consilium - DER PÄDIATRIE-PODCAST - Folge #56 - 07.03.2025
consilium – der Pädiatrie-Podcast
mit Dr. Axel Enninger
Depression – wenn es mehr ist als Traurigkeit und pubertäre Sinnkrise
Axel Enninger: Heute spreche ich mit:
PROF. DR. ULRICH HEININGER.
DR. AXEL ENNINGER…
… ist Kinder- und Jugendarzt aus Überzeugung und mit Leib und Seele. Er ist ärztlicher Direktor der Allgemeinen und Speziellen Pädiatrie am Klinikum Stuttgart, besser bekannt als das Olgahospital – in Stuttgart „das Olgäle“ genannt.Kardiologie in der pädiatrischen Praxis
Axel Enninger: Herzlich willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zu einer neuen Folge von consilium, dem Pädiatrie-Podcast. Mein Gast heute ist Professor Oliver Fricke. Er ist Kinder- und Jugendarzt. Er ist Kinder- und Jugendpsychiater und -psychotherapeut. Und er ist ein Kollege von mir, er ist nämlich der ärztliche Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie hier bei uns in Stuttgart. Wir wollen heute reden über das Thema Depression. Das Thema ist ja so ein bisschen in aller Munde. Und dahinter steht, dass man allseits denkt, es ist mehr geworden, das sind viel mehr geworden. Und zumindest gibt es ja bei uns hier in Stuttgart die Tatsache, dass ihr deutlich mehr Betten habt als früher, also deutlich gewachsen seid. Warum ist das so?
Oliver Fricke: Stuttgart hatte auf die große Stadt bezogen eigentlich relativ wenig kinder- und jugendpsychiatrische Betten. Und wir wissen, dass gerade solche Ereignisse wie Pandemie, aber auch das, was jetzt danach entstanden ist, Krieg beispielsweise in Europa, dazu führt, dass gerade in der Gruppe der Kinder und Jugendlichen, die zwar noch stabil stehen, aber empfindlicher sind, psychische Erkrankungen zu entwickeln, dann mehr erkranken. Und das hat das Land auch gesehen und dementsprechend das auch im Bettenplan umgesetzt. Die Stadt Stuttgart hat unterstützt. Das Klinikum hat es dann auch wirklich sehr elegant in eine gute Umsetzung gebracht. Und jetzt hat Stuttgart an der Stelle eine deutlich breitere Versorgung. Da viele psychische Erkrankungen mit depressiver Stimmungslage einhergehen, begleitend, ist es natürlich so, dass gerade auch diese Aspekte jetzt eine bessere Versorgung im Krankenhaus bekommen können.
Axel Enninger: Das heißt, es gab vorher schon eine Unterversorgung plus gestiegene Fallzahlen, plusminus Corona-getriggert. Okay. Jetzt ist ja „Depression“ so ein Wort, das ständig in der Zeitung steht und man hat das Gefühl, jeder sagt es. Da gibt es ja, sage ich mal so, das Spektrum vom Teenager mit Liebeskummer über die depressive Verstimmung bis zu einer handfesten Depression. Und ich ahne mal, dass ihr Kinder- und Jugendpsychiater es gerne griffig definiert hättet, oder?
Stimmung sackt nach unten weg, Gefühle blass, Mattigkeit, alles zäh
Oliver Fricke: Ja klar, natürlich, wie wir das grundsätzlich für jede Erkrankung einfordern, dass es da eine präzise Beschreibung gibt. Die gibt es in der Tat auch für die Depression. Depression ist etwas anderes als Traurigkeit und auch etwas anderes als ein Zustand wie im „Schweigen des jungen Werthers“ – beschrieben worden von Goethe – wo man himmelhoch jauchzend und zutiefst betrübt ist, sondern es ist eine Erkrankung, wo man in der Regel Schwierigkeiten hat, die Stimmung überhaupt in einer vernünftigen Balance zu halten, ohne dass sie nach unten wegsackt, und eine ganze Reihe von anderen Symptomen auch noch eine Rolle spielt. Das heißt häufig: Einengung in Gefühlen, dass Gefühle nicht mehr so farbig und prägnant erscheinen, dass Antriebsprobleme da sind, d. h., dass man den Alltag nicht mehr gut verrichtet bekommt, alles sich so zäh anfühlt. Viele depressiv Erkrankte haben auch körperliche Symptome, das heißt eine Mattigkeit. Das ist auch einer der Gründe, warum Kinder- und Jugendärzte nicht selten primäre Ansprechpartner sind – sollten sie sowieso sein, weil sie für den ganzen Menschen zuständig sind – aber, weil man es häufig auch am Anfang mit körperlichen Erkrankungen verwechseln kann. Also, es ist mehr als nur sozusagen das simple Gefühl, nicht glücklich zu sein.
Axel Enninger: Okay. Also, sag doch noch mal, du hast es gerade aufgezählt, was gehört dazu? Also die Stimmung ist das eine.
Körperliche Symptome, kognitive Phänomene
Oliver Fricke: Genau, die Stimmung ist das eine, der Antrieb ist das Zweite. Dann gibt es kognitive Phänomene. Viele Patienten beschreiben, dass Aufmerksamkeit nicht mehr so gut funktioniert, Arbeitsgedächtnisleistungen beeinträchtigt sind. Dann gibt es eben auch körperliche Symptome, vor allen Dingen Abgeschlagenheit, manchmal aber auch Bauchschmerzen, Kopfschmerzen bei den Kindern, Rückenschmerzen, all das kann vorkommen.
Depressivität oft assoziiert
Axel Enninger: Es ist ja relativ häufig bei euch Kinder- und Jugendpsychiatern so, dass ihr sagt, es gibt immer auch Anteile von anderen Störungen, das hört man immer. Das ist bei der Depression auch so, oder? Da gibt es oft auch andere Störungen, die damit assoziiert sind, Teile davon da sind. Wie ist denn das da?
Oliver Fricke: Ja, also so: Wir ordnen die Depressionen ja zu den affektiven Psychosen ein –oder affektiven Störungen, und wir haben andere Erkrankungen, wo Veränderungen im Affekt auch eine Rolle spielen. Ganz typisch ist das bei den emotionalen Störungen. Das ist eine Störungsgruppe, die ja vor allen Dingen jüngere Patienten betrifft und die immer einen angstbezogenen Anteil hat. Danach ist die emotionale Störung häufig auch benannt, beispielsweise mit „Trennungsangst“ oder „sozialen Ängsten“ und einem affektiven Anteil. Das ist dann der depressive Anteil dabei. Das heißt, bei Kindern sind häufig diese unterschiedlichen Emotionen nicht so klar trennbar. Und dann haben wir Erkrankungen, wo depressive Stimmungen typischerweise im Krankheitsverlauf mit auftreten. Ganz klassisch bei der Magersucht. Bei der Anorexie ist es sogar auch mit ein Kriterium oder eben halt auch bei Persönlichkeitsstörungen, dann, wenn es um Adoleszente geht. Ältere Jugendliche, junge Erwachsene, emotional instabile Persönlichkeitsstörung, wo auch depressive Stimmungslagen ganz typisch mit geschildert werden.
Depression, nach außen gerichtet oder nach innen
Axel Enninger: Gibt es denn einen Unterschied zwischen Erwachsenen und Jugendlichen?
Oliver Fricke: Ja, also es ist so, dass gerade Jugendliche…
Axel Enninger: Entschuldige, „Erwachsene und Kinder“ wollte ich eigentlich fragen.
Oliver Fricke: Aber da gibt es auch einen. Expansive Symptomatik oder extroversive, nach außen gerichtete Symptomatik, also dass jemand aggressiv ist oder nicht regelkonformes Verhalten hat, das kann durchaus auch im Rahmen von depressiven Störungen bei Jugendlichen oder auch Schulkindern auftreten. Das ist nicht so typisch für das Erwachsenenalter, wo es das ist, was wir klassisch kennen mit Antriebsstörung. Es ist nicht selten so, dass da die Differenzialdiagnose, wenn jetzt jemand nicht aus dem Kinder- und Jugendbereich kommt, auch durchaus mal nicht gelingen kann. Noch mal ein echtes Plädoyer dafür, dass wir alle, die wir Kinder- und Jugendmediziner sind, einen echten Stellenwert haben in der Diagnostik und Versorgung.
Axel Enninger: Okay, das finde ich so ein spannendes Wort: „expansiv“ sagt ihr immer. Das ist spannend. Wenn einer dadurch auffällt, dass er besonders laut ist oder stört oder sonst wie, kann man nicht sagen: ‚Na ja, dann wird er schon keine Depression haben.‘ Das ist falsch, oder?
Oliver Fricke: Exakt. Genau, das ist absolut falsch und das hat sehr viel mit dem Handlungsstil zu tun. Selbstverletzungen können ja auch im Rahmen von Depressionen auftreten. Ritzen, beispielsweise, ist eine sehr aggressive oder emotionsgeladene Symptomatik, aber nach innen gerichtet. Und wenn jemand dann im Rahmen nach außen gerichteter Symptomatik, weil er eher jemand ist, der extroversiv ist in seinem Handlungsstil, kann es mit den gleichen Gefühlen eine ganz andere Handlung erzeugen.
Axel Enninger: Spannend! Finde ich auch als Memo ganz gut: Jemand, der nach außen agiert – Achtung, Achtung, liebe Kollegen – der kann trotzdem eine Depression haben. Wie ist es denn mit der Entwicklungsstörung im Sinne von, der Kinder- und Jugendarzt denkt, der entwickelt sich eigentlich nicht so, wie ich mir das vorstelle? Auch da gibt es ja einen Link zur Depression, oder?
Wenn Entwicklungsthemen auffällig werden
Oliver Fricke: Ja, also, einmal ist natürlich die Depression wie jede Erkrankung im Kindes- und Jugendalter eine Entwicklungsbremse. Das haben wir ja auch bei kurzen Effekten. Wächst man ein paar Tage nicht, dann gibt es ein Aufholwachstum. Das gilt natürlich auch für psychische Reifungsprozesse. Das heißt, wenn jemand emotional sehr gebunden ist im Rahmen der Depression, kann er sich natürlich auch in Beziehung und im Erwerb anderer Dinge im psychischen Kontext nicht so gut entwickeln, als wenn er nicht depressiv ist. Das ist auch das, was durchaus zu beobachten ist, dass Patienten mit depressiven Störungen beispielsweise Schulleistungssprobleme bekommen, dass Entwicklungsthemen auffällig werden und dass, wenn Aufmerksamkeit beispielsweise mit eine Rolle spielt, sich durchaus auch mal die Frage stellt, ist es vielleicht eine Aufmerksamkeitsstörung im Rahmen einer ADHS, die da eine Rolle spielt.
Axel Enninger: Das heißt, da gibt es einen ganzen Blumenstrauß von Dingen, wo man sagen muss, okay, hätte ich jetzt primär nicht in Richtung Depression sortiert, aber könnte trotzdem sein. Wo müssen wir Kinder- und Jugendärzte denn hellhörig werden? Wo würdest du sagen: ‚Hey, passt auf, liebe Kollegen!‘
Alarmzeichen sozialer Rückzug, monoformes Leben, Anhedonie
Oliver Fricke: Ja, also für uns ist immer entscheidend, wenn jemand in den sozialen Rückzug geht, das heißt, eigentlich vorher integriert war, Sportverein, Entwicklungsaufgaben entsprechend wahrgenommen hat, in die Schule gegangen ist, Selbständigkeit, und plötzlich nimmt das ab und jemand vereinzelt sich, zieht sich zurück. Das ist immer ein echtes Alarmzeichen. Das Zweite, wenn Variationen verloren gehen, gerade im Spiel oder in den Handlungen. Also jemand, der eigentlich vieles Unterschiedliche gemacht hat, kreativ gewesen ist, wenn er mal sich ein bisschen weniger unter Kontrolle gehabt hat und sozusagen mal in eine freie Situation gekommen ist und das verschwindet und es wird sehr monoform, monoton und dann eben halt auch der Spaß und die Freude daran verloren geht. Das nennen wir Anhedonie, dass jemand sozusagen eigentlich die Leidenschaft fürs Leben oder für die Dinge verliert. Und das wird von vielen Patienten als extrem belastend erlebt, dass sie sagen: ‚Also eigentlich habe ich mich jetzt drauf gefreut, dass es heute das zu essen gibt, aber es schmeckt nicht mehr.‘
Axel Enninger: Okay, noch mal, Anhedonie heißt, ich verliere die Lust an einzelnen Dingen. Okay. Und sozialer Rückzug, hast du gesagt, wäre ein Thema, Einengung, Antrieb.
Oliver Fricke: Genau.
Stabilisierung durch „Verstärker“
Axel Enninger: Auch das Themen, wo wir hellhörig werden sollten. Passt ja so ein bisschen zu unserem Podcast Computerspielsucht, oder? Da waren auch ein paar Dinge, wo man sagen würde: ‚Okay, da wird es auf einmal sehr eingeengt.‘ Und dann interessiert irgendwie nur noch das eine.
Oliver Fricke: Da gibt es ja auch Zusammenhänge.
Axel Enninger: Okay, was ist der Zusammenhang?
Oliver Fricke: Ja, wir wissen, da wo Spielen exzessiv genutzt wird –oder eigentlich nicht mehr angemessen für die soziale Funktion – spielt häufig auch Stabilisierung psychischer Faktoren eine Rolle. Das heißt entweder Ablenkung, also Ablenkung von Gedanken, die sonst so aufdringlich sind, dass man sie nur durch Spielen vertreiben kann. Und das Zweite ist eben das Gefühl zu haben, dass man nicht richtig in die Gänge kommt. Das heißt, man braucht irgendwas, was einen von außen aktiviert. Das hat man schon im Egoshooter-Spiel oder wo man sozusagen starke Belohnungskomponenten im Spiel mit einbezieht. Das ist auch das, was Patienten berichten, dass sie sich in Teilen an der Stelle halt über Mediennutzung stabilisieren. Mädchen eher über soziale Netzwerke. Da ist es sehr stark, was denken andere über einen, wie viele Likes gibt es da oder Rückkopplung darüber. Bei Jungen häufiger eher über schnelles, aktives Spielen am Computer oder am Handy.
Axel Enninger: Und das ist das das, was ihr Kinder- und Jugendpsychiater „Verstärker“ nennt, oder?
Oliver Fricke: Genau, das ist das, was wir „Verstärker“ nennen, was ich eben als „Belohnung“ bezeichnet habe.
Selbstwirksamkeit, soziale Rückkopplung
Axel Enninger: Okay. Und in unserem Vorgespräch hattest du einmal dieses Wort „Verstärkerentzug“ genannt, als einen der wichtigen Punkte für die Entstehung einer Depression. Erzähl doch mal, was du damit meinst oder wie es überhaupt dazu kommt.
Oliver Fricke: Genau. Das, was uns am Leben erhält, gerade auch im sozialen Kontakt ist, dass wir Rückkopplung haben, die auch etwas mit unserem eigenen Selbstwert machen und vor allen Dingen mit unserer Selbstwirksamkeit. Das heißt, wenn es gut läuft, erleben wir, dass unser Handeln dazu führt, dass sich Dinge verändern. Diese Veränderungen haben Auswirkungen auf uns, und das erleben wir als Selbstwirksamkeit. Das macht einen starken Belohnungsimpuls.
Axel Enninger: Also, ich spiele mit Freunden, ich treffe mich mit Freunden, da gibt es ein Gespräch, das hin und her geht. Meinst du das damit?
Oliver Fricke: Ja, oder beispielsweise: Du bist eben mit dem Fahrrad gekommen. Habe ich jetzt nicht gemacht, aber wenn ich gesagt hätte: ‚Axel, schickes Rad!‘ oder: ‚Toll, du bist hier den Berg hochgefahren!‘ –Es liegt so ein bisschen erhöht hier – dann hätte das an der Stelle wahrscheinlich irgendwas mit dir gemacht. Das wäre eine klassische soziale Rückkopplung.
Axel Enninger: Okay. Und die wird weniger bei Menschen? Was ist da Henne und was ist Ei?
Oliver Fricke: Ja, es ist beides.
Axel Enninger: Wenn ich mir vorstelle, da ist einer, der neigt zur Depression, dann wird es irgendwie weniger und dann ist es ein Teufelskreis? Oder wie muss ich mir das vorstellen?
Oliver Fricke: Das ist das Schöne an unserem Fach, dass wir immer Wechselbeziehung haben.
Axel Enninger: Okay.
Oliver Fricke: Das heißt, wenn jemand in einer Situation ist, wo er im Grunde genommen eigentlich durch eigenes Handeln nichts verändern kann, dann hat er im Grunde genommen ein System, wo er nicht Selbstwirksamkeit erfährt und damit sozusagen auch wenig Verstärkung erhält. Das führt dazu, dass er depressiver wird und weniger in die Aktion kommt und natürlich damit auch weniger Verstärkung bekommt. Das heißt, das System ist wie ein Teufelskreis und fährt sich selber runter. Das ist deswegen interessant für uns, weil wir eben in der Therapie genau den Schritt umdrehen. Und das, was am besten funktioniert, ist eben, wieder sich selbst wirksam erleben und Verstärker einbauen.
Axel Enninger: Okay, nur dass ich noch mal versuche, das in banale, kinderärztliche Worte zu fassen: Also das heißt, ich bin zum Beispiel sozusagen nicht so richtig geliebt in meiner Peergroup. Ich erlebe Frust, ich sage irgendetwas, keiner hört mir zu. Keiner antwortet auf das, was ich sage, oder es wird immer weniger. Macht keinen Spaß. Ist es das, was du meinst mit „selbstwirksam“ oder „Feedback“?
Oliver Fricke: Das meine ich mit Feedback oder selbstwirksam. Also sozusagen, wo es keinen Widerhall gibt auf das, was man eigentlich macht. Deswegen kein Wunder, dass das unter Corona schlechter geworden ist. Wir haben eben soziale Einschränkungen für die Kinder und Jugendliche verfügt und ihnen damit den Verstärker entzogen.
Axel Enninger: Und auch keinen Sport mehr gemacht, zum Beispiel.
Oliver Fricke: Auch das, ganz wesentliche Komponente, dass es auch wirklich organbezogene Anteile gibt, die körperliche Aktivität in Zusammenhang bringt mit Depressionsentstehung oder auch eben Widerstandsfähigkeit, also Resilienz gegen depressive Erkrankungen.
Internale Kontrollüberzeugung – Resilienz entwickeln
Axel Enninger: Okay, das finde ich auch plausibel. Aber warum hat man das Gefühl, es wird jetzt mehr? Corona ist ja eigentlich vorbei. Also sie können ja alle wieder zum Sport gehen, sie können wieder soziale Kontakte haben. Warum haben wir trotzdem das Gefühl, es wird mehr, oder: ‚Wird es mehr?‘, können wir erst einmal fragen.
Oliver Fricke: Also, die Daten zeigen schon, dass es insgesamt mehr wird. Bei einigen psychischen Störungen ist es eher so, dass wir in anderen Sektoren versorgen. Wir haben beispielsweise für die Anorexien, für die Magersuchtpatienten einen deutlichen Anstieg gehabt gemessen am Rahmen von Corona, aber wenn man es sich nachher anguckt, sieht man, dass es sich in der Versorgung eher ein bisschen anders verteilt hat und nicht zwingend ist überall, in allen westlichen Industrieländern, auch ein Anstieg dagewesen. Bei den Depressionen sieht es in der Tat aufgrund der Versorgungsdaten so aus, als ob es mehr geworden ist. Wir müssen uns klar machen, es sind ja Menschen betroffen gewesen, die in der Entwicklung sind. Das heißt, Verstärkersysteme kommen natürlich auf einen zu, aber man muss sie selber auch entwickeln, und das muss man lernen in der Pubertät, wie man mit anderen gut in eine soziale Beziehung geht und beispielsweise auch mit Konfrontationen umgeht, Dinge so anpasst, dass man eben in der Gruppe bleiben kann. Das kann man dann nicht einfach wieder anschalten, sondern die müssen irgendwie nachreifen. Das Leben geht aber gnadenlos im Tempo weiter. Diese Generation kommt jetzt aus der Schule raus und müsste das eigentlich mitnehmen und hat es vielleicht in Teilen auch nicht entsprechend gelernt. Und was wir ganz gut wissen, gerade bei der Depression, ist viel mehr als das, was krank macht, was uns gesund erhält. Und das, was uns eben am stärksten gesund erhält, ist eine gute internale Kontrollüberzeugung zu haben, das heißt, sich Dinge vorzunehmen, von denen man recht sicher ist, dass man sie sicher schaffen kann. Das heißt, ich weiß, was ich kann, und dann mache ich es auch und dann wird es auch ein Erfolg.
Axel Enninger: Und sozusagen in dieser Corona-Zeit gab es weniger Gelegenheiten dazu und das ist Teil der Ursache?
Oliver Fricke: Ja, das ist, glaube ich, Teil der Ursache. Da ist die Forschung dran, die Daten auszuwerten, dass die Jugendlichen heute nicht so eine gute internale Kontrollüberzeugung haben, wie das Generationen vorher gehabt haben. Das kann man, glaube ich, inzwischen auch relativ gut sagen.
Axel Enninger: Okay. Ja, spannend. Habe ich mir gar nicht so vorgestellt. Aber natürlich, da gab es eine bestimmte Phase, wo sie soziale Interaktion nicht lernen konnten und dass das nachhängt, kann man gut verstehen.
Konfliktmanagement und ein echtes Gegenüber
Oliver Fricke: Vor allen Dingen auch Konfliktmanagement. Also man muss sich klarmachen, dass gerade die digitalen Netzwerke ja so sind: Wenn die Probleme zu groß sind, kann man „wegwischen“ an der Stelle. Und man muss sich auch nicht die Reaktion des anderen angucken, wenn man selber handelt. Und das wissen wir ja selbst, ich fand es auch eindrücklich in der Zeit, dass wir in Konferenzen Entscheidungen getroffen haben in einer Geschwindigkeit, die früher nie möglich gewesen wäre, und auch Dinge aushalten konnten, was wir beim anderen damit ausgelöst haben, die hätten wir im Raum niemals ertragen an der Stelle. Das System ist schon im Menschen so ausgelegt, dass man sich irgendwie visuell braucht, auch eine gewisse Nähe, vielleicht auch Geruch. So wie wir jetzt hier in einem Raum sitzen. Ich glaube, das Gespräch würde aus der Distanz anders ablaufen.
Axel Enninger: Das ist so. Es gibt ja auch Podcasts, die ich remote aufnehme, und meine Präferenz ist eindeutig gemeinsam im Studio sitzen. Ja, sehr spannend. Du hast vorhin schon mal so kurz erwähnt, dass ihr es quasi auch umkehrt, nämlich soziale Kontakte und Aktivierung usw. euch therapeutisch zunutze macht. Erzähl doch mal so ein bisschen was. Wie geht man denn therapeutisch ran?
Depressionslösend: gemeinsames Erleben und körperliche Aktivität
Oliver Fricke: Also, wir haben neben der störungsspezifischen Behandlung immer auch einen milieutherapeutischen Aspekt. Und da geht es im Wesentlichen darum, die Gruppe der Gleichaltrigen, der Peers, und das soziale System für die Patienten wieder aufzurichten. Das heißt, dass es Situationen gibt, wo man mit anderen in Kontakt kommt, auch etwas machen muss, in die Aktivierung kommt und dann eigene Wirksamkeit erleben kann an der Stelle. Und das Spannende ist, dass die Beobachtung immer wieder ist, dass selbst das, bevor die störungsspezifische Behandlung eigentlich wirken kann – es braucht ja Zeit, bis man zum Therapeuten eine echte Beziehung aufbaut – bereits das einen depressionslösenden Aspekt hat, dass man überhaupt wieder in der Aktivierung, mit anderen zusammen, kommt.
Axel Enninger: Das ist sozusagen die berühmte gemeinsame Kletterwand.
Oliver Fricke: Richtig. Und das ist nicht bei allen psychischen Erkrankungen so. Wir kennen Erkrankungen, da tut sich erst mal gar nichts, wenn man sozusagen allein jemanden wieder in eine soziale Gruppe einschleust. Und bei der Depression ist das so, dass dieser Punkt schon ein wesentlicher Teil der Behandlung ist, was man eben gut stationär oder tagesklinisch auch machen kann.
Axel Enninger: Aber ein Teil des Themas ist doch Antrieb. Wie kriege ich denn jemanden, der gar keinen inneren Antrieb hat, dazu, dass der an solchen Aktivitäten teilnimmt?
Oliver Fricke: Genau, das ist einmal das motivationale System. Man braucht eine Restmotivation, die man an der Stelle stärken kann. Und wenn die nicht da ist, dann brauchen wir in der Tat therapeutische Dinge, die antriebssteigernd sind. Das können einmal Medikamente sein. Also gerade die klassischen Serotonin-Reuptake-Inhibitoren sind antriebssteigernd, bei Jugendlichen gar nicht so pharmakodynamisch wirksam auf den Affekt wie bei Erwachsenen. Und das Zweite ist, das wissen wir inzwischen auch ganz gut, körperliche Aktivität hat auch einen gut depressionslösenden Effekt. Da setzen wir inzwischen auch Verfahren ein, wo man selbst nicht viel Antrieb braucht. Ganzkörper-Vibrationstraining, wie man es beispielsweise auch in der Neurorehabilitation nutzt bei Kindern und Jugendlichen, ist durchaus etwas, das geht und auch eine gute Wirksamkeit hat. Dazu gibt es inzwischen auch Daten.
Axel Enninger: Okay, das klingt ja tatsächlich nach einem „Kreislauf“, den man sozusagen wieder in Gang setzen muss, solch eine Spirale. Also erstmal stehe ich auf einer Vibrationsplatte und allein das ist schon körperliche Aktivität und dann geht ihr davon aus, dann macht man irgendwann freiwillig mehr und bewegt sich auch selber.
Oliver Fricke: Exakt. Und dann kann man irgendwann auch wieder die sozialen Aspekte von Sport machen. Das ist ja das Schöne, der Sport oder die Bewegung hat ja zwei Dinge: einmal einen physiologischen Aspekt, aber auch natürlich einen sportpsychologischen. Wissen wir alle, wenn der Ball dann im Netz zappelt im Fußball, das macht ein unglaubliches Glücksgefühl, vor allen Dingen, wenn man ihn selber reingetreten hat und wenn die Mannschaft jubelt.
Vor allem kognitiv behaviorale Verhaltenstherapie
Axel Enninger: Okay, also das ist das eine, was ihr macht, Aktivierung und Milieutherapie. Dann hast du gesagt: „die anderen spezifischen Dinge.“ Ein Medikament hast du vorhin schon genannt. Was tut ihr sonst noch stationär, was muss man sich sonst noch vorstellen? Was passiert bei der Behandlung eines depressiven Kindes oder Jugendlichen bei euch?
Oliver Fricke: Dann natürlich die Psychotherapie, ein ganz wesentlicher Punkt. Da gibt es immer zwei Formate. Das eine wäre die Einzeltherapie, so wie man es auch klassisch aus dem ambulanten Setting kennt. Da haben wir verschiedene Therapieschulen oder Therapieverfahren. Die besten, also breitesten Daten, gibt es für die Verhaltenstherapie, da vor allen Dingen für die kognitiv-behaviorale Verhaltenstherapie. Da wissen wir, dass es hochwirksam ist in der Depressionsbehandlung. Es nutzt eben gerade diesen Rückkopplungsmechanismus in der Behandlung, wieder Selbstwert zu erfahren durch eigenes Handeln und kognitive Umstrukturierung. Das heißt, dass man diese grüblerischen Gedanken „Es bringt doch ohnehin nichts, wenn ich etwas tue“ korrigiert an der Realität und sieht: „Doch, es bringt etwas, wenn ich was tue. Es verändert sich etwas. Ich kann was und ich kann es auch selber beeinflussen, wie ich das wahrnehme.“ Dann kommt man wieder in Gang und diese Behandlung ist hochwirksam, das heißt, auch nach der Entlassung gibt es noch Verbesserungen, einfach weil man es dann wieder im Alltag einsetzt. Und die Patienten verbessern sich dann auch noch einmal innerhalb des ersten Jahres nach Start der Behandlung.
Axel Enninger: Und die tiefenpsychologisch fundierten Therapeuten würden dazu jetzt was sagen?
Oliver Fricke: Ja, die würden sagen: „Ach, hätten wir doch auch die ganzen Daten erhoben, die die Verhaltenstherapeuten erhoben haben, dann könnten wir zeigen, dass unsere Behandlung auch sehr gut funktioniert.“ Es gibt Daten zur Fokaltherapie.
Axel Enninger: Was ist Fokaltherapie?
Oliver Fricke: Das sind kürzere tiefenpsychologische Behandlungen. Das, was uns eben vor allen Dingen fehlt, ist, dass die strukturierten quantitativen Daten für die Verhaltenstherapie da sind und für andere Therapieschulen in deutlich geringerem Maße. Und wir empfehlen natürlich das, wo die Evidenz da ist.
Hypothesengestützte Diagnostik und gute Anamnese
Axel Enninger: Okay. Finde ich gut, jetzt haben wir eine gewisse Vorstellung, was da passiert. Gibt es, wenn wir jetzt mal wieder zurückgehen zu dem Thema der Kinder- und Jugendarzt sieht ein Kind, hat vielleicht den Podcast gehört, war sowieso schon interessiert. Gibt es Dinge, die ihr als Kinder- und Jugendpsychiater vorher gerne geklärt haben möchtet? Gibt es Dinge, die ihr quasi schon mal ausgeschlossen haben wollt? Ich sage jetzt mal: die Hypothyreose, die Zöliakie. Gibt es da Dinge? Oder sagt ihr: „Hauptsache, ihr Kinder- und Jugendärzte denkt an die Erkrankung.“
Oliver Fricke: Das Zweite.
Axel Enninger: Okay.
Oliver Fricke: Ich bin absoluter Verfechter der hypothesengestützten Diagnostik, das heißt: gut gemachte Anamnese, hervorragend gemachte Untersuchungen, sowohl psychiatrisch, die Exploration, als aber auch die körperliche Untersuchung. Das gehört immer mit dazu. Dann die Differenzialdiagnosen überdenken und dann das ausschließen, was man ausschließen muss aufgrund der Hypothesen. Das kann unter Umständen sein, wenn jemand beispielsweise über trockene Haut klagt oder Obstipation die Hypothyreose oder kann, wenn er über Bauchschmerzen klagt, auch mal die Zöliakie sein. Aber es können auch viele andere Erkrankungen sein, vom Morbus Addison bis auch unter Umständen onkologische Erkrankungen, die eine Rolle spielen. Danach würde ich auch sozusagen das Laborprogramm oder die apparative Diagnostik ausrichten, genauso, wie wir das in allen anderen Bereichen der Medizin auch machen.
Axel Enninger: Es gibt nicht das Standardprogramm nach dem Motto, ihr müsst immer das oder das?
Oliver Fricke: Nein, gibt es nicht, und da richte ich mich auch nach einem meiner alten Lehrer in der Kinderheilkunde: Eine Blutentnahme bei einem Kind muss man rechtfertigen und das, denke ich, gilt für alles, was man mit Patienten macht. Man braucht einen schlaghaltigen Grund dafür, dass man es tut, und das ist dann die Hypothese. Hat man die nicht, dann sollte man es auch unterlassen.
Genetische Disposition?
Axel Enninger: Okay. Wir wissen ja immer mehr über Genetik. Wir haben ja vor vielen Jahren gedacht, wir entschlüsseln irgendwie den genetischen Code und dann ist auf einmal alles klar. Das hat sich ja sozusagen in Luft aufgelöst, muss man sagen. Trotzdem haben wir ja immer mehr Informationen aus der Genetik. Spielt denn Genetik und Depression eine Rolle?
Oliver Fricke: Im Gesamtverständnis von psychischen Erkrankungen schon, aber es gibt nicht das Depressionsgen und es gibt auch nicht den biologischen Marker dafür. Das meiste, was wir genetisch wissen, hat etwas mit monoaminergem Stoffwechsel zu tun. Das heißt Serotonin, Dopamin, Noradrenalin, Reuptake, Transport, Rezeptorprofil und diese Dinge. Hilft uns aber im Alltag, klinisch am Patienten, nicht weiter.
Axel Enninger: Auch eine Familienanamnese hilft euch nicht weiter?
Oliver Fricke: Doch, das hilft uns natürlich weiter. Wir wissen, wenn depressive Erkrankungen in der Familie bekannt sind, ist das Risiko insgesamt höher. Da spielen natürlich zwei Dinge eine Rolle: einmal Modelllernen. Jemand, der depressiv ist, hat natürlich auch einen anderen Handlungsstil. Das färbt auf die Kinder ab. Genetik spielt aber auch eine Rolle, das wissen wir aus genetischen Studien, dass es da durchaus auch Traits gibt. Aber, das heißt nicht, wenn man beispielsweise eine genetische Veranlagung hat und die Mutter war depressiv, dass dann das Kind eine Depression entwickeln muss. Es kann dann durchaus viele Resilienzfaktoren erwerben. Beispielsweise, weil es viele Sekundärbeziehungen gehabt hat, die es eine gute internale Kontrollüberzeugung entwickeln lassen haben.
Selbstwirksamkeit durch das Umgehenlernen mit Widerständen
Axel Enninger: Genau, das ist ja ein guter Übergang. Klar, das eine Genetik, das andere sind Verhaltensmuster, die in der Familie sind. Was muss denn im positiven Sinne passieren, dass ein Kind möglichst keine Depression kriegt?
Oliver Fricke: Also es muss eine gute Selbstwirksamkeit im Alltag erfahren. Und die können wir häufig dann gut entwickeln, nicht wenn alles gelingt, sondern wenn wir erfolgreich mit Konflikten umgehen können. Das heißt, mal eigene Bedürfnisse nicht unbedingt auch zum Erfolg führen, wenn man sie versucht durchzusetzen, aber man Lösungen findet, wo es einen Ausgleich gibt, womit man selber leben kann und sehen kann, man kann den anderen auch in der Beziehung halten. Das ist es ja, was uns insgesamt gesund erhält. Und das ist häufig auch ein Punkt, den wir mit dem Patienten vorher besprechen. Psychiatrische Behandlung bedeutet nicht „Wohlfühlklima“ – also, man muss sich schon wohlfühlen können – sondern bedeutet im Wesentlichen, auch mit Widerständen gut klarkommen können im Leben.
Axel Enninger: Spielt Erziehungsstil eine Rolle? Gerade dieses Thema „mit Widerständen umgehen können“? Ich sage jetzt mal als alter, weißer Mann ist da so mein Eindruck, es gibt momentan eine gewisse Elterngeneration, wo man versucht, den Kindern Widerstände sehr viel aus dem Weg zu räumen. Und ich frage mich manchmal, ob das so richtig ist. Gibt es Erziehungsstile, von denen du sagen würdest, das wäre eher günstig oder eher ungünstig?
Oliver Fricke: Ja, definitiv. Ich versuche das mal so ein bisschen am Sport sichtbar zu machen.
Axel Enninger: Gerne.
Oliver Fricke: Ich habe früher Leichtathletik gemacht und bin 400 Meter gelaufen, auch 400 Meter Hürden, und ohne dass man mal ein paar Hürden aufstellt, kann man auch als guter 400-Meter-Läufer kein Hürdenläufer werden über 400 Meter. Und die Hürde für die 110 Meter Hürden, die ist 1,10 m. Würde man die auf die 400 Meter Bahn stellen, also ich zumindest wäre die letzten 150 Meter nirgendwo mehr drüber gekommen. Das heißt, man braucht eine Chance, über die Hürde zu kommen. Aber man braucht Hürden. Das ist der Grund, warum die Hürden bei 400 Metern auch niedriger sind an der Stelle.
Axel Enninger: Ich bin schon beim puren 400-Meter-Lauf bei 350 immer „verhungert“.
Oliver Fricke: Ja, aber da fängt es eigentlich dann erst an!
Axel Enninger: Vielen Dank.
Oliver Fricke: Der Punkt ist, das macht gute Erziehung oder gute Elternschaft aus, dass man eben nicht die Hürden wegräumt, sondern mit den Kindern durchaus auch Situationen schafft, wo man mal ein bisschen Bewährung braucht. Aber es muss machbar sein. Das ist sozusagen der Schutz an der Stelle, eben nicht in die 110-Meter-Hürde reinlaufen in den letzten 150 Metern, sondern dann so auch angemessen, dass man es schaffen kann an dem Punkt.
Axel Enninger: Okay, aber das heißt, eine gewisse Challenge wäre schon kein Fehler.
Oliver Fricke: Definitiv nicht. Challenge braucht man, um eine gute Stabilität zu entwickeln. Und man braucht natürlich auch den Umgang mit Niederlagen. Das ist auch ganz wichtig. Also, was mache ich aus einer Niederlage? Ich meine, das ist jetzt idealisierend, aber eine Niederlage kann auch der Anfang für den nächsten Erfolg sein. Und wenn es gut läuft, sagt jemand: „Ein Glück, dass es nicht direkt geklappt hat, weil der zweite Versuch eigentlich der bessere war.“
Axel Enninger: Okay, das heißt mein „Störgefühl“, was ich manchmal so habe, wenn ich sehe, dass alle möglichen Hindernisse aus dem Weg geräumt werden, kannst du durchaus nachvollziehen?
Oliver Fricke: Kann ich durchaus nachvollziehen. Und auch wenn es jetzt platt klingt, im Körper ist es ja nicht anders. Also wenn wir uns überall hintragen lassen, dann wird es nichts mit der guten Gehfähigkeit oder sie zu erhalten. Und man braucht Herausforderungen und Notwendigkeiten auch Sachen zu bewältigen, aber angemessen.
Axel Enninger: Okay. Ja, sehr gut, also Niederlagen, und dann gehört es halt dazu, dass man mal auf die Nase fällt und vielleicht beim nächsten Mal ein bisschen…
Oliver Fricke: Genau, aber dann braucht es auch einen, der die Hand reicht und der es anerkennt, wenn man wieder auf den Beinen steht und es noch mal versucht.
Es hängt am Mikrobiom – Fragezeichen?
Axel Enninger: Sehr gut. Noch mal ein ganz anderes Spielfeld. Das gemeinsame Spielfeld zwischen den Gastroenterologen und den Kinder- und Jugendpsychiatern: Alles hängt mit dem Mikrobiom zusammen. Ein gutes Mikrobiom schützt vor der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, der Allergie und auch der Depression? Fragezeichen? Gibt es da Zusammenhänge?
Oliver Fricke: Ja, vor allen Dingen sozusagen in Laborstudien kann man Zusammenhänge sehen. Großes Thema ist das im Moment nach meiner Wahrnehmung für zwei Erkrankungen. Das eine ist auch für die Anorexia nervosa wieder und das andere für den Autismus. Das Spannende ist, im Wesentlichen geht es da ja um metabolische Produkte, die halt weitestens etwas mit Inflammation zu tun haben und immunologischen Prozessen im Gehirn. Ich bin da vorsichtig zu sagen, ob es wirklich im klinischen Alltag eine Bedeutung hat. Wir kennen es auch aus anderen Bereichen. Wenn man im Labor Studien macht, dann hält man alle Begleitfaktoren konstant und konzentriert sich nur noch auf einen Mechanismus. Aber der kann dann im normalen Alltag redundant sein. Das heißt, da steht vielleicht ein ganz anderer Mechanismus im Vordergrund und es spielt dann eigentlich im Menschen gar keine Rolle mehr, was man im Labor in den Fokus genommen hat. Also, wir sind noch nicht so weit, aber ich glaube schon, dass es da auch Teilerkenntnisse geben wird.
Axel Enninger: Aber das heißt, der Kinder- und Jugendpsychiater setzt weder Pro- noch Antibiotika ein in seinem Alltag.
Oliver Fricke: Definitiv. Das wäre dann wirklich „Gefühlsmedizin“.
Axel Enninger: Okay, sehr gut. Aber gegen gesunde Ernährung haben wir beide nichts, für ein gesundes Mikrobiom, oder?
Oliver Fricke: Bin ich immer sehr dafür. Und das ist ein wichtiger Punkt, auch sich selbst zu mögen. Also, da sollte es eigentlich egal sein, was man isst.
Gute Vorschläge und solche, die noch mehr Druck machen
Axel Enninger: Sehr gut, okay. Wenn ich in meinem Umfeld sehe, da gibt es jemanden, der in meiner Wahrnehmung entweder depressiv verstimmt oder doch irgendwie so ist, dass man denkt: ‚Oh, das wird jetzt irgendwie mehr als das, was man üblicherweise sieht.‘ Was würdest du sagen, was gute und was tatsächlich NoGo-Ratschläge sind? Man neigt ja manchmal, wenn man so etwas sieht, zu irgendwie dem „guten Ratschlag“: ‚Hey, jetzt mach doch mal!‘, und: ‚Hey, morgen gehen wir zusammen joggen.‘ Gibt es Dinge, wo du sagen würdest, sagt es besser nicht oder sagt es gerne?
Oliver Fricke: Ja, also ich denke mal, alle die Dinge, wo man in der Diktion hat: „muss“. „Du musst jetzt joggen gehen. Du musst jetzt dies machen.“ Das ist natürlich für den Patienten in einer Depression, der sich limitiert sieht aufgrund des Antriebs und der Zähigkeit des Lebens und dass er die Stimmung überhaupt nicht in die Richtung bekommt, dass man etwas machen will, ein großes Problem, weil dann der Druck noch weiter zunimmt, und er erlebt sich als hilflos, ausgeliefert. Das verstärkt natürlich die Depression. Jemanden einzuladen: „Geh doch mal mit mir joggen.“, das ist, glaube ich, immer eine gute Idee, etwas gemeinsam zu tun. „Dann gehen wir ins Konzert oder machen was anderes.“ Und ich glaube, dann wird auch sehr schnell der Nachmittag oder die Stunde, die man verbringt, zu dem Punkt führen, dass man sagt: „Sag mal, ich glaube, dir geht es nicht gut. Vielleicht brauchst du mehr als einfach nur mit mir joggen zu gehen oder im Museum Bilder anzugucken und danach eine Tasse Kaffee zu trinken. Such dir doch mal Hilfe und geh vielleicht mal zu deiner Hausärztin, Hausarzt oder eben Kinderarzt, Kinderärztin. Und überleg mal, ob es nicht Sinn macht, sich darum zu kümmern.“
Axel Enninger: Hm. Okay, also schon ansprechen. Klingt für mich sehr, sehr gut und nachvollziehbar.
Oliver Fricke: Wir sind immer für Transparenz und das muss man ehrlich sagen, das ist eine enorme Entwicklung nach vorne in der aktuellen Generation. Mein Eindruck ist, dass psychische Störungen nicht mehr so stigmatisiert sind. Anders als noch in meiner Generation, und neben dem offenen Umgang, dass Jugendliche, auch Kinder, zum Teil bereit sind, früh zu sagen, auch einzufordern, zu sagen: ‚Ich möchte mal, dass sich darum gekümmert wird und dass wir mal gucken, ob man was machen kann.‘ Und das finden wir natürlich klasse, denn je früher wir dabei sind, umso weniger muss man auch in den Alltag eingreifen. Krankenhausbehandlung wäre ja etwas sehr Eingreifendes. Viele Depressionen kann man, wenn man am Anfang behandelt, wenn sie leichtgradig oder mittelgradig ohne schwierigere Randfaktoren mit dabei sind, dann auch ambulant gut behandeln. Und das würde man ja jemandem wünschen, dass er nicht erst richtig krank wird, sondern mit einigen wenigen Maßnahmen dann wieder gut auf die Beine kommt.
Psychoedukation, im Gespräch bleiben
Axel Enninger: Gibt es so was wie einen, sage ich mal, Verhaltenskodex? Dinge, die du Familienangehörigen oder Geschwistern usw. nahelegst, dass das gute oder schlechte Ideen sind? Oder ist das viel zu banal und kochbuchmäßig gedacht?
Oliver Fricke: Also, ich finde immer, sozusagen das offene Gespräch miteinander, das ist wichtig. Und beispielsweise jetzt hinzugehen und zu sagen, ich muntere jemandem auf und sage gar nicht, worum ich mir Sorgen mache und das tue, das wäre etwas, was ich nicht empfehlen würde. Aber zu jemandem zu sagen: ‚Ich glaube, dir geht’s nicht gut. Sollen wir mal etwas gemeinsam machen? Vielleicht geht es dir dann besser.‘ Und miteinander im Gespräch bleiben, das ist das Wichtige.
Axel Enninger: Und bei Familienangehörigen genau das Gleiche?
Oliver Fricke: Exakt. Würde ich genauso sehen.
Rückfallprophylaxe
Axel Enninger: Okay, also ich sage jetzt mal fiktiv: Ein Kind war bei euch und es geht wieder ganz gut. Es nimmt wieder an sozialen Aktivitäten teil und man bemerkt sozusagen wieder erneuten sozialen Rückzug. Gibt es Empfehlungen? Oder benennen?
Oliver Fricke: Dann benennen und auch darauf hinweisen, darüber haben wir noch nicht gesprochen: Zu einer guten psychotherapeutischen / psychiatrischen Behandlung gehört immer auch die Rückfallprophylaxe. Das heißt, dass ein Patient lernt, neben der Edukation, die ja meistens vorn in der Behandlung steht, was sind Warnfaktoren, dass sich wieder etwas verschlechtert und worauf muss ich aufpassen? Was kann ich vielleicht auch schon selber machen, wenn ich sehe, es wird schlechter? Das wäre für einen Patienten mit einer Depression, wenn er sieht, ich ziehe mich wieder zurück: Ich muss mich verabreden, ich muss was machen. Auf keinen Fall jetzt den Sportverein ausfallen lassen oder das Treffen mit Freunden, sondern ich sollte es unbedingt machen, sonst bin ich wieder in der Abwärtsspirale drin.
Axel Enninger: Und das kriegen die sozusagen auch als Handlungsanweisung oder Empfehlung mit?
Oliver Fricke: Klar, und das üben wir sogar ein.
Axel Enninger: Okay.
Oliver Fricke: Das ist ein ganz wichtiger Teil.
Axel Enninger: Wie übt man das ein?
Oliver Fricke: Na ja, indem man sich überlegt, was machst du wirklich konkret in der Situation? Und das dann schon mal entsprechend durchspielt. Wir machen ja am Ende immer sogenannte Belastungserprobungen, das heißt, den Alltag wirklich wieder auf „Normalität“ stellen und wenn man da sieht, es wird wieder schlechter: ‚Was machst du jetzt? Wie kannst du dir selber helfen an der Stelle?‘ Und das entsprechend korrigieren.
Medikation begleitend
Axel Enninger: Jetzt nur noch mal kurz und fast so ein bisschen gesprungen – verzeihen Sie, liebe Zuhörende, das habe ich vorhin nicht ausreichend genug gefragt. Spielen Medikamente eine Rolle? Da hast du vorhin gesagt, ja, bei Antrieb, aber da gäbe es auch einen Unterschied zwischen Erwachsenen und Kindern und Jugendlichen. Sag doch noch mal kurz bitte etwas zu Medikamenten.
Oliver Fricke: Ich finde das fast schön, dass wir es bis jetzt vergessen haben. Die Medikation hat einen begleitenden Stellenwert in der Therapie, aber auch andere Sachen haben wir nicht genannt. Also beispielsweise die sogenannten Fachtherapien oder Spezialtherapien, Kunsttherapie, Musiktherapie, auch tiergestützte Therapie hat alles auch eine Wirksamkeit. Und die Medikamente haben auch eine Wirksamkeit, vor allen Dingen im Bereich Antriebssteigerung. Das kann manchmal bei Suizidalität auch ein Problem sein, weil es eben Suizidimpulse auch verstärkt und im Gegensatz zum Erwachsenenalter bei den meisten Patienten wenig Wirkung auf den Affekt hat, also Stimmungsaufhellung oder Stimmungsanhebung an der Stelle. Das hängt damit zusammen, dass wir denken, dass die biologischen Mechanismen bei der Depression vielleicht beim Kind und Jugendlichen etwas anders sind als beim Erwachsenen. Das heißt, dass vielleicht diese entzündlichen Prozesse nicht so eine große Rolle spielen, wie sie beim biologischen Verständnis in der Erwachsenendepression entsprechend berücksichtigt werden.
Axel Enninger: Du hast vorhin gesagt, bei den Kindern geht es da mehr um den Antrieb oder könnte man jetzt vielleicht auch umgekehrt denken, dieses Thema Aktivität, selber etwas tun, ist vielleicht ein unterbelichteter Aspekt in der Erwachsenenbetreuung von depressiven Patienten?
Oliver Fricke: Glaube ich nicht, weil…
Axel Enninger: Glaubst du nicht, okay.
Oliver Fricke: Die psychotherapeutischen Behandlungsmethoden sind sehr äquivalent im Kindesalter zum Erwachsenenalter. Sie sind natürlich anders ausformuliert auf das Entwicklungsstadium, aber die Grundideen sind die Gleichen. Ich glaube wirklich, dass sich die Depressionen an der Stelle physiologisch und auch phänomenologisch ein Stück weit unterscheiden. Da gibt es auch inzwischen Arbeiten, die das ganz gut zeigen, dass doch auch im Erwachsenenalter Subtypen erkennbar sind.
Axel Enninger: Okay, spannend. Also gibt es tatsächlich Unterschiede. Das heißt, wieder ein Baustein mehr: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen.
Oliver Fricke: Definitiv.
Axel Enninger: Absolut. In einer unserer letzten Podcastfolgen ging es um Vitamin D und da waren wir uns eigentlich halbwegs einig: Ein guter Vitamin-D-Spiegel scheint vor bestimmten Erkrankungen zu schützen. Würdest du als Kinder- und Jugendpsychiater sagen: ‚Ja, über die Brücke könnte ich gehen.‘
Oliver Fricke: Definitiv.
Axel Enninger: Okay. Und wo wir gesagt haben, da gibt es eigentlich nicht so richtig gute Daten, ist „Behandlung von“ mit Vitamin D.
Oliver Fricke: Genau.
Axel Enninger: Wie macht ihr das?
Oliver Fricke: Ja. Da sage ich auch ganz klar, wir nutzen da „erweiterte Evidenz“, würde ich sagen. Es ist ganz klar: Wenn jemand einen Vitamin-D-Mangel hat, den man auch beispielsweise im Knochenstoffwechsel nachvollziehen kann, muss man es behandeln – schon allein aufgrund der osteologischen Komponente. Und dann kommt eben der Bereich, wo jemand unterhalb der – ich sage jetzt ganz bewusst – „kulturellen Norm“ liegt. Natürlich sind die Regionen da auch unterschiedlich in den jahreszeitlichen Schwankungen an der Stelle. Da würden wir sagen: ‚Wenn du nichts dagegen hast, wäre es vielleicht sinnvoll, du würdest etwas einnehmen. Und dann meistens so die Empfehlung: 500 Einheiten ist wahrscheinlich der untere Rahmen. Mehr als 1.000 würde ich jetzt nicht zwingend empfehlen. Wahrscheinlich macht man bis 2.000 nicht viel falsch. Und sagen: ‚Guck mal, bis wir die Behandlung abgeschlossen haben und dann die Sonne wieder rauskommt im nächsten Jahr, irgendwo Mai / Juni, und dann setzt du es einfach mal ab.‘
Axel Enninger: Okay, ich glaube, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Das wird sicher spannend. Also, wer Lust hat, sich mit dem Thema zu beschäftigen, das weiß ich zufällig auswendig: Folge 51 beschäftigt sich damit. Da haben wir aber auch gesagt, wahrscheinlich sind 1.000 Einheiten völlig unschädlich, 2.000 wahrscheinlich auch. Und ich kann schon spoilern, ich nehme auch Vitamin D ein, jetzt im Winter. Aber es ist keine Behandlung einer Depression mit Vitamin D, das können wir festhalten.
Oliver Fricke: Nein. Also, mit einer Vitamin-D-Substitution wird keiner seine Depression verlieren.
Wie geht es weiter? Begleitstörungen gut adressieren
Axel Enninger: Okay. Wenn ihr eure Patientenzahlen anguckt, wie ist denn die Prognose?
Oliver Fricke: Das ist eine spannende Frage. Also, wir wissen heute, dass die Prognose, wenn jemand nur eine Depression hat, gar nicht so gut ist. Das heißt, dass sich jemand primär davon erholt, das ist sehr wahrscheinlich. Dass er dann aber auch noch mal irgendwann einen Rückfall bekommt, ist nicht unwahrscheinlich. Jetzt ist es aber so, dass wir die monoforme Depression, also wo jemand nur Depression hat, nichts anderes, in der Klinik gar nicht so häufig haben.
Axel Enninger: Das hast du ja vorhin gesagt, das ist ja eher selten.
Oliver Fricke: Genau, das ist jetzt das Gute für die Patienten. Wenn jemand beispielsweise eine Angststörung hat und eine Dekompensation, eine depressive Störung, und wir behandeln die Komorbidität oder die eigentliche Störung, die Angsterkrankung, dann ist natürlich Exzellenz in der Prognose, dass jemand keine Depression mehr bekommt. Das heißt, wenn wir die Begleitstörungen gut behandeln, dann ist die Prognose sehr gut, dass die Depression auch nicht wieder auftritt.
Axel Enninger: Okay, das ist ja spannend. Ich habe sozusagen in Anführungszeichen „nur“ eine Depression – und wie hast du es vorhin genannt – mono… ?
Oliver Fricke: Monoform.
Axel Enninger: Monoform, also eine monoforme Depression. Da würde man ja wiederum auch denken können, es hat vielleicht alles irgendwie doch etwas mit Genetik zu tun, oder?
Oliver Fricke: Ja, wir denken, das sind wahrscheinlich Menschen, die insgesamt ausreichend Risikofaktoren mitbringen oder zu wenig zusätzlich schützende Faktoren, um keine Depression zu entwickeln. Und das andere sind Patienten, wenn sie nicht die Begleiterkrankungen hätten – sie haben vielleicht eine leichte Empfindlichkeit depressive Störungen zu entwickeln – wären sie wahrscheinlich mit der Depression gar nicht krank geworden.
Axel Enninger: Du bist zum ersten Mal zu Gast. Trotzdem hatten wir im Vorfeld schon gesagt, es gibt ein Standardelement in diesem Podcast und das heißt „Dos & Don’ts“. „Dos & Don’ts“ heißt, du darfst den Zuhörerinnen und Zuhörern Dinge positiv empfehlen oder negativ davon abraten. Deine Entscheidung, wie du anfängst. Ich bin gespannt.
Kontakt zu sich selbst, aktiv bleiben, Bedürfnisse angemessen im Blick, wohltuende Beziehungen, Hoheit über die eigene Perspektive
Oliver Fricke: Also, ich fange natürlich mit den Dos an, weil ich auch Optimist bin und sozusagen immer jemand bin, der eher versucht, Türen aufzumachen als zuzumachen an der Stelle. Ein wesentlicher Punkt ist: mit sich selbst in Kontakt bleiben und Dinge in die Hand nehmen, aktiv bleiben und dabei auch die eigenen Bedürfnisse im Auge behalten und sich darum bemühen, das auch irgendwie mit Bedürfnissen anderer angemessen in Beziehung zu bringen. Das klingt jetzt sehr global und bedeutet im Grunde genommen: Traut euch, Beziehungen zu führen und traut euch, Beziehungen so zu führen, dass sie euch an der Stelle auch gut tun. Das ist ein ganz wesentlicher Faktor, um insgesamt psychisch gesund zu bleiben, aber auch nicht depressiv zu werden. Und das Zweite ist, das spielt für die Depression eine Rolle: Seht zu, dass ihr auch körperlich aktiv bleibt, haltet euren Körper in Schuss. Das wissen wir heute, dass depressive Störungen – wir kennen es ja gerade im Erwachsenenbereich auch beispielsweise bei Herzinfarkt und kardiologischen Erkrankungen, durchaus auch mit körperlichen Erkrankungen sehr eng zusammenhängen. Das ist ein wesentlicher Punkt an der Stelle. Und der letzte Punkt ist der: Wenn ihr merkt, es passiert etwas, es wird etwas schlechter, es verändert sich etwas, man verliert die Freude am Leben, setzt euch nicht hin, sondern sucht euch Hilfe, sucht das Gespräch. Man kann etwas daran tun. Man kann sehr gut etwas daran tun. Und die Don’ts sind im Grunde genommen genau die Umkehrung. Setz dich nicht hin, sondern guck zu, dass du stehenbleibst, such den Kontakt zu anderen und schäm dich an der Stelle nicht dafür. Vor allen Dingen: Vieles kannst du selber bestimmen, ob Dinge eher erfolgreich aussehen oder weniger erfolgreich sind, deswegen, weil die Perspektive darauf, die hat ja sozusagen derjenige, der betrachtet und nicht derjenige, der zur Betrachtung einlädt.
Axel Enninger: Super, vielen herzlichen Dank! Das fand ich ein ganz spannendes Gespräch, Oliver, danke fürs Kommen und Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, vielen Dank fürs Zuhören. Wie immer freuen wir uns über Kommentare. Wir freuen uns über Likes, aber auch über Kritik. Und ich freue mich immer über Themenvorschläge oder Vorschläge für Gäste bei dem Podcast. Und wie gesagt, wenn Sie Dinge nachlesen wollen, gibt es bei uns wie immer die Shownotes, wo wir wichtige Literatur noch verlinken. Dann danken wir fürs Zuhören. Bis zum nächsten Mal. Bleiben Sie uns gewogen!
Hilfreiche Informationen:
Literatur:
Wunram HL (2016) „Mood vibes“ – Umsetzbarkeit eines intensiven Sportprogramms als adjuvante Therapie bei depressiven Jugendlichen. In: Bewegungs- und Sporttherapie bei psychischen Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters Academia Verlag, Sankt Augustin. S. 65–77.
Wunram HL, Hamacher S et al. & Fricke O (2018) Whole body vibration added to treatment as usual is effective in adolescents with depression: a partly randomized, three‑armed clinical trial in inpatients. Eur Child Adolesc Psychiatry 27: 645–662. https://doi.org/10.1007/s00787-017-1071-2.
Oberste M, Medele M, Javelle F (2020) Physical Activity for the Treatment of Adolescent Depression: A Systematic Review and Meta-Analysis. Frontiers in Physiology 11 (185). doi: 10.3389/fphys.2020.00185.
Wunram HL, Oberste M et al. & Fricke O (2021) Immunological Effects of an Add-On Physical Exercise Therapy in Depressed Adolescents and Its Interplay with Depression Severity. Int J Environ Res Public Health 18, 6527. https://doi.org/10.3390/ijerph18126527.
Wunram HL, Hamacher S et al. & Fricke O (2022) Influence of motivational placebo‑related factors on the effects of exercise treatment in depressive adolescents. European Child & Adolescent Psychiatry 31: 1129–1142. https://doi.org/10.1007/s00787-021-01742-5.
Wenzel C, Bongers BC et al. & Fricke O (2024) Validation of the maximal cardiopulmonary exercise test in adolescents with major depressive disorder and comparison of cardiorespiratory fitness with sex‑ and age‑related control values. European Journal of Pediatrics 183: 379–388. https://doi.org/10.1007/s00431-023-05304-6.
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