Neurodermitis ist vor allem eine Erkrankung der Haut. Die Haut von Neurodermitis-Patienten ist durch eine Störung durchlässiger als bei anderen Menschen. Man spricht medizinisch von einem „Barriere-Defekt“. Der Haut fehlen wichtige Hautfette, sie verliert mehr Wasser und trocknet daher leichter aus.
Neurodermitis
Vorwort
Liebe Eltern, liebe Patienten,
bei Ihnen oder Ihrem Kind wurde vom Arzt eine Neurodermitis festgestellt. Die Erkrankung wird von Medizinern auch als „atopische Dermatitis“ oder „atopisches Ekzem“ bezeichnet.
Die Neurodermitis kann eine große Belastung für die Patienten und Familie darstellen, besonders wenn sie schwer verläuft. Häufig ist die Neurodermitis jedoch auch mild und verliert sich bis zur Pubertät. Gerade nach der Diagnosestellung treten viele Fragen auf, aber auch später kann das tägliche Leben von Unsicherheiten oder Sorgen geprägt sein. Allen Eltern liegt jederzeit sehr viel am Wohlergehen ihres Kindes.
In diesem Patienten-Ratgeber finden Sie kurz zusammengefasst die wichtigsten Informationen, die Ihnen oder Ihrem Kind helfen sollen, den Alltag mit der Neurodermitis besser und mit größerer Zuversicht zu bewältigen.
Im ersten Teil Facts 4 Parents erfahren Sie, was die Ursachen und Auslöser der Neurodermitis sein können und welche Behandlungsoptionen es gibt.
Im zweiten Teil Gewusst wie … erhalten Sie praktische Tipps und Ratschläge zu den Themen Cremen, Baden und fett-feuchte Verbände.
Alle Informationen beruhen nicht auf individuellen Meinungen oder Erfahrungsberichten Einzelner, sondern auf gesicherten medizinischen Erkenntnissen sowie der Expertise zweier großer Neurodermitis-Ambulanzen.
Wichtig: Sollten Sie Fragen haben, zögern Sie nicht, Ihren Arzt darauf anzusprechen!
Herzlichen Dank an:
Dr. Lars Lange vom St. Marien-Hospital, Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin in Bonn, für die wissenschaftliche Beratung; Teilnehmende Kinder- und Jugendärzte unserer Fortbildungsseminare für wertvolle Anregungen aus der Praxis
I. Facts 4 Parents - Informationen zu Neurodermitis
Woher kommt die Neurodermitis?
Neurodermitis ist vor allem eine Erkrankung der Haut. Die Haut von Neurodermitis-Patienten ist durch eine Störung durchlässiger als bei anderen Menschen. Man spricht medizinisch von einem „Barriere-Defekt“ (s. Abb. 1). Der Haut fehlen wichtige Hautfette, sie verliert mehr Wasser und trocknet daher leichter aus.
Die Veranlagung hierzu ist angeboren: Wenn Eltern oder Geschwister eine Neurodermitis haben, ist das Risiko höher, dass ein Kind daran erkrankt.
Es gibt keine Auslöser der Neurodermitis, die man verhindern oder vermeiden kann, um sein Kind oder sich selbst vor einer Erkrankung zu bewahren.
Ernährung und Stillen, Umwelt, Chemikalien, Stress oder Impfungen können die Neurodermitis nicht verursachen.
Da bei Patienten mit Neurodermitis die Hautbarriere gestört ist, reagiert sie auch stärker auf Reize wie Reibung oder Wärme, die die gesunde Haut normalerweise nicht stören würden.
In der Haut sind Zellen des körpereigenen Abwehrsystems. Durch die Barrierestörung kommen sie leichter mit Allergieauslösern in Kontakt.
Beides kann zu überschießenden Reaktionen und zu einer Entzündung der Haut führen, die mit Rötung und Juckreiz verbunden ist. Neurodermitis ist also keine Schwäche des Immunsystems, sondern eher eine zu starke Reaktion auf Reize. Die Entzündung ist zwar nicht heilbar, aber die Symptome sind in der Regel gut und nebenwirkungsfrei zu behandeln.
Ob und wie stark die Symptome auftreten, ist von Mensch zu Mensch und von Zeit zu Zeit ganz unterschiedlich und hängt von sehr vielen Faktoren ab. Zudem kann das, was vor ein paar Monaten geholfen hat, ein anderes Mal wirkungslos bleiben.
Jeder Patient hat „seine eigene“ Neurodermitis, d. h. was für andere vorteilhaft ist, muss bei Ihnen oder Ihrem Kind nicht zwangsläufig auch gut wirken.
Abb. 1: Intakte Hautbarriere und Haut mit „Barriere-Defekt“
Auslöser von akuten Neurodermitis-Schüben
Der Verlauf der Neurodermitis wechselt stark und unvorhersagbar. Der Versuch, Zusammenhänge zwischen vermuteten Auslösern und Neurodermitis-Schüben herzustellen, ist eine verständliche Reaktion vieler Betroffenen, aber meist sehr unzuverlässig.
Auf der Suche nach Auslösern müssen viele Faktoren in Betracht gezogen werden: Allergien, Bakterien auf der Haut, Reize wie Kratzen, Wärme oder Kleidung, psychische Faktoren und anderes mehr.
Der Neurodermitis liegt nicht immer eine Allergie zugrunde!
Allergien
Nur zwei Drittel aller Neurodermitis-Patienten haben eine Allergie. Und auch ein positiver Allergietest beweist noch nicht, dass tatsächlich eine Allergie die Neurodermitis verursacht. Die Bedeutung des Allergietests muss durch eine Provokationstestung bestätigt werden.
Nachfolgend finden Sie kurz und auf den Punkt gebracht Informationen rund um Allergien und andere mögliche Auslöser oder Verstärkungsfaktoren der Neurodermitis.
Allergietestung
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- Eine Allergietestung im Blut oder auf der Haut sollte ab mittelschweren Ekzemen mindestens einmal erfolgen – auch schon bei Säuglingen.
- Bei negativem Allergietest sind andere Auslöser wahrscheinlich.
- Nimmt das Ekzem an Schwere zu – d. h. die Haut ist stark gerötet, juckt und nässt sogar eventuell – kann eine Wiederholung der Allergietestung sinnvoll sein.
Nahrungsmittelallergie als Auslöser
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- Je leichter das Ekzem ist, desto unwahrscheinlicher ist eine Allergie gegen Nahrungsmittel.
- Nahrungsmittelallergien sind wahrscheinlicher bei schwerem Ekzem und wenn die Neurodermitis schon in sehr jungem Alter ausgebrochen ist.
- Nur wenn bei Ihnen oder Ihrem Kind eine relevante Nahrungsmittelallergie nachgewiesen wurde, kann eine Diät möglicherweise dazu beitragen, das Ekzem zu bessern oder zu stabilisieren. Sie beseitigt es aber in der Regel nicht ganz. Wägen Sie daher zusammen mit Ihrem Arzt ab, ob sich der Aufwand einer speziellen Diät lohnt.
Eine Nahrungsmittelallergie mit direktem Einfluss auf die Schwere der Neurodermitis nennt man klinisch relevant.
Eine Diät ist nur bei einer klinisch relevanten Allergie sinnvoll.
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- Je schwerer das Ekzem ist, desto mehr können auch weitere Auslöser eine Rolle spielen. Eine Diät alleine bringt daher oft nicht den erhofften Nutzen.
- Zucker in großen Mengen schadet Jedem! Neurodermitis wird aber nicht besonders durch Zuckerkonsum verstärkt.
Allergien gegen Zucker gibt es nicht.
Andere Allergien als Auslöser
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- Auch bei kleinen Kindern kommen schon Allergien vor. Hier spielen besonders Hausstaubmilben oder im Haushalt lebende Tiere, vor allem Katzen, eine Rolle.
- Größere Kinder erleiden dagegen eher Neurodermitis-Schübe durch Kontakt mit Pollen-Allergenen.
- Eine Allergie gegen Cremes bzw. deren Inhaltsstoffe ist möglich, aber selten. Wenn überhaupt, tritt sie erst bei langer Anwendung der Creme und bei schwer betroffenen Patienten auf. Vermeintliche Allergien auf die Cremes sind meist natürliche Schwankungen im Verlauf des Ekzems.
Bakterien und andere Erreger
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- Bei jedem Neurodermitis-Patienten finden sich vermehrt Bakterien (Staphylokokken) auf der Haut. Sie bereiten aber nicht immer Probleme und eine Beseitigung ändert oft nichts an dem Hautbild.
- Eine Suche nach Staphylokokken ist bei einem hartnäckigem Verlauf und immer wiederkehrenden Infektionen notwendig. Bei positivem Nachweis können desinfizierende Bäder und Cremes helfen.
- Allgemeine Infektionen wie, z. B. Schnupfen, können das Hautbild verschlechtern.
- Impfungen imitieren Infektionen und können daher ebenfalls zur vorübergehenden leichten Verschlechterung des Ekzems führen. Aber umgekehrt schützen Impfungen vor richtigen Infektionen!
Sie oder Ihr Kind sollten unbedingt alle empfohlenen Impfungen erhalten!
Verstärkungsfaktoren im täglichen Leben
Ekzeme können durch bestimmte Verstärkungsfaktoren begünstigt werden. Nachfolgend finden Sie wichtige Tipps für den Alltag, wie Sie eine Verschlechterung des Ekzems vermeiden können.
Tipps zur Kleidung
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- Hautreizungen können auch durch Kleidung ausgelöst werden.
- Weiche, luftige Kleidung aus Baumwolle ohne innen liegende Etiketten oder enge Bündchen ist meist angenehm.
- Oft besteht eine Unverträglichkeit gegen Schafwolle und synthetische Textilien.
- Waschmittel sind generell kein Problem, wenn sie gut ausgewaschen werden.
- Weichspüler helfen sogar, da die Kleidung weicher wird.
- Spezielle Neurodermitis-Anzüge können durch eine verminderte Reizung der Haut den Hautzustand stabilisieren und den Schlaf verbessern.
Tipps zu Wetter, Klima und Sonne
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- Im Sommer ist die Neurodermitis oft besser. Sonne und trockene Wärme werden in der Regel gut vertragen.
- Feuchte Wärme und Schwitzen verursachen dagegen oft Juckreiz und verstärken das Ekzem.
- Am besten sind Schatten, leichter textiler Sonnenschutz, Mützen und das Meiden der Mittagssonne.
- Spezielle Sonnenschutzmittel für Kinder sind sicherer und verträglicher. Mineralische/physikalische Sonnenschutzfilter sind dabei für Kleinkinder besser geeignet als chemische.
Sonnenschutz ist bei Neurodermitis besonders wichtig.
Tipps zum Schwimmbadbesuch
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- Patienten mit Neurodermitis dürfen Schwimmbäder (auch mit Chlorwasser) besuchen.
- Schwimmen kann die Haut austrocknen. Um das zu vermeiden, muss die Haut vorher und nachher intensiv eingecremt werden.
- Der Aufenthalt im Wasser sollte zunächst kurz sein und kann dann verlängert werden, wenn er gut vertragen wird.
Behandlung der Neurodermitis
Die Behandlung der Neurodermitis wird nach dem so genannten Stufenschema durchgeführt. Die erste Stufe stellt dabei die Basistherapie dar, bei der Cremen und Baden im Mittelpunkt stehen. Kommt es zu einer Entzündung der Haut, werden je nach Ekzemschwere verschiedene entzündungshemmende Wirkstoffe eingesetzt.
Basistherapie
Die Pflege der Neurodermitishaut ist der wichtigste Bestandteil der Therapie. Durch eine gute, regelmäßige Basistherapie wird der Barrieredefekt der Haut ausgeglichen und oft ein „normaler“ Hautzustand erreicht.
Cremen
Es gibt keine allzeit und bei jedem Patienten wirksame “Zaubercreme”!
Für jeden Patienten gibt es zwei bis drei Cremes, mit denen er je nach Stadium gut zurechtkommt.
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- Die Auswahl der Cremes hängt vor allem vom Krankheitsstadium (Ekzem-Schweregrad) und Klima ab:
- Je akuter das Ekzem, d. h. je stärker die Entzündung, desto mehr Wasser und weniger Fett sollte die Creme enthalten.
- Je trockener die Haut und je geringer die Entzündung ist, desto mehr Rückfettung ist notwendig, d. h. desto fettreicher sollte die Creme sein.
- Generell gilt: im Sommer weniger und im Winter mehr Fett.
- Ideal ist eine Kombination der Basispflegecreme mit den Feuchthaltefaktoren Glycerin oder Harnstoff (Urea). Harnstoff kann jedoch vor allem bei kleinen Kindern häufig ein „Brennen“ der Haut verursachen.
- Duftstoffe, Konservierungsmittel und Emulgatoren sollten soweit möglich vermieden werden.
- Die benötigte Menge an Basiscremes ist oft größer als vermutet. Einen Anhaltspunkt für die richtige Dosierung bieten die „Fingerspitzen-Einheiten“ (siehe Kapitel II „Gewusst wie – Richtiges Cremen“).
- Die Anwendung der Basistherapie sollte mindestens zweimal täglich erfolgen. Wasserreiche und wenig Fett enthaltende Cremes sollten häufiger (drei- bis sechsmal täglich) aufgetragen werden.
- Wichtig: Die Basistherapie sollten Sie nicht eigenmächtig, sondern nur nach Rücksprache mit dem Arzt verändern!
Hinweise zur Auswahl der korrekten Creme und wichtige Praxistipps zur richtigen Anwendung erhalten Sie im Kapitel „Gewusst wie – Richtiges Cremen“.
Baden/Duschen
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- Die Haut muss regelmäßig von Hautschuppen und Cremerückständen gereinigt werden.
- Baden und Duschen sind beides gute Möglichkeiten.
- Zur Pflege beim Wannenbad eignen sich spreitende Ölbäder, die einen dünnen Ölfilm auf der Wasseroberfläche ausbilden; das Wasser bleibt klar. Sie versorgen die trockene Haut schon während des Badens mit ausreichend Feuchtigkeit und Fetten.
- Zu warmes Wasser steigert die Durchblutung und damit auch die Rötung und den Juckreiz.
- Nicht die Haut abrubbeln, lieber mit einem weichen Handtuch abtupfen.
Nach dem Abtrocknen direkt, d. h. möglichst innerhalb von drei Minuten, eincremen.
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- Auch Neurodermitis-Patienten können zwei- bis dreimal pro Woche baden – wenn es Spaß macht und gut tut, auch öfter!
Hinweise zur Auswahl eines geeigneten Ölbades und wichtige Praxistipps zum Baden/Duschen erhalten Sie im Kapitel „Gewusst wie – Richtiges Baden“.
Behandlung bei akutem Neurodermitis-Schub
Immer wieder und unvorhersehbar kommt es im Verlauf der Neurodermitis zu Verschlechterungen. Diese Schübe sollten frühzeitig mit entzündungshemmenden Wirkstoffen behandelt werden, um der weiteren Verschlechterung vorzubeugen. Oft wird aus Sorge vor Nebenwirkungen mit der entzündungshemmenden Behandlung zu spät begonnen.
Es gilt aber: Je schwerer das Ekzem, desto intensiver und länger muss die antientzündliche Behandlung durchgeführt werden. Bei frühzeitigem Beginn kommt man hingegen meist mit einer weniger intensiven Behandlung aus.
Eine Übersicht über entzündungshemmende Wirkstoffe finden Sie in Tabelle 1.
Wichtiges zu Kortison-Cremes
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- Die effektivste antientzündliche Behandlung bieten heute moderne, “kindgerechte” Kortison-Cremes.
- In akuten Phasen erreicht man damit eine zuverlässige Symptomverbesserung bis hin zur Symptomfreiheit.
Es ist aber keine endgültige Heilung möglich.
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- Wenn Sie die Kortison-Creme so anwenden wie Ihr Arzt empfiehlt, brauchen Sie keine Nebenwirkungen zu befürchten.
- Eine langfristige Kortison-Behandlung sollte nicht ohne Rücksprache mit Ihrem Arzt erfolgen.
- Vorsicht ist geboten an Kortison-empfindlichen Hautarealen (Hals, Gesicht, Windelbereich)!
Entzündungshemmende Wirkstoffe |
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Kortison-Creme |
effektivste antientzündliche Behandlung |
Neuere Wirkstoffe wie Pimecrolimus und Tacrolimus |
wenn Kortison nicht vertragen wird, nicht hilft oder bei besonders empfindlichen Hautstellen |
Zinkhaltige Salben |
nur bei leichter Entzündung wirksam – Vorsicht: können austrocknend wirken! |
Antiseptische Pflegeprodukte |
können die Bakteriendichte auf der Haut senken |
Desinfizierende Lösungen und Bäder |
bei infizierten und nässenden Hautstellen |
Tabelle 1: Zur Entzündungshemmung stehen verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung
Wichtiges zu weiteren antientzündlichen Wirkstoffen
Neben Kortisonen gibt es weitere antientzündliche Wirkstoffe. Sie werden eingesetzt, wenn Kortison nicht vertragen wird, nicht hilft oder bei besonders empfindlichen Hautstellen wie dem Gesicht oder dem Halsbereich.
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- Pimecrolimus und Tacrolimus sind antientzündliche Wirkstoffe, die seit etwa zehn Jahren zur lokalen Behandlung der Neurodermitis verwendet werden. Sie dürfen erst ab einem Alter von zwei Jahren eingesetzt werden.
- Bisher gibt es keine Hinweise, dass die Behandlung damit langfristig schwerwiegende Nebenwirkungen hat. Langzeit-Untersuchungen sind aber noch nicht abgeschlossen.
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- Sonnenschutz ist besonders wichtig
- Nicht bei Hautinfektionen anwenden
- Vorsichtsmaßnahmen bei der Anwendung von Pimecrolimus und Tacrolimus:
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Fett-feuchte Verbände
Bei akuten Beschwerden helfen fett-feuchte Verbände.
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- Fett-feuchte Verbände sind bei Neurodermitis-Schüben bewährt.
- Sie sind jedoch nicht als Dauertherapie geeignet.
- Für das Anlegen fett-feuchter Verbände ist eine Anleitung notwendig!
Hinweise und eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Anlegen eines fett-feuchten Verbandes erhalten Sie im Kapitel II „Gewusst wie – Fett-feuchte Verbände“.
Infektionen
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- Bei infizierten und nässenden Hautstellen helfen desinfizierende Lösungen und Bäder.
- Antiseptische Cremes können die Bakteriendichte auf der Haut senken.
Bei nässenden Ekzemherden können Sie das „Feuer der Neurodermitis“ mit wässrigen desinfizierenden Lösungen und Bädern löschen.
Betroffene können bei einer Schulung für Neurodermitis-Patienten (AGNES- Schulung) mitmachen. Informationen dazu gibt es bei www.neurodermitisschulung.de
Juckreiz
Der Juckreiz ist für Patienten, Familien und Therapeuten das wichtigste und belastendste Symptom.
Die Juckreiz-Entstehung ist sehr komplex: Es gibt keine sofort wirksame Therapie.
Kratzen lindert nur kurz, steigert danach aber den Juckreiz – ein „Juckreiz-Kratz-Zirkel“ entsteht (siehe Abb. 2). Oft hält der Juckreiz weiter an, auch wenn das Ekzem abgeklungen ist.
Gegen Juckreiz hilft:
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- Kühlen, feuchte Umschläge duschen, ablenken
- Wärme oder falsche Kleidung meiden
- Effektive antientzündliche Behandlung mit Kortison-Creme oder anderen Wirkstoffen
- Stadiengerechte Basistherapie
Die besondere Situation mit Kindern:
Kinder holen sich manchmal unbewusst Aufmerksamkeit über das Kratzen.
Für die Entwicklung des Kindes ist ein ungestörter Schlaf sehr wichtig und Juckreiz beeinträchtigt den Schlaf. Deshalb sollte der Juckreiz konsequent und gut behandelt werden.
Hilfreiches Verhalten:
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- Angemessen Mitleid zeigen, keine Schonung
- Loben und positives Verhalten bestärken
- Entspannung durch Kuscheln und Toben
Antihistaminika helfen kaum. Sie können aber müde machen und die Leistungsfähigkeit am Tag einschränken.
Vermeiden Sie:
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- Übertriebene Aufmerksamkeit
- Raschen Creme- oder Therapiewechsel
- Aufregung, Ermahnung
Behandeln Sie Ihr Kind ganz normal, vermeiden Sie Überbehütung, trösten Sie, wenn nötig, aber reagieren Sie möglichst wenig emotional.
Abb. 2: „Juck-Kratz-Zirkel“
Prognose und Aussicht
Die Neurodermitis kann zwar nicht geheilt werden, die Symptome können aber deutlich verbessert und die Zeit zwischen zwei Schüben hinausgezögert werden (siehe Abb. 3).
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- Bei den meisten Betroffenen bleibt die Neurodermitis leicht ausgeprägt.
- Insgesamt ist die Prognose sehr gut: Bei ca. zwei Dritteln der Kinder ist das Ekzem bis zum Kindergartenalter deutlich gebessert oder verschwunden.
Alternative Heilverfahren
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- Alternative Heilverfahren können ergänzend angewandt werden.
- Neurodermitis-Patienten mit schwerem Ekzem oder deren Eltern möchten gerne jede sich bietende Hilfe nutzen. Sie sind daher aber auch anfällig für ungerechtfertigte oder falsche Heilversprechen.
- Wichtige Regeln bei der Bewertung alternativer Heilversprechen sind:
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- Geben Sie Ihr Geld nicht unüberlegt und ohne fachliche Absicherung aus.
- Misstrauen Sie jedem, der schnell durchschlagende Erfolge „für immer“ ankündigt.
- Wer Heilung verspricht, sagt nicht die Wahrheit! Derzeit gibt es kein Behandlungsverfahren, das die Ursache der Neurodermitis endgültig beseitigt.
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Abb. 3: Der übliche Verlauf einer Neurodermitis
II. Gewusst wie ... – Praktische Tipps und Ratschläge
Richtiges Cremen
Patienten mit Neurodermitis haben eine besonders empfindliche Haut, da die Hautbarriere gestört ist. Durch das tägliche Waschen verliert die Haut Feuchtigkeit und Hautfette, wodurch die ohnehin eingeschränkte Schutzwirkung der Haut weiter geschwächt wird. Wie können Sie diesem Effekt entgegenwirken?
Eine regelmäßige Basistherapie mit Cremes – das A und O der Neurodermitis-Therapie
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- zweimal tägliches Eincremen, bei Bedarf auch öfter, um die Haut ausreichend mit Feuchtigkeit und Lipiden zu versorgen. Effekt: Die schützende Hautbarrierefunktion kann so langfristig verbessert werden. Juckreiz und Erkrankungsschübe werden gelindert und können sogar verhindert werden.
- zusätzliche juckreizlindernde Maßnahme: Basistherapeutika im Kühlschrank aufbewahren und gekühlt auf die Haut auftragen.
Wichtig ist, dass Sie die Haut auch eincremen, wenn keine Beschwerden vorliegen! Nur so kann eine Verschlechterung des Ekzems vermieden werden.
Tipp: Integrieren Sie das Eincremen fest in den Alltag, sodass es zu einer täglichen Routine wird.
Was müssen Sie bei der Auswahl der Basistherapeutika beachten?
Die Basistherapeutika sollten entsprechend dem Hautzustand und der zu behandelnden Körperregion ausgewählt werden.
Wichtig:
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- Je akuter die Entzündung, desto höher der Wasseranteil und desto geringer der Fettgehalt der Creme.
- Je trockener die Haut, desto höher der Fettanteil und desto niedriger der Wassergehalt der Creme.
Der Hautzustand kann sich zudem je nach Jahreszeit verändern. So ist die Haut im Winter zum Beispiel durch trockene Heizungsluft generell trockener, sodass eine Creme mit einem höheren Fettanteil benötigt wird.
Wie unterscheiden sich Salben, Cremes und Lotionen?
Salben sind generell viel fetthaltiger als Cremes und Lotionen. Sie können auch stark abdeckend wirken, sodass es zu einem Wärmestau kommen kann und der Juckreiz erneut auftritt. Bei akuten Entzündungen sind Salben deshalb generell ungeeignet!
Cremes (Emulsionen aus Wasser und Fett/Öl) enthalten im Vergleich zu Salben einen höheren Wasseranteil, weshalb sie die Haut stärker kühlen und besser mit Feuchtigkeit versorgen. Sie lassen sich in der Regel auch leichter verteilen und ziehen schneller in die Haut ein.
Lotionen, auch als Milch bezeichnet, haben einen sehr hohen Wassergehalt. Sie sind dünnflüssiger als Cremes und lassen sich daher in der Regel noch einfacher verstreichen. Die Rückfeuchtung ist allerdings geringer als bei Cremes.
Tipp: Sie sollen sich vor allen Dingen mit Ihrer Creme, Lotion oder Salbe wohl fühlen. Denn eine gute Basistherapie ist nur wirksam, wenn Sie sie regelmäßig anwenden!
Was sollten Sie bei der Auswahl noch beachten?
Die Cremes sollten keine Substanzen enthalten, die Allergien auslösen können, wie zum Beispiel Wollwachsalkohol (Wollwachs, Lanolin), Duft- oder Farbstoffe.
Wie kann Feuchtigkeit in der Haut gespeichert werden?
Sogenannte Feuchthaltefaktoren können das in den Cremes enthaltene Wasser in der Haut speichern. Zu diesen zählen Glycerin und Harnstoff, die auch natürlicherweise in der Haut vorkommen. Auf empfindlicher und geschädigter Haut kann Harnstoff allerdings konzentrationsabhängig zu Hautreizungen wie zum Beispiel zu Brennen führen. Deshalb sollten Sie Cremes mit Harnstoff insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern nicht anwenden.
Tipp: Besonders bei empfindlicher Haut nur Cremes mit dem körpereigenen und sehr gut verträglichen Glycerin verwenden!
Wie wenden Sie Cremes richtig an?
Bevor Sie die Haut eincremen, waschen Sie sich aus hygienischen Gründen immer die Hände.
Bitte vermeiden Sie ein „Einrubbeln“ der Creme, da dies die empfindliche Haut zusätzlich reizt.
Tipp: Beim Eincremen kleinerer Kinder die Creme zunächst in die eigene Hand geben und dann erst mit leicht massierenden Bewegungen auf der Haut des Kindes verreiben.
Welche Menge Creme brauchen Sie?
Geben Sie einen Streifen Creme auf Ihren Zeigefinger – von der Fingerspitze bis zum ersten Fingergelenk. Diese Menge entspricht einer sogenannten Fingerspitzen-Einheit (ca. 0,5 g). Die Anzahl der benötigten Fingerspitzen-Einheiten für die einzelnen Körperstellen finden Sie in der Dosierempfehlung in Abb. 4.
Richtiges Baden
Wasser trocknet die Haut zusätzlich aus. Daher muss auch bei der Reinigung die empfindliche Neurodermitiker-Haut geschützt werden.
Warum ist ein Ölbad wichtig?
Um die trockene Haut besser zu pflegen, können Sie immer medizinische Ölbäder als Badezusatz verwenden. Diese vermindern das weitere Austrocknen der Haut während des Badens.
Welche medizinischen Ölbäder gibt es?
Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen „emulgierenden“ Ölbädern, bei denen das Badewasser milchig-trübe wird, und sogenannten „spreitenden“ Ölbädern. Bei diesen schwimmt ein dünner Ölfilm auf der Wasseroberfläche und das Wasser selbst bleibt klar. Insbesondere diese spreitenden Ölbäder sorgen für eine intensive Rückfeuchtung und Rückfettung der trockenen Neurodermitishaut.
Wie funktioniert ein Ölbad?
Das Badeöl kann direkt oder nach ca. fünf Minuten Baden in klarem Wasser zugegeben werden.
Bei „spreitenden“ Ölbädern, die auf der Wasseroberfläche einen dünnen Ölfilm bilden, legt sich ein gleichmäßiger Schutzfilm über die Haut, der während des Badens den Verlust von Hautfetten vermindert und gleichzeitig die Haut vor weiterem Austrocknen schützt. Ein Teil der Öle wird von der Haut aufgenommen und ersetzt den Hautfett-Verlust (Rückfettung). Die Haut kann Wasser wieder besser speichern (Rückfeuchtung) und bleibt geschmeidiger. Beim Aussteigen aus dem Badewasser wird der Schutzfilm erneuert.
Wichtig: Bitte kombinieren Sie die Ölbäder nicht mit Badezusätzen oder Seifen, da diese die Wirkung des Ölbades aufheben.
Was ist beim Duschen zu beachten?
Auch wenn Sie Duschen bevorzugen oder keine Badewanne besitzen, müssen Sie auf die Wirkung eines Ölbades nicht verzichten. Um einen vergleichbaren Effekt zu erzielen, tragen Sie das Ölbad nach dem Duschen einfach ganz dünn auf die Haut auf. Überschüssiges Öl lässt sich mit klarem Wasser abduschen. Bitte verwenden Sie dazu keine Seife, Duschgel oder Waschlotion, da die Wirkung sonst verloren geht.
Tipp: Tupfen Sie die Haut nach dem Baden oder Duschen nur sanft mit einem Handtuch ab! Zum einen zerstört starkes Reiben oder Rubbeln den Schutzfilm und vermindert so die Wirkung des Ölbades, zum anderen kann der Juckreiz erneut auftreten oder verstärkt werden.
Worauf sollten Sie sonst noch achten?
Das Baden sollte auf jeden Fall Spaß machen und entspannend sein. Nach dem Baden ist es auch sinnvoll, die Haut kurz etwas kühler abzuduschen oder Wechselduschen durchzuführen. Dadurch werden die Talgdrüsen angeregt und der Aufbau des natürlichen Säureschutzmantels gefördert. Kinder mögen hier natürlich ganz besonders lustige Wasserspiele, bei denen sie einzelne Körperteile mit kaltem Wasser aus einem Becher oder einer kleinen Kindergießkanne begießen dürfen.
Woran müssen Sie nach dem Baden auf alle Fälle denken?
Cremen Sie die Haut nach dem Baden bzw. Duschen immer unmittelbar sorgfältig ein, d.h. möglichst innerhalb von drei Minuten, um ihr wieder Feuchtigkeit und Lipide zurückgeben. Nur eine konsequente tägliche Pflege der Haut führt zu einem dauerhaften Behandlungserfolg!
Hilfe bei einem akuten Neurodermitisschub
Kommt es trotz regelmäßiger Basistherapie zu einem akuten Neurodermitisschub, dann ist die trockene Haut stark gerötet, entzündet und es besteht ein quälender Juckreiz.
Der fett-feuchte Verband – wertvolle Hilfe beim akuten Schub
Der fett-feuchte Verband wirkt gleichzeitig kühlend und fettspendend und damit schnell juckreizlindernd.
Was ist ein fett-feuchter Verband?
Beim fett-feuchten Verband ist das Zusammenspiel der fettreichen Basiscreme bzw. -salbe und dem mit Wasser angefeuchteten Verband wichtig. Dabei werden die fehlende Feuchtigkeit und das fehlende Fett gleichzeitig zurückgegeben.
Der fett-feuchte Verband kann für mehrere Stunden auf der Haut verbleiben. So wird zum einen das Ekzem gezielt behandelt, zum anderen der Juckreiz durch die Kühlung effektiv gelindert.
Für wen ist der fett-feuchte Verband geeignet?
Der fett-feuchte Verband kann bei jedem Patienten mit Neurodermitis angewendet werden, wenn ein Ekzem auftritt und/oder starker Juckreiz besteht.
Der fett-feuchte Verband ist zur Behandlung von Ekzemen an Armen, Beinen und dem Rumpf geeignet. Grundsätzlich kann auch das Gesicht behandelt werden, allerdings sollte dies nur in spezialisierten Kliniken erfolgen.
Tipps
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- Eine frühzeitige Anwendung des fett-feuchten Verbandes kann die Schwere des Schubs mindern.
- Ziehen Sie lange Kleidungsstücke wie z. B. einen Pullover über den fett-feuchten Verband. So kann er für einige Stunden auf der Haut verbleiben, ohne dass man ihn sieht – ideal für Kindergarten, Schule und Arbeit.
Was wird benötigt?
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- Schlauchverband (z. B. Tubifast, Coverflex), in verschiedenen Größen in der Apotheke erhältlich
Die Schlauchverbände können gewaschen und mehrmals wiederverwendet werden. - Fettreiche Basiscreme bzw. -salbe
- Handwarmes Wasser
- Schere
- Schlauchverband (z. B. Tubifast, Coverflex), in verschiedenen Größen in der Apotheke erhältlich
Wie wird der fett-feuchte Verband richtig angewendet?
Eine detaillierte Anleitung mit Bildern finden Sie im Abschnitt „Wie wird der fett-feuchte Verband richtig angewendet?“.
Wie lange kann der fett-feuchte Verband auf der Haut bleiben?
Der fett-feuchte Verband kann sechs bis acht Stunden auf der Haut bleiben, mindestens aber eine Stunde. So kann er über einen langen Zeitraum seine juckreizlindernde Wirkung entfalten.
Wichtig: Bei Säuglingen besteht eine erhöhte Auskühlungsgefahr. Daher sollten die Verbände bei ihnen abwechselnd am Rumpf und an den Armen und/oder Beinen angewendet werden!
Tipp: Nach dem Entfernen des fett-feuchten Verbandes sollte die Haut anschließend direkt mit der Basispflege eingecremt werden.
Der fett-feuchte Verband ist nur zur Kurzzeitbehandlung geeignet. Wenn nach zwei bis fünf Tagen keine Besserung des Ekzems eintritt, sprechen Sie bitte direkt mit Ihrem behandelnden Arzt.
Wie wird der fett-feuchte Verband richtig angewendet?
1. Verband zuschneiden
Schneiden Sie den Schlauchverband zweimal für die entsprechende Körperpartie passend zu: Ein Verband wird angefeuchtet, der andere bleibt trocken.
2. Fettreiche Pflegecreme auftragen
Cremen Sie das Ekzem mit einer fettreichen Basiscreme dick ein.
3. Verband anfeuchten und anlegen
Den ersten Verband feuchten Sie im handwarmen Wasser an und drücken ihn kräftig aus, sodass er leicht feucht ist. Anschließend ziehen Sie den angefeuchteten Verband über die eingecremte Haut.
4. Trockenen Verband anlegen
Abschließend ziehen Sie den zweiten, trockenen Schlauchverband über den feuchten Verband. Dieser dient zum Schutz des feuchten Verbandes und verhindert gleichzeitig die Gefahr der Auskühlung.
Wichtig: Der untere feuchte Verband sollte regelmäßig (ca. alle drei Stunden) erneut angefeuchtet werden.
Dosierempfehlung der Basistherapie
Die Menge, die Sie zum Eincremen der einzelnen Körperstellen benötigen, können Sie mit Hilfe der so genannten Fingerspitzen-Einheit (FTU) bemessen. Die benötigte Menge entnehmen Sie bitte der Tabelle.
III. Internetadressen
www.neurodermitisschulung.de
Arbeitsgemeinschaft Neurodermitisschulung e.V. (AGNES) mit Informationen zu Schulungszentren
www.daab.de/haut
Seite des Deutschen Allergie- und Asthmabundes e.V. (DAAB) über Neurodermitis
www.neurodermitis-bund.de
Seite des Deutschen Neurodermitis Bundes (DNB) für Betroffene und Angehörige mit Informationen über Selbsthilfegruppen und Ansprechpartner in Deutschland
www.pina-infoline.de/
Präventions- und Informationsnetzwerk Allergie/Asthma (pina)
www.gpaev.de
Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie (GPA)
www.aak.de
Arbeitsgemeinschaft Allergiekrankes Kind e.V. – von der Elternselbsthilfeorganisation
www.dha-allergien.de/neurodermitis.html
Seite der Deutschen Haut- und Allergiehilfe e.V. über Neurodermitis
dgk.de/gesundheit/allergie-haut/neurodermitis.html
Seite des Deutschen Grünen Kreuz zum Thema Neurodermitis
www.kindergesundheit-info.de
Aufklärung (BZgA) für Eltern
www.allum.de/krankheiten/neurodermitis
Neurodermitis-Seite mit Informationen von Allergie, Umwelt und Gesundheit (ALLUM) der Kinderumwelt GmbH, Osnabrück
Schlusswort
Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesem Patieneten-Ratgeber viele hilfreiche Tipps für einen erfolgreichen Umgang mit Neurodermitis geben können.
Falls Sie weitere Fragen haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an Ihren Arzt oder Apotheker.
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