Es schließt eben die Malaria nicht aus. Gerade zu Beginn, wenn die Parasitämie sehr niedrig ist, kann er falsch-negativ sein. Er kann aber auch falsch-negativ sein, wenn die Parasitämie schon zu hoch ist. Das ist natürlich der besonders gefährliche Fall. Das heißt, wenn es tatsächlich so ist, dann muss der Patient nochmal einbestellt werden, und man muss halt nochmal Blut abnehmen.

 

Axel Enninger: Okay. Schnelltest negativ, „dicker Tropfen“ ordentlich im Labor angekommen. Labor sagt: „Wir sehen nix.“ Patient fiebert munter weiter.

 

Jonathan Remppis: Da kommt hinzu, dass eine einmalige Mikroskopie die Malaria auch noch nicht mit Sicherheit ausschließen kann. Wie gesagt, steigt die Parasitämie exponentiell an durch die Multiplikation in den Erythrozyten. Es kann am Anfang sein, dass man es einfach noch nicht mikroskopisch sehen kann. Deswegen ist dann die Empfehlung, dass man diese Mikroskopie alle 24 Stunden wiederholen sollte, solange die Symptome fortbestehen.

 

Stellenwert der PCR

Axel Enninger: Als Mensch im Jahr 2024 kann man denken: ‚Das ist doch alles irgendwie old school, „dicker Tropfen“, Schnelltest! Wir haben doch für alles PCRs!‘ Wie stehen wir denn da bei Malaria?

 

Jonathan Remppis: Die PCRs gibt’s auch, aber die sind für diese erste Diagnostik nicht überlegen. Sie haben eher Nachteile. Abgesehen davon, dass sie noch schlechter verfügbar sind als die Mikroskopie, liefern sie eine schlechtere Einschätzung der Parasitämie. Deswegen ist die PCR vor allem zum Beispiel für den Fall gedacht, dass man wiederholt in der Mikroskopie nichts findet, aber weiterhin den Verdacht auf eine Malaria hat. Dann kann man die PCR noch ergänzen. Oder wirklich für spezielle Fragen. Das machen dann in der Regel Tropeninstitute. Gibt’s vielleicht noch eine Mischinfektion oder ist irgendeine seltene Plasmodien-Spezies beteiligt? Dafür kann man dann die PCR verwenden.

 

Axel Enninger: Okay, aber da würden Sie dann sagen, PCR macht man in Rücksprache mit dem Spezialisten? Das ist jetzt nichts, was man selber aktiv indizieren muss?

 

Jonathan Remppis: Genau, das haben ja meistens nur die Tropeninstitute bei sich verfügbar, und das würde man sowieso in Absprache mit ihnen machen.

 

Dengue-Fieber

Axel Enninger: Okay, jetzt haben wir ganz viel über Malaria gesprochen und darüber, dass sie wahrscheinlich ist. Wenn es das dann nicht ist, steht sozusagen auf der „Liste“, die jeder von uns innerlich durchgeht, Dengue ganz oben. Wann denke ich an Dengue?

 

Jonathan Remppis: An Dengue kann man eigentlich auch immer bei jedem Fieber nach Tropenaufenthalt denken. Das gibt es auch weltweit, sogar noch weiter verbreitet als Malaria. Dengue ist an sich erst einmal nicht so gefährlich wie Malaria. Es gibt zwar auch selten diese hämorrhagischen Verläufe, aber es ist deutlich seltener. Deswegen ist es nicht ganz so weit oben auf der Prioritätenliste, dass man es ausschließen muss. Man würde sicher, wenn jemand mit Fieber aus einem Dengue-Gebiet kommt, einmal einen Test machen. Da gibt es relativ einfach verfügbare Antigen-Tests, die dann praktisch Antigen und auch Antikörper nachweisen können. Was bei Dengue noch speziell ist, es hat eine relativ kurze Inkubationszeit. Sie ist deutlich kürzer als bei Malaria. Deswegen kann jemand, der schon mehr als zwei Wochen zurück ist aus den Tropen und dann Fieber bekommt, eigentlich kein Dengue mehr haben.

 

Axel Enninger: Gibt es klinisch irgendetwas Spezifisches bei Dengue?

 

Jonathan Remppis: Ja, da gibt’s schon spezifische Symptome. Sie müssen nicht unbedingt alle vorhanden sein, aber typischerweise macht es starke Glieder- und Muskelschmerzen und Gelenkschmerzen, und es kann auch solch ein generalisiertes Erythem verursachen.

 

Axel Enninger: Hab ich das noch richtig im Kopf? Das erste Mal Dengue ist meistens kein Problem, das zweite Mal Dengue kann blöd werden?

 

Jonathan Remppis: Ja, haben Sie richtig im Kopf. Es ist trotzdem so, dass auch die zweite Dengue-Infektion in den meisten Fällen nicht schwer verläuft. Aber speziell bei Dengue gibt es dieses Phänomen, dass die Symptome beim zweiten Mal verstärkt werden können, wenn man sich mit einem anderen Serotyp ansteckt. Deswegen ist es schon richtig, beim zweiten Mal muss man noch vorsichtiger sein.

 

Axel Enninger: …weil die Komplikationen von Dengue welche sind?

 

Jonathan Remppis: Es kann einen hämorrhagischen Verlauf nehmen wie auch andere hämorrhagische Fiebererkrankungen, mit Schleimhautblutungen, inneren Blutungen, Hautblutungen.

 

Differenzialdiagnosen Typhus, Tuberkulose, Amöben, Tollwut…

Axel Enninger: Dann haben wir jetzt Malaria, Dengue. Was geht dem Tropenmediziner sonst noch durch den Kopf?

 

Jonathan Remppis: Da gibt’s noch eine ganze Reihe an Differenzialdiagnosen. Prinzipiell, kann ich noch einmal wiederholen, sind die häufigsten Erkrankungen bei Fieber nach Tropenaufenthalt weiterhin keine tropenspezifischen, sondern Dinge wie der virale Luftwegsinfekt, Harnwegsinfekt, Gastroenteritis… Dann gibt’s natürlich schon noch Differenzialdiagnosen. Es gibt zum Beispiel Typhus. Da wäre typisch, dass es lang anhaltend, langsam steigendes Fieber macht und Bauchschmerzen, Obstipation, später auch eventuell blutige Durchfälle und dann bis zur Sepsis verlaufen kann.

 

Axel Enninger: Also, da sagt der Gastroenterologe: üble Bauchschmerzen! Gelegentlich haben wir mal einen Typhus-Patienten. Sie haben üble Bauchschmerzen, sie quälen und winden sich, fiebern hoch und rauf und runter. Ich erinnere mich noch lebhaft, dass ich auch einmal in meinen Zeiten als Oberarzt wirklich unruhig wurde. Die Mutter des Patienten war Ärztin aus Indien, und ihr Spruch war: „You know, it’s typhoid, it takes a while.“ Sie war ganz entspannt, aber es kann schon echt übel werden. Okay, also Typhus. Tuberkulose?

 

Jonathan Remppis: Das ist bei Reisenden insgesamt keine häufige Diagnose. Es ist eher etwas aus der Flüchtlingsmedizin und bei Migranten. Daran muss man sicher denken, wenn sie anhaltend fiebern und husten und da natürlich großzügig Interferon-γ-Test, Röntgenbild.

 

Axel Enninger: Amöben?

 

Jonathan Remppis: Amöben, genau, spielen eine Rolle. Da gibt es einerseits die Gastroenteritis durch Amöben, die sich nicht unbedingt mit Fieber äußert. Es gibt aber auch, eher als Spätfolge, den Amöben-Leberabszess. Der macht anhaltend Fieber über Monate und eventuell auch rechtsseitige Oberbauchschmerzen. Den kann man sonographisch diagnostizieren. Also, das wäre etwas, was man bei langanhaltenden Fieber sicher auch bedenken sollte.

 

Axel Enninger: Gibt es noch andere Dinge, Rickettsien, Schistosomen, solche Dinge? Wo gucke ich es idealerweise nach? Diese Liste habe ich ja normalerweise nicht weit vorne in meinem Hirn.

 

Jonathan Remppis: Ja, richtig. Es gibt bei der DTG auch viele Informationen zu Tropenkrankheiten außerhalb von Malaria, und es wird im nächsten DGPI-Handbuch ein Kapitel zu Fieber nach Tropenaufenthalt geben. Bisher ist es noch nicht drin. Bisher gibt es einzelne Publikationen. Zum Beispiel von der Frau Knoll aus Mainz gibt’s eine Publikation zu Fieber bei pädiatrischen Tropenrückkehrern oder Reiserückkehrern. Da gibt es ganz schöne Listen, wo man nachschauen kann: Dieses Land, dieser Zeitraum, diese Symptome, was kommt in Frage?

 

Axel Enninger: Okay, verlinken wir auch in die Shownotes. Eine Krankheit macht vielen Leuten doch, glaube ich, berechtigterweise Sorge: Tollwut.

 

Jonathan Remppis: Das ist schon immer noch eine seltene Krankheit, aber es gibt Gebiete, wo es deutlich häufiger ist. Weltweit gesehen ist es ein großes Problem. Viele Menschen und auch Kinder sterben an Tollwut, speziell im asiatischen Raum, Indien, Südostasien. Da ist die Empfehlung, wenn man sich auf solch eine Reise vorbereitet, dass man Kinder schon sehr großzügig gegen Tollwut impfen sollte, noch großzügiger als Erwachsene, weil Kinder einfach gerne mit Tieren in Kontakt kommen, gerne mal mit Hunden spielen. Zusätzlich muss man aber trotzdem, wenn es zu einem Hundebiss kommt, sich vor Ort noch einmal impfen lassen, das ist wichtig. Wenn man gar nicht geimpft ist und dann, sagen wir mal, in Südostasien von einem Hund gebissen wird, dann braucht man die notfallmäßige Immunglobulin-Injektionen um die Wunde. Das kann schwierig werden, es vor Ort überhaupt zu kriegen. Das geht wahrscheinlich in Bangkok noch ganz gut, aber wenn man irgendwo weiter draußen ist, dann heißt es oft auch, man muss notfallmäßig ausgeflogen werden. Das ist oft ein Argument für die Familien, dass sie ihre Kinder dann lieber impfen lassen, weil sie sagen, den Stress wollen sie sich auf keinen Fall geben.

 

Axel Enninger: Wir können vielleicht am Ende nochmal sagen, was der Tropenmediziner sagt, mit Kindern in welchem Alter Sie sagen würden: ‚Hey, Leute, müsst ihr vielleicht doch nicht tun.‘ Aber wir kommen vielleicht am Schluss nochmal drauf. Jetzt haben wir die ganzen Differenzialdiagnosen der Malaria schon so ein bisschen abgefrühstückt oder zumindest einmal angeteasert. Kommen wir wieder zurück zur Malaria! Sie haben gesagt, auch beim positiven Schnelltest, bevor ich den „dicken Tropfen“ zurückkriege, fange ich an zu behandeln. Wie behandele ich?

 

Therapie der Malaria

Jonathan Remppis: Das hängt erst einmal davon ab, welche Malariaform vorliegt. Es gibt ja verschiedene Spezies.

 

Axel Enninger: Das sagt mir doch Schnelltest nicht?

 

Jonathan Remppis: Es gibt Schnelltests, die auch unterscheiden, aber im Zweifelsfall würde man immer von der gefährlichsten Form ausgehen. Das ist die Malaria tropica. Dann kommt es darauf an, ob es eine unkomplizierte oder eine schwere Malaria ist, und das hängt von verschiedenen Kriterien ab. Erst einmal vom Allgemeinzustand des Patienten. Da gibt es unter anderem eine AWMF-Leitlinie zur Malaria, wo es Kriterien gibt. Bedrohliche Kriterien für eine schwere Malaria wären zum Beispiel Bewusstseinsstörungen, Krampfanfälle, Spontanblutungen, aber auch ein hohes Laktat, eine Hypoglykämie, deutlich erhöhte Leberwerte. Das sind alles praktisch Kriterien für eine schwere Malaria.

 

Axel Enninger: Also für eine komplizierte Malaria?

 

Jonathan Remppis: Ja, man kann das synonym verwenden, „kompliziert“ oder „schwer“.

 

Axel Enninger: Und das heißt, die muss ich aufnehmen, klar, die sind so krank, und dann behandele ich wie?

 

Jonathan Remppis: Aufnehmen würde man in Deutschland jedes Kind mit einer Malaria tropica, und wenn es eine schwere ist, würde man das Kind lieber auf die Intensivstation aufnehmen oder zumindest auf einer IMC sehr engmaschig überwachen. Bei der schweren Malaria fängt man intravenös an, mit Artesunat und bei der unkomplizierten Malaria ist die Therapie oral. Es gibt verschiedene Medikamente, aber das Mittel der Wahl ist Artemether/Lumefantrin.

 

Axel Enninger: Okay! Das gucke ich nach… wo, haben Sie gesagt? DGPI-Handbuch?

 

Jonathan Remppis: DGPI-Handbuch oder in der AWMF-Leitlinie.

 

Axel Enninger: Gut. Dann behandele ich und – auch das habe ich tief in meinem Hirn, ohne dass ich es genau weiß – bei manchen ist es dann fertig, und bei manchen ist es nicht fertig. Wie war das nochmal?

 

Jonathan Remppis: Es gibt speziell bei der Malaria tertiana, die ja durch Plasmodium ovale oder durch Plasmodium vivax ausgelöst wird und eher nicht unbedingt Subsahara-Afrika vorkommt, sondern häufiger in Asien, da gibt es dieses Phänomen, dass die Plasmodien eine Langzeitform in der Leber bilden können, die sogenannten Hypnozoiten, und die können auch Monate oder teilweise Jahre später Rezidive verursachen. Die werden durch die Standardtherapie, also Artemether/Lumefantrin nicht eradiziert. Dann muss man im Anschluss an diese Therapie noch eine Eradikationstherapie anschließen mit Primaquin. Vorher muss aber der Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel ausgeschlossen werden, weil es sonst zu schweren Hämolysen kommen kann. Das würde man alles sicher auch in Absprache mit dem Tropeninstitut machen.

 

 

Klimawandel und Impfungen

Axel Enninger: Also, das halten wir fest. Es ist normalerweise fertig, außer bei der M. tertiana, und da behandeln wir sozusagen nach. Gibt’s mehr Malaria als früher, Stichwort Klimawandel? Es wird alles wärmer. Ist das Ausbreitungsgebiet größer geworden, oder stimmt das gar nicht?

 

Jonathan Remppis: Nee, langfristig gesehen wird es kleiner. Es gibt mehr Länder, die die Malaria in den Griff bekommen. Mit der Covid-Pandemie gab es jetzt wieder ein paar Rückschläge, wie auch bei anderen Tropenkrankheiten. Das kann man so nicht sagen, dass es mehr wird.

 

Axel Enninger: Wie machen die Länder es, wenn Sie sagen, Länder kriegen es in den Griff? Wie kriegen sie es in den Griff?

 

Jonathan Remppis: Da gibt es ein ganzes Paket an Maßnahmen. Das fängt an bei Veränderungen der Umweltbedingungen, dass es weniger stehende Gewässer gibt. Dann effektivere Therapien und seit einigen Jahren gibt es für Kinder in Endemiegebieten eine Impfung, die nicht zu 100 % schützt, aber sie spielt jetzt zunehmend, denke ich, auch eine Rolle.

 

Axel Enninger: Okay, das wäre meine nächste Frage gewesen. Impfung, hört man immer, ein Supersegen für die Menschheit wäre eine Impfung gegen Malaria. Wie weit sind wir da?

 

Jonathan Remppis: Malaria ist bei Kindern weltweit weiterhin eine der Top-Todesursachen, vor allem unter fünf Jahre. Jegliche Impfungen, die irgendetwas bringt, ist natürlich ein Segen, auf jeden Fall. Die Schutzrate ist aber trotzdem nur bei 30–40 % mit den Impfungen, die aktuell eingesetzt werden. Es ist weiterhin kein kompletter Schutz, und man braucht weitere zusätzliche Maßnahmen.

 

Axel Enninger: Okay, aber daran wird weiter ordentlich geforscht.

 

Jonathan Remppis: Genau, das ist ein großes Forschungsgebiet.

 

Axel Enninger: Ich glaub, große Sponsoren, Bill Gates steckt mit drin?

 

Jonathan Remppis: Genau, sie haben auch bei der Impfung, die jetzt schon existiert, diese RTS,S oder R21, eine große Rolle gespielt.

 

Axel Enninger: Dann habe Sie gesagt, der Klimawandel spielt bei der Malaria keine so große Rolle, aber für andere Tropenerkrankungen gilt das doch nicht, oder? Ich meine, man hört doch immer, es wird wärmer, wir kriegen Erreger, die früher in den Tropen waren, langsam auch zum Beispiel in der Poebene.

 

Jonathan Remppis: Es ist schon richtig, genau, dass sich manche Erreger oder vor allem auch die Vektoren, also die Mücken meistens, ausbreiten. Es gab jetzt ja einige Fälle von Westnile-Fieber in der Umgebung von Berlin, und was auch immer ganz groß in den Medien ist, ist Dengue. Bisher gibt es keine autochthon übertragenen Infektionen in Deutschland, aber auf der gleichen Breite, also in Paris zum Beispiel, da gab es das schon. Von daher ist es schon auf dem Vormarsch.

 

Axel Enninger: Nochmal für Nicht-Infektiologen, „autochton übertragen“ heißt was?

Jonathan Remppis: Dass ein Mensch eine Dengue-Infektion bekommt, ohne dass er jemals in den Tropen war oder dass er gereist war. Es ist aber so, dass es in Europa trotzdem ein seltenes Phänomen ist. Also man muss nicht bei jedem Menschen, der in Griechenland war und Fieber bekommt, einen Dengue-Test machen, aber das gibt es halt zunehmend.

 

Axel Enninger: Gibt es bei Dengue Impfungen?

 

Jonathan Remppis: Bei Dengue gibt’s auch eine Impfung, auch schon verschiedene Impfungen. Da ist aber das Problem das vorhin schon angesprochene Phänomen, dass die zweite Infektion schwerer verlaufen kann. „Antibody-dependent enhancement“ heißt es auch, das auch bei Impfungen auftreten kann. Die Sorge ist immer, dass Menschen, die man impft und die sich danach mit einem anderen Serotyp infizieren, vielleicht sogar eine noch schwerere Infektion kriegen. Mit dem aktuell zugelassenen Impfstoff Qdenga ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass so etwas passieren kann. Die Empfehlung ist, dass nur Menschen, die schon mal Dengue hatten, sich impfen lassen sollen. Das ist natürlich eine überschaubare Gruppe. Für die meisten Reisenden und vor allem für die meisten Kinder spielt es jetzt keine so große Rolle. Eher für Menschen, die immer wieder in die Tropen gehen, die sagen: ‚Okay, ich hatte schon mal Dengue, dann lasse ich mich jetzt impfen, damit ich es nicht noch einmal bekomme.‘

 

Visiting friends and relatives

Axel Enninger: Okay, Sie haben es gerade nochmal gesagt, für die meisten Reisenden – und viele von uns haben ja sozusagen den typischen Rucksacktouristen im Kopf, oder sag ich mal, den aktiv gebliebenen Jungrentner, der losreist. Was mir nicht so klar war, und das hatten Sie uns im Vorgespräch gesagt, was wir im Kopf haben müssen: Viele Familien, die aus diesen Ländern stammen, die während der Ferien alle miteinander nach Nigeria, nach Gabun oder sonstwohin reisen, das sind wahrscheinlich viel mehr als diese Traveller, die wir zunächst im Kopf haben, oder?

 

Jonathan Remppis: Genau, es ist zumindest eine große Gruppe und die Gruppe, die am häufigsten Probleme oder Komplikationen hat. In der Reisemedizin gibt es diesen Begriff „visiting friends und relatives“, vfr. Das ist die Gruppe von Menschen, die meistens Wurzeln zum Beispiel in einem afrikanischen Land hat. Sie reisen dorthin, um Freunde und Verwandte zu besuchen. Da ist es einfach häufiger so, dass sich die Menschen einerseits schlechter oder gar nicht beraten lassen und weniger medizinisch vorbereiten, aber andererseits ein größeres Risikoverhalten zeigen, also vielleicht in abgelegenere Gebiete reisen und weniger Präventionsmaßnahmen einsetzen. Deswegen ist bei den Reisenden, speziell auch Kindern, die schwere Infektionen nach Tropenreisen haben, der Anteil an vfr, visiting friends and relatives, sehr hoch.

 

Axel Enninger: Guter Punkt. Klar, wenn ich aus dem Land stamme und damit aufgewachsen bin, dass man irgendwie halt mal Malaria kriegt, dann denkt man anders darüber nach, als wenn der Rucksackreisende loszieht.

 

Jonathan Remppis: Das ist vielleicht auch noch ein guter Punkt mit dieser Semi-Immunität. Das ist ja etwas, das Menschen haben, die in einem Malaria-Endemiegebiet aufwachsen und es regelmäßig bekommen. Deren Kinder, die in Deutschland aufwachsen, haben das natürlich nicht, weil sie ja nie in Kontakt waren. Und auch die Erwachsenen, die schon ein paar Jahre in Deutschland sind, verlieren diese Immunität wieder. Bei ihnen kann die Malaria dann auch wieder so schlimm verlaufen wie bei Nicht-Einheimischen.

 

Axel Enninger: Ah, cool, sehr guter Punkt! Ich war mal in Malawi und habe mich gewundert, wie relativ locker sie damit umgingen. Und als ich dann selber einmal die Erfahrung gemacht habe, dachte ich: ‚Oh, wow!‘ Ich hab mich echt blöd krank gefühlt. Aber das passt natürlich ganz gut. Das heißt, wenn ich lange hier bin, kann ich genauso krank werden wie vorher.

 

Jonathan Remppis: Genau.

 

Vorbeugen ist besser und Verzicht manchmal ratsam

Axel Enninger: Dann kommen wir doch mal dazu: Was empfiehlt denn der Tropenmediziner jetzt zur Prävention? Was ist denn wichtig? Wo würden Sie sagen: ‚Hey Leute, bitte achtet darauf!‘

 

Jonathan Remppis: Es gibt allgemeingültige Maßnahmen, die man eigentlich allen Tropenreisenden empfehlen kann. Das betrifft einerseits, dass man unter einem Moskitonetz schlafen sollte, einem imprägnierten, intakten Moskitonetz oder in einem klimatisierten Raum. Dass man sich regelmäßig mit Repellents schützen sollte, wenn man vor die Tür geht. Da gibt es das DEET oder das Icaridin. Und dass man in den Tropen auch bevorzugt lange Kleidung tragen sollte, wobei man da, denke ich immer, auch ein bisschen pragmatisch bleiben muss. Ich glaube, keiner von uns wird immer lange, helle Kleidung tragen wollen, wenn er jetzt monatelang in den Tropen unterwegs ist. Das sind diese Basismaßnahmen. Dann gibt’s noch spezifisch für die Malaria die Chemoprophylaxe, das heißt, man nimmt dauerhaft Medikamente ein, damit die Malaria gar nicht ausbrechen kann. Also wenn man von der infizierten Mücke gestochen wird, wird praktisch der Erreger sofort abgetötet. Das empfiehlt man für Hochrisikogebiete. Da kann man bei der DTG auf den Karten nachschauen, wo jetzt wirklich Hochrisikogebiet ist, aber eigentlich zählt der Großteil von Subsahara-Afrika als Hochrisikogebiet, und da empfiehlt man als Medikament der Wahl in der Regel das Malarone, Atovaquon / Proguanil, das man einen Tag, bevor man einreist, anfängt zu nehmen und dann jeden Tag einnimmt bis sieben Tage nach Rückkehr.

 

Axel Enninger: Okay, also auf der Karte nachgucken, gucken, ob man es entweder sozusagen dauerhaft einnimmt oder Stand-by-Therapie macht?

 

Jonathan Remppis: Die Stand-by-Therapie gibt es schon noch, aber speziell bei Kindern, denke ich, musst du das auf jeden Fall kritisch hinterfragen. Stand-by-Therapie ist für Gebiete mit mittlerem Malariarisiko. Die Idee dahinter ist, wenn man irgendwo ist, wo kein Arzt verfügbar ist, der Malaria behandeln könnte oder diagnostizieren könnte, dass man sich dann selber behandelt auf gut Glück, wenn man Fieber kriegt und einfach sagt: ‚Okay, es wird schon Malaria sein. Ich fange jetzt einfach an mit der Therapie.‘ Aber das hat natürlich seine Tücken. Es kann ja auch etwas anderes sein. Deswegen ist es eigentlich nur empfohlen, wenn man irgendwo ist, wo innerhalb von 48 Stunden kein Arzt erreichbar ist. Da muss man sagen, sollte man mit Kindern sowieso nicht hinreisen!

 

Axel Enninger: Na, da kommen wir vielleicht gleich noch drauf. Sie haben schon gesagt, für Kinder gibt’s es das eh nicht, eine Stand-by-Therapie.

Jonathan Remppis: Das gibt es schon, aber wirklich für diesen Fall, dass man mehr als 48 Stunden entfernt ist.

 

Axel Enninger: Okay. Dann können wir ja vielleicht zu dem Thema gehen. Wo, sagt denn der Tropenmediziner: ‚Reisen in der Elternzeit ist super, aber vielleicht sollten eure Kinder mindestens so und so alt sein oder überlegt euch eure Ziele!‘ Was ist da ihr Rat?

 

Jonathan Remppis: Generell gibt es natürlich bei Reisen mit kleinen Kindern auch andere Faktoren. Dass man sich überlegt, welches Land will ich überhaupt bereisen, was ist vielleicht ein tolles Erlebnis und was ist einfach nur Stress? Abgesehen davon, was jetzt die Malaria betrifft, da gibt es die Empfehlung, dass man mit Kindern unter fünf Jahren nicht in Hochrisikogebiete reisen sollte. Das heißt, da muss man schon ein bisschen unterscheiden. In Thailand zum Beispiel ist jetzt eher ein niedriges Risiko. Da würde ich sagen, muss man nicht generell abraten, wenn man sich gut vorbereitet. Aber die Elternzeit nach Tansania mit einem Einjährigen? Da sollte man dann in der Reiseberatung schon sagen: ‚Eigentlich sollten Sie das gar nicht machen, weil es einfach gefährlich ist.‘

 

Axel Enninger: Okay, Schäfchengucken in Neuseeland wäre vielleicht irgendwie besser.

 

Jonathan Remppis: Ja, zum Beispiel, genau. Dann ist aber so, dass sich die Visiting-friends-and-relatives-Familien, es sich oft aber nicht nehmen lassen werden. Wenn halt die Oma in Kamerun wohnt, dann kann man da noch so oft abraten, sie werden trotzdem hinreisen. Dann ist es halt wichtig, dass man dann zumindest möglichst gut berät bezüglich Malariaprophylaxe, Verhalten bei Fieber etc.

 

Axel Enninger: Ja, super, also, wir hoffen jetzt nicht sozusagen allen in Elternzeit gehenden Travellern den Spaß verdorben zu haben, aber unter fünf in Malaria-Hochrisikogebiete? Bissel vorsichtig! Okay. Herr Remppis, es gibt ein traditionelles Element hier in diesem Podcast, und das heißt „Dos & Don‘ts“, also Dinge, die Sie als Tropenmediziner unbedingt positiv empfehlen möchten und Dinge, wo Sie sagen würden: ‚Ah, Leute, bitte lasst es sein!‘ Die Reihenfolge ist egal.

 

Nicht in Malaria-Hochrisikogebiete mit Unter-5-Jährigen, Malaria nicht vorschnell ausschließen, dran denken, Frage: „Waren Sie in den Tropen?“

Jonathan Remppis: Okay, ja, dann würde ich mit den Don‘ts anfangen. Eins ist eben, was wir gerade gesagt haben: Also mit Kindern unter fünf generell Malaria-Hochrisikogebiete meiden! Das wäre ein Don’t für die Patienten, weniger für uns als Ärzte. Ein weiteres Don’t wäre, sich vorschnell mit einer anderen Diagnose zufriedengeben, also dass man sagt: ‚Gut, das Kind hat zwar Fieber nach Tropenreise, aber es hat ja auch Husten, dann wird es schon der Atemwegsinfekt sein.‘ Also da einfach nicht zu schnell die Malaria ausschließen! Zum Thema „Dos“: Das Erste ist, denke ich, überhaupt dran zu denken, weil es ja das ist, woran es meistens hapert. Gerade in einem stressigen Notdienst kann man wahrscheinliche keine ausführliche Reiseanamnese bei jedem Patienten machen. Aber es ist ja wirklich eine Frage: „Waren Sie in den Tropen?“ Dass man da einfach großzügiger nachfragt. Und dann vielleicht noch ein Do zuerst für die Reiseberatung, was auch Niedergelassene, denke ich, betrifft: Wenn man praktisch Familien betreut, wo eigentlich schon absehbar ist, dass sie in die Tropen reisen werden, also nehmen wir mal die Familie mit kamerunischen Wurzeln, und man sieht das Kind dann vielleicht bei der U3 als niedergelassener Kinderarzt, dann ist die Wahrscheinlichkeit schon nicht so klein, dass die Familie irgendwann auch nach Kamerun reisen wird. Dann könnte man auch frühzeitig ansprechen: „Wenn die Reise ansteht, bitte kommen Sie vorher zu mir, dass wir einmal darüber reden.“ Dass man das einfach ein bisschen antizipiert. Man weiß halt, dass die Familien eben oft nicht in die Reiseberatung kommen.

 

Axel Enninger: Super, vielen herzlichen Dank! Ich fand es sehr spannend. Es hat mir viel Freude gemacht, und ich hoffe, Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ging es genauso. Wir freuen uns immer über, natürlich positive, Bewertungen. Wir freuen uns aber auch sonst über Rückmeldungen, freuen uns über Themenvorschläge, über Vorschläge für Gesprächspartnerinnen, Gesprächspartner, die für Sie interessant wären, und bleiben Sie uns gewogen, bis zum nächsten Mal!

 

 

 

Verbreitungskarten von Tropenkrankheiten:

https://www.dtg.org/

 

gut.beraten.reisen:

www.centrumfuerreisemedizin.de

 

Übersichtsartikel:

Knoll RL & Dennebaum MS (2021) Fieber bei pädiatrischen Reiserückkehrern. Monatsschr Kinderheilkd 169(5) 426–431. https://doi.org/10.1007/s00112-021-01147-3.

 

Leitlinie:

AWMF (2021) S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Malaria. Registernummer 042–001. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/042-001.

 

 

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Verantwortlich für den Inhalt: Dr. Markus Rudolph

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